Der perfekte Sündenbock. Irene Dorfner

Der perfekte Sündenbock - Irene Dorfner


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in der zwei. Sie werden meine Nachbarn ja persönlich kennenlernen. Sie werden sie ja auch noch einmal vernehmen?“

      „Befragen, Frau Albrecht, nicht vernehmen.“

      „Stimmt, das ist ein Unterschied, den ich immer durcheinanderbringe. Für mich ist das nicht wichtig, rechtlich vermutlich schon. Es ist besser, Sie wenden sich wegen den Zimmermanns direkt an Fritz. Sie waren doch vorhin an seinem Haus. War er nicht zuhause? Ich habe ihn heute noch nicht gesehen. Er arbeitet immer so viel und kann das hübsche Haus und den wunderschönen Garten kaum genießen. Ich weiß bis heute nicht, was er macht, aber das geht mich auch nichts an. Ich habe ein persönliches Anliegen, das ich dringend mit ihm besprechen muss. Ist er nicht da?“ Sie stand auf und trat ans Fenster. „Fritz müsste da sein, sein Wagen steht in der Einfahrt.“

      „Nein, Herr Fuchs ist nicht zuhause. Und er kommt vermutlich auch so schnell nicht wieder.“

      „Wie muss ich das verstehen?“ Jetzt war die geschwätzige Frau zum ersten Mal sprachlos. Sie starrte Hans an, der die Unterhaltung mit ihr führte, während sich Leo jede Menge Notizen machte.

      „Herr Fuchs wurde verhaftet. Er steht in Verdacht, Josef Zimmermann ermordet und dessen Sohn Olaf verletzt zu haben.“ Hans war kurz davor, der Frau zu verraten, dass Fuchs ein Kollege war, unterließ es aber.

      „Fritz soll das getan haben? Nie im Leben! Der liebe Mann ist doch nicht gewalttätig. Ich bewunderte ihn immer dafür, wie er den beiden die Stirn bot und sich nicht aus der Ruhe bringen ließ, auch wenn er noch so provoziert wurde. Sie müssen mir glauben, dass der Mann nicht der Täter ist!“ Frau Albrecht schien Hans geradezu anzuflehen, ihr zu glauben.

      „Wir stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen und suchen nach jedem kleinen Hinweis, der uns weiterhelfen kann.“

      Die alte Dame stand kopfschüttelnd auf und ging in die Küche, um den Kaffee zu holen. Als sie das Tablett auf den Tisch stellte, war sie immer noch außer sich.

      „Wir sind jetzt hier und werden die ganze Sache aufklären, darauf können Sie sich verlassen“, mischte sich nun Leo ein.

      „Danke, das beruhigt mich etwas“, lächelte sie nun auch. Sie tranken von dem viel zu starken Kaffee, den Leo nur mit sehr viel Zucker und noch mehr Milch runterschlucken konnte. Frau Albrecht schien der Kaffee nichts auszumachen.

      „Sie haben einen herrlichen Blick auf das Grundstück von Herrn Fuchs. Konnten Sie in den letzten Tagen irgendetwas beobachten, was Ihnen merkwürdig vorkam?“

      „Fritz hatte vor, ein Gewächshaus zu bauen, so wie meines. Wollen Sie es sehen? Es wurde erst vor wenigen Tagen fertig und ich bin mächtig stolz darauf. Auch ein Vorhaben, das ich erst jetzt umsetzen konnte, mein Mann wollte kein Gewächshaus. Er sagte immer, das wäre für zwei Personen ein viel zu großer Aufwand. Was für ein Blödsinn! Wollen Sie es nun sehen?“

      „Später, Frau Albrecht.“

      „Das Gewächshaus von Fritz sollte dort hinkommen, wo der Bagger steht. Wir haben bei einem Gespräch über den Zaun über einen geeigneten Platz dafür diskutiert und auch ich befand, dass ein Gewächshaus dort geradezu genial sei. Fritz hatte mich um meine Meinung gebeten, da ich mich lange mit diesem Thema beschäftigt hatte. Sie glauben ja nicht, was man alles beachten muss, wenn man ein Gewächshaus bauen möchte. Ich habe Fritz Rede und Antwort gestanden, was ich sehr gerne gemacht habe. Das muss vor drei Wochen gewesen sein, während bei mir die Arbeiten noch im Gange waren. Die Zimmermanns hatten Wind von Fritz‘ Vorhaben bekommen und hatten natürlich wieder Einwände. Egal, was Fritz auch machte und nicht machte, die beiden hatten immer etwas zu meckern. Die Zimmermanns gingen ganz besonders gegen das geplante Gewächshaus vor. Warum, war uns allen schleierhaft, denn das geplante Objekt lag nicht einmal annährend in deren Blickfeld. Fritz war so anständig, uns alle über sein Vorhaben zu informieren und bat um unser schriftliches Einverständnis, das wir ihm selbstverständlich gaben. Alle, bis auf die Zimmermanns natürlich. Olaf Zimmermann hat sogar Anzeige erstattet und hat herumgebrüllt, dass er sich einen Anwalt nehmen möchte.“

      „Gegen Ihr Gewächshaus gab es keine Einwände?“

      „Nein. Ich habe einen Bauantrag gestellt und der wurde genehmigt. Außerdem konnten die Zimmermanns nichts dagegen haben, da sich mein Gewächshaus hinter dem Haus befindet. Ich hatte Bedenken wegen der Lieferungen, die doch sehr umfangreich waren, aber das habe ich geschickt gelöst. Ich habe alles ganz früh morgens anliefern lassen. Da schliefen die beiden noch und konnten sich nicht beschweren. Bis die in die Gänge kamen, war alles längst vorbei.“ Frau Albrecht lachte spitzbübisch.

      „Haben Sie jemanden auf dem Grundstück Ihres Nachbarn gesehen?“, hakte Leo nach, während Hans genüsslich die leckeren, selbstgebackenen Kekse aß.

      „Die Zimmermanns trieben sich immer auf Fritz‘ Grundstück herum, das war nichts Besonderes, auch wenn sich Fritz darüber immer aufregte. Er hätte die beiden schon oft deswegen anzeigen können, hatte aber keine Beweise. Er bat uns alle um eine Zeugenaussage, aber wir haben gepasst. Keiner von uns wollte sich mit den Zimmermanns anlegen, ich auch nicht. Ich mache auf Sie vielleicht einen taffen Eindruck, aber im Grunde genommen bin ich feige. Sie müssen mich verstehen, ich bin eine alte Frau und möchte meinen Lebensabend in Ruhe verbringen. Fritz war enttäuscht, hat uns unser Verhalten aber nicht übelgenommen. Vor einigen Wochen hat er die Zimmermanns auf seinem Grundstück erwischt und Anzeige erstattet, das hat er mir bei unserem letzten Gespräch mitgeteilt.“

      „Was können Sie uns über die Zimmermanns berichten?“

      „Die beiden sind uns allen ein Dorn im Auge, vor allem der Zustand deren Hauses. Jeder achtet darauf, dass das Eigentum gepflegt wird, aber nicht die Zimmermanns. Seit die Frau weg ist, verkommt alles. Nicht nur Haus und Garten, sondern auch Josef und Olaf verwahrlosen immer mehr. Was wird denn jetzt aus dem Haus, wenn der Alte tot ist?“

      „Keine Ahnung, das wird an anderer Stelle geklärt.“

      „Wie geht es Olaf? Wann kommt er wieder? Wie lange haben wir Ruhe vor ihm?“

      „Das wissen wir noch nicht, wir haben mit Olaf und dem behandelnden Arzt noch nicht sprechen können.“

      Henriette Albrecht beschrieb sehr lebhaft jeden einzelnen ihrer Nachbarn. Dann folgten viele Geschichten über die ungeliebten Nachbarn, die allesamt schrecklich und auch amüsant waren. Dabei schenkte sie ständig Kaffee nach. Als der alle war, holte sie eine Flasche Likör und Gläser aus dem hübschen, alten Wohnzimmerschrank – jetzt war es höchste Zeit zu gehen.

      Henriette Albrecht sah den beiden Polizisten hinterher. Sie hatte ein pikantes Anliegen, wofür sie Hilfe brauchte. Ob sie die Polizisten damit hätte belästigen können? Nein, sie kannte die beiden nicht. Sie wartete lieber, bis ihr Nachbar Fritz wieder zurück war, ihm vertraute sie.

      Leo und Hans gingen zum angrenzenden Haus der Nummer vier. Wolfgang Auer war sehr reserviert. Er gab der Polizei eine Mitschuld an dem, was in der Nacht passiert war.

      „Wie oft ich die Polizei gerufen habe, geht auf keine Kuhhaut. Die beiden hätten längst weggesperrt gehört, die waren eine Gefahr für die Allgemeinheit. Aber das interessiert die Polizei ja erst, wenn jemand zu Schaden kommt.“

      „Hör auf, Wolfi, reg dich nicht auf“, hielt ihn seine Frau Thea zurück. Die beiden waren Mitte sechzig und seit zwei Jahren in Rente. Sie wohnten die längste Zeit in der Brechtstraße. Das Haus hatten sie im Jahre 1964 selbst gebaut und über die vielen Jahre mühsam abbezahlt. Leo und Hans fühlten sich beide in dem Haus sehr unwohl. Warum das so war, konnten sie sich nicht erklären. Es war sauber und ordentlich, aber es gab keinerlei Dekorationen. Kein einziges Bild, keine Pflanze, kein Nippes. Nichts, was ein Heim hätte gemütlich machen können. Ob es daran lag, dass sie sich nicht wohlfühlten?

      „Haben Sie Ihrer heutigen Aussage noch irgendetwas zuzufügen?“, fragte Hans.

      „Nein. Meine Frau und ich haben nichts mitbekommen.“

      Die Beamten waren froh, als sie endlich gehen konnten.

      „Ich hab nicht viel für Dekoration übrig“,


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