In die grüne Tiefe hinab. Daimon Legion

In die grüne Tiefe hinab - Daimon Legion


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die Düsternis mit einem grünen Schein. Ein mattes Licht. Der fahle Mond, welcher sich auf der Oberfläche des Sees spiegelte.

      Der Himmel. Fern von ihr.

      Das träge Morgengrauen kroch herauf.

      Lag sie die ganze Nacht im Wasser?

      Unter Wasser.

       Ich bin unter Wasser.

      Sie wollte schreien, dass einem Hörer das Trommelfell geplatzt wäre, doch ihre Stimme wurde vom Wasser verschluckt. Nur dumpf klang der Laut durch den See.

      Una fasste sich an die Brust, suchte ihr Herz, das eigentlich klopfen müsste – und fand doch nichts. In ihrer Angst ruderte sie unkontrolliert durch die Schwerelosigkeit, bis ihre Beine, die weiterhin in Jeans und Turnschuhen stecken, sich in den Schlingpflanzen verhedderten. Sie musste alle Kraft aufbringen, ihre tauben Glieder loszureißen. Sich befreien, wie von der Hand, die sie gepackt hatte.

      Jemand hatte sie gepackt.

      Jemand hatte sie unters Wasser gezogen.

      Jemand hatte sie ertränkt.

      Die Erinnerung kam gleißend wie ein Blitz über sie herein. Sie griff sich ins Haar, welches wirr von ihrem Kopf abstand und waberte wie diese fasrigen, einem Schlangenknäul ähnlichen Algen.

       Die Stimme in der Nacht. Florian, der mich zum See gelockt hat.

       Florian?

       Er kann es nicht gewesen sein. Er hätte nie so etwas getan! Wer ist es gewesen? Wer war dieser Mann?

       Er hat mich getötet!

       Ich bin tot! Ich bin tot? Warum bin ich tot? Und warum bin ich eben nicht so tot?

      „Na, wunderbar. Sie dreht durch!“, war da wieder die hämische, junge Männerstimme.

      „Ach was, sie hat nur Angst“, sagte die Frauenstimme beschwichtigend. „Jeder hat am Anfang Angst.“

      „Ich kann gut nachvollziehen, was sie gerade durchmacht. Sie ist halt gedanklich noch beim Menschsein, auch wenn sie jetzt tot ist“, sprach die Altmännerstimme gelassen.

       Tot! Ich bin tot!

      Una wurde schwindlig. Alles Wangenkneifen und Schlagen brachte ihr nichts. Es war schreckliche Gewissheit und kein Traum.

       Es ist ein Albtraum!

      „Tut mir ja leid für dich, Kleines“, sprach die mitfühlende Frauenstimme sie direkt an, „aber so sieht es nun mal aus.“

      „Wer ist da?“, fragte Una, doch ihre Stimme war durch das Wasser kaum zu hören.

      „Wir sind hier.“

      „Wo?“

      Una verstand nicht, wer im Wasser mit ihr sprechen konnte. Mit Sicherheit keine Ärzte.

      „Ist die blind?“, spottete der junge Mann.

      Sie versuchte, genauer durch die Dunkelheit zu sehen, aber was sie erkannte, waren nur Algen. Algen. Algen. Noch mehr Algen. Steine.

      „Du solltest vielleicht nicht nach Menschen suchen“, gab ihr der ältere Mann den klugen Rat, „denn die wirst du hier unten nicht finden.“

      Bestürzt musste Una dem zustimmen. Denn Tatsache hatte sie nach etwas Menschenähnlichem Ausschau gehalten. Wahrscheinlich, weil es ihr ein vertrauter Anblick gewesen wäre. Doch was für Menschen lebten schon am Grunde eines Sees? Hier unten gab es für gewöhnlich …

      Auf einem Felsen im Algenmeer erkannte sie drei zierliche Figuren. Es waren eine schwarz-graue Karausche, eine braune Teichmuschel und ein grüner Wasserfrosch. Sofern sie Augen hatten, wurde Una von ihnen neugierig betrachtet.

       Welche Tiere können reden wie Menschen?

      „Na also!“, jubilierte der Fisch mit heiterer Frauenstimme und schwamm aufgeregt ein paar Kreise um sich selbst. Bläschen sprudelten.

      „Herzlichen Glückwunsch!“, gratulierte die Muschel mit der gelassenen Stimme des Alten, auch wenn sie keinen Mund im üblichen Sinne besaß. Stattdessen klapperte sie – besser er – mit den Kalkdeckeln.

      „Übertreibt’s mal nicht, Leute!“, höhnte schließlich der Frosch in jung. „Bei der steht sicher keine Feier an. Immerhin ist sie abgekratzt.“

      „Nun, das gibt sich“, war die Karausche zuversichtlich, „sie brauch nur eine greifbare Erklärung.“

      Durchaus. Una war sehr gespannt, wie die aussehen sollte.

      Der kleine karpfenähnliche Fisch zischte mit raschem Flossenschlag auf sie zu und begann aus dem blubbernden Fischmaul zu palavern: „Guten Morgen, meine Liebe. Bestimmt bist du ziemlich verwirrt und schockiert von alldem hier, doch du brauchst keine Angst zu haben, alles wird gut.

      Zunächst mal sollte dir aber klar sein, dass du ertrunken bist. Ich weiß nicht, was dich dazu bewegt hat -“

       Bewegt?

      „- aber das musst du mir nicht erklären.

      Du bist hier am Grund des Sees. Ich bin Penina. Der Frosch dort ist Lorin, die Muschel heißt Arnold. Wie du dir vielleicht denken kannst, sind wir keine gewöhnlichen Tiere. Doch das soll dich fürs Erste nicht kümmern. Sieh uns als dein Empfangskomitee. Wir haben gesehen, wie du ertrunken bist und haben ordnungsgemäß den Morgen deines Erwachens abgewartet. Die Rückentwicklung dauert schließlich seine Zeit.

      Normalerweise werden Körper und Seele eines Ertrunkenen beim Tod getrennt. Die Seele gilt als Gefangene dieses Reiches, der Körper ist vergänglich und nur Fleisch und Nahrung. Jedoch bist du ein weit anderer Fall. Das werden wir auch dem Herrn vom See berichten. Menschen, die freundlicherweise von selbst kommen, verdienen eine Sonderbehandlung.“

      „Menschen, die von selbst kommen?“, wiederholte Una die Worte. Sie verstand nicht.

      Penina drehte eine Runde interessiert um Unas Kopf, bevor sie sich erklärte: „Nun ja, natürlich. Du hast dich doch selbst ertränkt, oder?“

      „Was?“

      Una war fassungslos. Ein irrwitziger Fisch nannte sie eine Selbstmörderin? Sie sollte ihr irdisches Dasein selbst in dieser Nacht beendet haben? Gut, sie war davongeschlichen, ja. Allein zum See gelaufen, ja. Aber sie hatte sich nicht freiwillig in diesen eiskalten See gestürzt!

       Nein, völlig ausgeschlossen! Nie im Leben und erst recht nicht im Tod!

      Offenbar fiel Penina auf, dass die Sache doch nicht derart leicht abgetan werden konnte. Die Reaktion des Mädchens verlief ganz anders als erwartet. Unsicher fragte sie daher: „Willst du uns etwa sagen, dass du dich gar nicht selbst getötet hast? Unser Herr kann es aber nicht gewesen sein. Und wie ein Gewaltopfer siehst du auch nicht aus. Keine blauen Flecken, keine Wunden … Du bist sogar noch unberührt.“

      Wie geschlagen wich Una zurück. Es war ihr mehr als peinlich, dieses doch sehr private Thema anzusprechen. Erst recht mit einem fremden Fischwesen. Freilich hatte auch sie schon an etwas Derartiges gedacht – die Zeitungen waren ja immer voll von solchen bedrückenden Geschichten. Irgendwie wollte sie zwar behaupten, zum Glück, dass sie kein solches Gewaltopfer geworden war, dennoch schien ihr Schicksal nicht wirklich besser zu sein. Tot war nun mal tot.

      „M-mich hat jemand ins Wasser gezogen!“, beteuerte sie den dreien aufgelöst. „Ich hatte vor, mich mit jemandem treffen, da wurde ich plötzlich hinuntergezogen! Er hat mich am Bein gepackt!“ Sie wies auf ihren Knöchel. An besagter Stelle war die Jeans aufgerissen.

      Frosch, Fisch und Muschel schauten sich fragend an.

      Una versuchte, sich an mehr Details zu erinnern und verhaspelte sich in aller Hektik mehrmals mit der Zunge. „Er hat mich zum See gelockt. Mit der Stimme meines … eines Freundes. Aber er war es nicht! Das war … die Haut


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