Right in your heart. Isabella Kniest
benetzte sich die Lippen, versuchte, seinen Puls auf ein geregeltes Maß zurückzuschrauben …
Und versagte hoffnungslos.
»Verdammt … echt jetzt? Du willst in diese Spezialeinheit? Weshalb?«
Er liebte Frauen, die wussten, wohin sie wollen. Die eine Karriere anstrebten, sich in einem Männerberuf behaupteten …
Und Evina?
Sie war das Paradebeispiel!
Die ideale Partnerin.
Sie beide wären das perfekte Team. Privat wie beruflich. Sie könnten sich gegenseitig unterstützen, miteinander trainieren und kämpfen.
»Weil ich den Dienst in der Polizeistation nicht mehr ertrage«, kam es pragmatisch aus ihrem Mund.
Und er erstarrte.
Sie war Polizistin!
Verdammte Scheiße!
»Wie –« Er wollte weitersprechen, hielt sich jedoch davon ab, da ein Kellner Evinas Getränkewunsch aufnahm. Nachdem der lästige kleine Mann verschwunden war, versuchte er es noch einmal. »Du arbeitest als Polizistin? Wo?«
Von einem Schlag auf den anderen wechselte ihre Stimmung. »Das geht dich nichts an. Ich kenne dich nicht. Glaube ja nicht, ich würde dir hier meinen Lebenslauf präsentieren.«
Er wollte mehr über sie erfahren – musste mehr über sie erfahren.
Wie sie ihn nun allerdings ansah, stellte dies eine schier unmöglich zu meisternde Herausforderung dar.
Womöglich half es ein wenig, wenn er ihr mehr über sich selbst verriet?
»Ich arbeite für Interpol.«
Ihre großen runden ihn skeptisch musternden Augen wuchsen an. »Interpol?«
Er nickte. »In Berlin.«
Zwar schien Evina weiterhin ruhig bis niedergeschlagen sowie kritisch und vorsichtig. Kleine Anzeichen, wie die in die Serviette bohrenden Finger ihrer linken Hand, das Nagen an ihrer Unterlippe sowie die beschleunigte Atmung, welche sie durch gelegentliches Luftanhalten herunterzusetzen versuchte, schlossen auf hohe nervliche Belastung.
Nun stellte sich die Frage: Weshalb diese Reaktion? Stand sie auf anständige Kerle, die einen verantwortungsvollen und manchmal gefährlichen Beruf ausübten? Oder hatte sie ihn schlichtweg einem gänzlich anderen Job zugeordnet?
»Und du?«
Allem Anschein nach rang sie weiterhin mit einer für Polizisten typischerweise stark ausgeprägten Skepsis fremden Menschen gegenüber, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit doch auf die Tischplatte vor sich.
»Ganz normaler Polizist in einem Kärntner Kaff.«
»Du meinst Polizistin.«
Seine Richtigstellung brachte sie dazu, sich wieder ihm zuzuwenden, ihn verwirrt zu mustern und ein »Hä?« hervorzubringen.
»Na, Polizistin. Du bist ja kein Mann, oder?«
Evina seufzte. »Ich hasse dieses elendige Gendern. Darum nehme ich ausnahmslos die männliche Form. Bei allem.«
Keine Gleichberechtigungsscheiße? Herrschaft! So konnte man sich täuschen!
Theo stützte den rechten Ellbogen auf dem Tisch ab und bettete das Kinn auf die Handinnenfläche. »Echt? Das finde ich unheimlich sexy.«
Ruckartig erhob sie sich. »Ich hole mir etwas zu essen.«
»Warte.« Er tat es ihr gleich. »Ich komme mit.«
Schulterzuckend marschierte sie los.
»Ich finde dieses Binnen-I genauso bescheuert«, laberte er aufs gerade Wohl, um das Gespräch nicht abbrechen zu lassen. »In früheren Zeiten wusste man schließlich ebenfalls, dass sämtliche Geschlechter gemeint waren.«
Selbst solche wie Intersexuelle.
Evina griff nach einem weißen Teller und lud sich etwas Rührei drauf. »Ja? … Nicht schlecht.« Sie hörte sich ziemlich monoton an. »Die meisten meiner Kollegen nehmen diesen Beschiss viel zu ernst. Und schrecklicherweise ist das noch Gesetz.« Ein Brötchen und Konfitüre komplettierten ihr Frühstück. »Das habe ich nie verstanden. Schließlich hat Gleichberechtigung nichts mit irgendwelchen Bezeichnungen zu tun. Gleichberechtigung sollte für gleiche Bezahlung und gleichen Stellenwert stehen.«
Es wurde ihm etwas mulmig.
Dann ging es ihr doch um diesen Quatsch!
Verflucht!
Er nahm sich zwei Brötchen, etwas Schinken und eine Kelle Rührei – für den Muskelaufbau – und ging zurück zum Tisch. Evina folgte ihm mit etwas Abstand.
»Dich interessiert das nicht, stimmt’s?«, hörte er sie sagen. »Für dich sind Frauen bestenfalls Objekte, die man benutzt. Mehr als einen Fick nicht Wert.«
Ein kalter Schauer jagte ihm von seinem Haaransatz bis in die Zehen. »Whoa, whoa! Wie kommst du auf den Mist?«
So dachte sie von ihm? Kam er etwa dermaßen asozial rüber?
Sie setzten sich.
»Weil es dir rein um Spaß geht«, stellte sie fest. »Keine Verantwortung, ausschließlich Freiheit, Sex und Erfolg.«
Die Wahrheit war: Ja, er liebte es, Frauen flachzulegen. Dessen ungeachtet bedeutete dies nicht, irgendjemanden auszunutzen oder nicht ernst zu nehmen. Er nahm jede Frau todernst. Sie brachten Kinder auf die Welt, sie kümmerten sich um all die Dinge, die Männer nicht tun wollten, manchmal zeigten sie größeres Verantwortungsbewusstsein als manch ein Mann … obwohl er dies natürlich niemals laut zugegeben hätte.
»Bloß, weil ich dich gerne zu einem One-Night-Stand überreden möchte?«
»Ja«, entgegnete sie kühl. »Und weil du eben dein Gesicht verzogen hast, als leide ich an einer hoch infektiösen, eitrigen Hautkrankheit.«
»Das habe ich nicht!« Er belegte ein Brötchen mit Schinken. »Da hast du irgendetwas falsch aufgefasst.«
»Verarsch mich nicht. Dich interessiert der Stellenwert der Frau in der Gesellschaft einen Scheißdreck. Gib’s einfach zu.«
Auf eine derartige Weise hatte er niemals über Frauen gedacht! Niemals!
Aber was brachte es, ihr dies bis ins kleinste Detail zu erklären? Wie sie reagierte – da glaubte sie ihm höchstwahrscheinlich ohnehin kein Wort.
»Falls ich Ja sage, gibst du dann Ruhe?«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Nein.«
Mit dem Brötchen in der Hand lehnte er sich zurück. »Dann sage ich gar nichts.«
Das Gespräch entwickelte sich erneut in eine völlig falsche Richtung.
Er musste einlenken, sonst würde ihr Zusammensein abermals in einer Katastrophe enden.
»Wieso fängst du eigentlich andauernd zum Streiten an? Kannst du dich ausschließlich aufregen, oder was? Gibt es sonst nichts in deinem Leben?«
Sein Hauptanliegen war nach wie vor, sie flachzulegen. Er wollte mit ihr eine schöne Zeit verbringen, seinen Urlaub genießen – und nicht über die Emanzipation diskutieren.
Gott.
Davon bekam er Kopfschmerzen!
Sie bestrich ihr Gebäck mit Erdbeerkonfitüre. »Ich streite nicht. Ich sage einfach, was wahr ist.«
»Aber ständig dieser aggressive Ton! Kein Wunder, weshalb du frustriert durch die Welt läufst.«
Hätte Evina die Fähigkeit besessen, Feuer und Gift zu spucken – sie hätte es getan und ihn in ein Häufchen Asche verwandelt. »Meinst du, mich spricht deshalb niemand an? Weil ich aggressiv rüberkomme und mich nicht wie ein verschüchtertes Prinzesschen aufführe?«
Wie