Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch

Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski - Ricarda Huch


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konnte. Im Bund mit Polen und dem Kaiser und im Begriff Pommern zu erobern, stand er immer noch in freundschaftlichen Beziehungen zu dem verratenen Bundesgenossen Karl Gustav. Viel zu sehr ineinander verschlungen waren aber die abendländischen Verhältnisse, als dass ein einzelner, noch dazu eine so verhältnismäßig kleine Macht wie der Kurfürst von Brandenburg, umwälzende Absichten so ohne weiteres hätte verwirklichen können. Nicht nur dass der Kaiser, sein eigener Bundesgenosse, keine Lust hatte, dem ehrgeizigen Reichsfürsten zu beträchtlicher Vergrößerung zu helfen und sich folglich für den pommerschen Krieg nur lau einsetzte, Frankreich, das im Jahr 1659 den langen Krieg mit Spanien endlich siegreich beendigt hatte, warf sein Machtwort zugunsten Schwedens in die Waagschale: Es gehörte zur französischen Politik, Schweden in seinen Ansprüchen an das Reich zu unterstützen und ihm seinen im Westfälischen Frieden erworbenen Besitz im Reich zu erhalten. So kam es, dass im Frieden von Oliva, der im Jahr 1660, kurz nach dem vorzeitigen Tod des nordischen Alexander, wie man Karl Gustav zu nennen pflegte, die nordischen Wirren beendete, die alten Verhältnisse im Wesentlichen wiederhergestellt wurden. Polen war gerettet, einzig auf die Oberhoheit über das Herzogtum Preußen musste es verzichten. Friedrich Wilhelm hatte durch sein Schaukeln zwischen den Parteien, das durch kräftige militärische Anstrengungen unterstützt wurde, nicht nur sich von Polen unabhängig gemacht, sondern auch sein Ansehen als kluger Politiker und bedeutender Feldherr sehr vermehrt. Russland musste sich mit einer kleinen Gebietserweiterung begnügen, den Zugang zum Meer, den es erstrebt hatte, erreichte es nicht.

      Seiner Gesinnung getreu hatte Graf Waldeck die Schwenkung des Kurfürsten zum Kaiser hinüber nicht mitgemacht; schon im Mai des Jahres 1658, bald nachdem das Bündnis mit dem Kaiser zustande gekommen war, verließ er den brandenburgischen Dienst, um später in schwedischen zu treten. Vergebens hatte ihn der kaiserliche Gesandte Lisola, der seinen Wert erkannte, durch große Vergünstigungen für den Dienst des Kaisers zu gewinnen versucht. Viele Jahre später sollte er den Kurfürsten, seinen ehemaligen Herrn und Freund, unter sehr veränderten Verhältnissen wiedersehen.

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      Der Rheinbund

       Der Rheinbund

      Der Kurfürst von Brandenburg war nicht der einzige, der als Haupt einer Allianz die Führung im Reich an sich zu bringen dachte: ein katholischer Fürst war es, dem das gleiche Ziel vorschwebte, der Kurfürst Johann Philipp von Mainz.

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      Johann Philipp von Schönborn (* 6. August 1605 auf Burg Eschbach (heute Laubuseschbach) im Östlichen Hintertaunus; † 12. Februar 1673 in Würzburg) war Kurfürst und Erzbischof von Mainz

      Schon durch seine Stellung als Erzkanzler des Reichs war Johann Philipp der bedeutendste unter den rheinischen Fürsten; aber er war es auch durch seine Person. Johann Philipp von Schönborn hatte im Dreißigjährigen Krieg als Offizier in kaiserlichem Dienst gestanden, war dann, 25jährig, Kapitular von Würzburg geworden und hatte als solcher den Einfluss des edlen und unglücklichen Spee erfahren. Was von dessen hochherziger Menschlichkeit auf ihn übergegangen sein mochte, gestaltete sich in ihm zur Duldsamkeit in religiösen Fragen und zu allgemeiner Friedensliebe, soweit beides nicht zu seinem fürstlichen Ansehen in Widerspruch stand. Den Hexenprozessen hat er in seinem Land ein Ende gemacht. Es gab keinen Fürsten im Reich, für den das fürstliche Ansehen nicht ausschlaggebend gewesen wäre, alle beherrschte die Sucht, ihr Gebiet, sei es groß oder klein, zu vergrößern und möglichst ertragreich zu machen. Als Johann Philipp im Jahr 1647 Kurfürst von Mainz wurde, war sein Kurfürstentum noch zum großen Teil von französischen Truppen besetzt, und er glaubte, den König von Frankreich am ehesten durch Nachgiebigkeit in allen Dingen zur Räumung bewegen zu können. Die Politik des Anschlusses an Frankreich war ihm nicht neu, er hatte dem Kaiser schon früh widerstrebt, als derselbe energischeres Vorgehen gegen Frankreich forderte.

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      Maximilian von Bayern (1573 – 1651)

      Im Verein mit dem streng katholischen Maximilian von Bayern hatte er den Kaiser zur Abtretung des Elsass an Frankreich gedrängt. Allerdings war seine Politik von der des bigotten, auf Österreich eifersüchtigen Bayern doch verschieden.

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      Johann Philipp

       Johann Philipp missbilligte die protestantenfeindliche Haltung des Kaisers, er selbst war in seinem Land milde gegen sie, hatte Protestanten in seinem Dienst und scheute sich sogar nicht, einem protestantischen Gottesdienst beizuwohnen. Vor allen Dingen hielt er dafür, dass der Friede für Deutschland notwendig sei und dass, da die gänzliche Unterwerfung der Protestanten, die der Kaiser wünschte, sich als unmöglich erwiesen habe, man sich mit ihnen vertragen müsse. Die Lage brachte den begabten, ehrgeizigen Johann Philipp auf den Gedanken, die Führung der Reichsangelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen in der Weise, dass er zunächst die rheinischen Länder in einer Allianz zusammenfasste, in die allmählich nach Möglichkeit auch andere Reichsfürsten ohne Unterschied der Konfession aufgenommen würden. Für jeden Reichsfürsten, ganz besonders aber für den Erzkanzler des Reiches, wäre es ordnungsgemäß gewesen, den Plan des Rheinbundes dem Kaiser zu unterbreiten und ihn zu bitten, sich an seine Spitze zu stellen. Nach Johann Philipps Meinung aber sollte der Bund in gewissem Sinne gegen den Kaiser gerichtet sein, insofern er etwaige kriegslustige oder herrschsüchtige Gelüste desselben in Schach halten sollte. War es schon eine Beleidigung des Kaisers, dass er nicht zum Eintritt in die Allianz eingeladen wurde, so war die Aufnahme des Königs von Frankreich vollends eine Herausforderung.

       Das volkreiche und geldreiche, kräftestrotzende Frankreich musste notwendigerweise einen Druck auf das verarmte, verödete Reich ausüben und gegen dasselbe vordringen. Seit der Zeit Richelieus war zu deutlichem Ausdruck gekommen, welches das Eroberungsziel des geeinigten Landes war. Im Jahr 1632 erschien ein Buch des königlichen Rats Jacques de Cassan unter dem Titel La recherche des droits du Roy et de la couronne de France; es war Richelieu gewidmet. In diesem Buch wurde festgestellt, dass ganz Deutschland mitsamt seinem Anhang eigentlich Frankreich gehöre, außerdem Portugal und große Teile von Spanien und Italien. Für den Drang Frankreichs, mindestens den Rhein zu erreichen und womöglich die Kaiserkrone zu erringen, schien jetzt die Stunde der Ausführung gekommen zu sein. An der Spitze des an Hilfsmitteln überreichen Landes stand ein junger, begabter, höchst ehrgeiziger und völlig skrupelloser König, der sich zur Herrschaft über Europa berufen fühlte. Zu der Anziehungskraft der Macht, die Frankreich ausübte, kam die einer Kultur, die innerhalb der Schranken französischer Eigenart einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht hatte. In der Ausbildung der Sprache, in Poesie und Wissenschaft war Frankreich Deutschland weit überlegen, eine Menge vorzüglicher Ingenieure, Diplomaten, Soldaten, Feldherren, Staatsmänner, Gewerbetreibender, Dichter und Gelehrter wetteiferten, Frankreich groß zu machen und den Monarchen zu verherrlichen. Über die Rechte seines Landes, über die Anschauungen und die Willensrichtung der Untertanen gebot der König unbeschränkt; mit dem Kaiser verglichen war er fast allmächtig.

      Die rheinischen Fürsten, die sich nach dem verwüstenden Krieg in ihren Ländern wieder leidlich einzurichten suchten, erfüllte gegenüber dem gewaltigen Nachbarn Schrecken und Bewunderung. Da sie es für unmöglich hielten, ihm zu widerstehen, schien es das Beste, sich gut mit ihm zu stellen. Indem er ein Glied des Bundes und ihr Freund und Beschützer wurde, war er zugleich unschädlich gemacht. Es war im Jahr 1655, als Johann Philipp einer schon bestehenden Allianz zwischen einigen rheinischen Fürsten beitrat, um sie zum Ausgangspunkt seines Planes zu machen. Als der einzige Staatsmann mit bestimmten Zielen war er bald der Leiter des Bundes und bemühte sich, ihn in seinem Sinne auszubauen. Mitten in die angeknüpften Verhandlungen fiel ein folgenschweres Ereignis, der Tod des Kaisers Ferdinand III.

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      Ferdinand III. (* 13. Juli 1608 in Graz; † 2. April 1657 in Wien ), geboren als Ferdinand Ernst, Erzherzog von Österreich aus dem Hause Habsburg, war vom


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