Der rote Champion. Marie Madeleine

Der rote Champion - Marie Madeleine


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einen Trupp Pferde, welche, bandagiert und deckenverhüllt, von winzigen Stalljungen im langsamen Tempo um die Bahn geritten wurden.

      »Ah, sieh mal, da kommt ‘Ach was’,« jubelte Alice.

      »Seit wann erkennst du die Pferde auf so weite Entfernungen?« spottete Graf Dahlweg.

      »Sie hat wohl auch weniger den Gaul erkannt, als den Dress des Reiters,« konstatierte Thea; »blauseidene Blusenhemden trägt zur Morgenarbeit doch bloß einer.«

      Borndorf hatte sich inzwischen in scharfem Trabe genähert. Er winkte einem der herumstehenden Boys, welcher ‘Ach was’ beim Zügel ergriff, während sich der kleine Ulan blitzschnell aus dem Sattel schwang.

      Er sah knabenhaft jung aus in seinen weißledernen breeches, dem hellblauseidenen Blusenhemd mit dem hohen weißen Stehkragen und der grauen Jockeymütze auf dem lockigen Haar. Alice fand innerlich, »er sehe so süß aus, wie noch nie,« und dieser Gedanke rief ein verlegen zärtliches Gefühl in ihr hervor, welches es ihr schwer machte, den fachmännischen Ausführungen ihres Ideals mit ungeteilter Aufmerksamkeit zu lauschen.

      Borndorf aber war ganz bei der Sache; höchst interessiert wies er auf einen großen Braunen, der eben im kurzen Galopp sein schönes Gangwerk präsentierte.

      »Sehen Sie, gnädiges Fräulein, das ist ,Kurd’; das ist der Favorit für den Damenpreis. Über seinen speed ist gar kein Zweifel; ob er genug Stehvermögen hat, weiß ich noch nicht. Na, wir werden ja sehn.«

      »Aber ich bitte Sie,« mischte sich die Gräfin Thea ins Gespräch, »woher denn dieser Zweifel? ,Kurd’ hat im vorigen Jahre über lange Strecken Pferde wie ,Prinz’ und ,Gouverneur’ geschlagen; heute kommen noch recht gute Gewichtsverhältnisse hinzu, und außerdem, wem geben Sie denn im Damenpreis noch eine Chance?«

      »Vielleicht ,Lad’?« fragte Borndorf.

      »Glaube ich nicht,« sagte Thea nachdrücklich. »Der hat nach dem Sieg im Kronprinzrennen seine Form nie wieder bestätigt, und sein Erfolg damals hat wohl an der Maidenerlaubnis gelegen; denken Sie, was er damals von den anderen Pferden für Gewicht bekommen hat.«

      »Das ist immerhin möglich. Eigentlich großartig, wie Sie Bescheid wissen, Gräfin,« bewunderte der kleine Ulan.

      »Könnt ihr denn nicht endlich einmal von etwas anderem sprechen?« fragte Alice ärgerlich.

      »Du Sportslady,« neckte Thea, »na du kannst dich ja jetzt mit Borndorf von interessanteren Sachen unterhalten; ich muss ’rüber zu Johns,« — sie wies auf den dicken, kleinen Trainer, welcher in einiger Entfernung auftauchte, »bitte komm mit, Papa.« —

      Sie legte ihren Arm in den ihres Vaters und ging dem Trainer entgegen.

      Borndorf und Alice blieben allein. »Sie sprechen immer über Pferde — und immer mit Thea,« schmollte Alice. »Es ist wirklich bemerkenswert, was die Komtess für Pferdeverstand hat,« lautete Borndorfs Entgegnung, »was sie da vorhin über ,Lad’ sagte, war gar nicht so ohne. Vielleicht war es wirklich die Maidenerlaubnis. Je mehr ich darüber nachdenke —.«

      »Aber wollen wir denn nun nicht einmal wirklich von etwas anderem sprechen, Herr von Borndorf?« Ihr hübsches Gesichtchen hatte einen so ärgerlichen Ausdruck angenommen, dass der kleine Ulan von Herzen gern ihren Wunsch erfüllt hätte. Sein Geist machte verzweifelte Anstrengungen, einen Gesprächsstoff zu finden, welcher ihr möglicherweise zusagen konnte. Aber es war vergebens. Sein Gehirn war gleich einem Rennkalender oder einer Sportzeitung, in welcher von Pferdenamen, Pferdestammbäumen, Pferderennen und Pferdezucht die Rede ist. Und als er verzweifelt in die Runde blickte, um vielleicht von außen eine Anregung zu empfangen, waren es wiederum nur Pferde, die ihm vors Auge traten.

      »Gott … ja … wovon soll man denn nun eigentlich sprechen?«

      »Nun es gibt doch gerade genug nette Sachen, Herr von Borndorf. Literatur zum Beispiel … und Kunst, ...und … die Liebe…«

      »Liebe ist nichts für die Rennsaison,« sagte der kleine Ulan nachdenklich; »das ist doch eigentlich so mehr für den Winter, für Bälle und so.« Und dann, während sein Gesicht freudig aufleuchtete, in dem Bewusstsein, nun endlich einen passenden Gesprächsstoff gefunden zu haben: —»nicht wahr, wir tanzen diesen Winter recht oft zusammen, gnädiges Fräulein?«

      »Doch nicht erst im Winter,« erwiderte Alice entrüstet, »heut’ Abend ist doch Reunion.«

      »Ach so ja, die Reunion, nun ich wollte eigentlich gar nicht hingehen,« klang es zögernd zurück. Sie antwortete nicht. Sie sah ihn nur an. — Und unter dem stummen Banne ihrer Augen fügte er langsam hinzu: »Aber … wenn Sie gehen….«

      Sie sah ihn selig an. Zu ihrem Leidwesen störte das Herantreten ihrer Verwandten den kaum erst begonnenen Flirt.

      In der Begleitung der Dahlwegs befand sich Graf Balz, welcher soeben seine neue Stute probiert und von dem Resultat nicht gerade entzückt war. Er behauptete, dass nur ein gutes Frühstück imstande sei, ihn über den schlechten Ankauf zu trösten. »Frühstücken wir doch möglichst plötzlich,« schlug er vor.

      Alice stimmte eifrig bei, doch Thea erklärte, sie müsste noch mindestens 20 Minuten die Leistungen ihrer beiden Pferde beaugenscheinigen, welche eben unter zwei Boys vorüberkanterten.

      Borndorf setzte umständlich auseinander, dass auch er noch an die Bahn gefesselt sei, indem er noch ,Paradiesvogel’ und ,Charmeuse’ zu reiten hätte. Er wollte sich anschicken, die Familiengeschichte dieser zwei höchst interessanten Gäule auseinanderzusetzen, fand jedoch bei den andern wenig Gegenliebe.

      »Wie lange haben Sie denn noch zu tun?« fragte ihn Alice, »doch höchstens noch eine halbe Stunde … Nein? Noch länger? Aber nachher frühstücken Sie doch auch auf der Terrasse vom Imperial?«

      »Ja.«

      »Nun denn also, nachher auf Wiedersehen,« sagte Dahlweg, indem er den Arm seiner Nichte in den seinen legte. Es wurde verabredet, dass Graf Balz mit Thea möglichst bald nachkommen sollte.

      Dahlweg und Alice entfernten sich langsam. Nachdem sie eine Weile lang stumm nebeneinander hingeschritten, begann der Onkel eine kleine Strafpredigt.

      »Hör’ mal, Alice, ich mische mich ungern in die Angelegenheiten Verwandter, aber einen guten Rat kann ich als alter Mann —«

      »Aber du bist ja gar kein alter Mann,« unterbrach sie.

      Dahlweg lächelte geschmeichelt, fuhr aber doch in seinem Sermon fort. »Sieh mal, für ein junges Mädchen ist es wirklich nicht passend, so auffallend liebenswürdig zu einem Herrn zu sein, wie du zu Borndorf.«

      Alice schwieg nachdenklich. Dann aber sagte sie: »Die Herren reden doch immer von Hilfen, die sie den Pferden geben müssen. Warum soll denn einem Leutnant nicht auch einmal eine kleine Aufmunterung zuteilwerden? Bei seinem Charakter hat er das ja so nötig!«

      IV. Kapitel

      Das Frühstück war weniger animiert verlaufen, als Alice gehofft.

      Borndorf war spät gekommen, war ermüdet und schweigsam.

      Kaum, dass er eine Tasse Tee getrunken, äußerte er schon die Absicht fortzugehen, »um ein Dampfbad zu nehmen.«

      »Bei der Hitze!« rief Alice erstaunt.

      »Na ja, — um leichter zu werden; ein Pfund schwitze ich mir bestimmt ab.«

      Thea zog die Augenbrauen hoch; ihr sagte dieser Gesprächsstoff entschieden nicht zu.

      Alice aber ließ sich — naiv und temperamentvoll wie immer — in eine längere Debatte über Schwitzbäder ein. »Es soll ja sehr gesund sein und auch gut für Abmagern, aber Sie sind doch sowieso schon so schlank,« — ihr Blick streifte dabei zärtlich sein knabenhaftes Figürchen.

      »Na,


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