Right in your heart. Isabella Kniest
vermochten es da nicht im Ansatz mit ihr mitzuhalten!
Es stimme zwar, Evina war übermäßig trainiert – ihre Oberschenkel schienen aus reiner Muskelmasse zu bestehen – dadurch wirkte sie aber zu keiner Zeit plump oder bullig, vielmehr graziös wie eine Turnerin oder Balletttänzerin.
Eine einzige Augenweide.
»Darf ich mich zu dir setzen?«
Sie klang niedergeschlagen.
Zwei Gedanken schossen ihm durch den Sinn.
Erstens: Weshalb wollte sie sich freiwillig zu ihm setzen? Zweitens: Warum wirkte sie bedrückt?
Ganz egal, Theo! Sie hat anscheinend angebissen! Das musst du ausnutzen!
Nein.
Alles mit der Ruhe! Diese Sache musste er langsam angehen, ansonsten würde Evina schneller verschwinden, als er zu schauen imstande war. Das hatte ihre Reaktion gestern eindeutig bewiesen.
Doch ihre bedrückte Stimmung – die musste sich schleunigst ändern!
»Ja, sicher.« Er machte eine ausladende Geste mit seinen Armen. »Such dir einen Stuhl aus.«
»Es gibt nur einen«, antwortete sie belegt und ließ sich langsam nieder.
Diese Aufheiterung hatte offenkundig nichts gebracht.
Er blickte in ihre wunderschönen graublauen Augen. »Was ist los?«
Sie mutete sekündlich deprimierter an. »Nichts Wichtiges.«
»Das stimmt nicht. Du hast was.« Theo stützte die Unterarme auf den minimalistischen Holztisch ab. »Gibt es schlechte Nachrichten? Ärger mit einem Verehrer?«
Die Sache mit dem Sexfrust hatte er heute Morgen schnellstens verworfen.
Selbst wenn er bisher ausschließlich ihren Namen kannte, eines war gewiss: Evina konnte sich vor Anträgen und Einladungen kaum retten. Darum hielt sie ihn solchermaßen auf Distanz. Darum die Kaltschnäuzigkeit. Darum das zickige Getue. Mit Sicherheit ging ihr diese ganze Flirterei unbeschreiblich auf den Sack.
Bestimmt musste sie zu Hause reihenweise Männer verjagen. Verehrer, die ihr jeden Tag Rosen schickten, sie zum Dinner einluden, sie nach der Arbeit abholten und weiß Gott, was sonst alles taten, um in ihrer Nähe verweilen zu dürfen.
Etwas anderes war schlichtweg nicht vorstellbar. Nicht bei ihrem umwerfenden Aussehen und diesem harten rechten Haken.
Wer wusste, wie viele Heiratsanträge sie in der Vergangenheit erhalten hatte …
Wie auch immer.
Für ihn bedeutete dies: Wollte er ihr nahekommen, musste er sich wirklich bemühen. Keine billigen Anmachsprüche, keine sexistischen Meldungen, keine patzigen Bemerkungen.
Evina wollte erobert und respektiert werden.
Darum hieß es, die Zähne zusammenbeißen und das Ego ein klitzekleines Bisschen beiseiteschieben. Zumal dieses Traumweib für Männer, die es nach einmaligen Abenteuern dürstete, verständlicherweise schon lange kein Interesse mehr hegte.
Und er mittlerweile auch nicht mehr …
Das wiederum machte ihm Angst. Große Angst.
Dennoch.
Irgendetwas an ihr verzauberte ihn. Etwas, das ihm das Gefühl gab, das Richtige zu tun. Ein Gefühl, das sagte: Lass sie dir nicht entgehen! Eine Frau wie Evina begegnest du kein zweites Mal!
Selbst jetzt mit diesem bekümmerten Angesicht strahlte sie pure Erotik aus.
Ihr Ausdruck wechselte von Ich-bin-fertig-mit-der-Welt zu Geh-mir-nicht-auf-die-Nerven.
Nicht einmal ein Du-Arschloch-Blick?
Allmählich machte er sich echte Sorgen.
Bis jetzt hatte sie ihn jedes Mal brutal angefahren – oder wenigstens versucht, ihm aus dem Weg zu gehen.
»Irgendetwas ist doch los. Die letzten Male hast du mich ständig attackiert, als ginge es um dein Leben – und jetzt? Nichts. Gar nichts. Was hast du? Hat unser frühmorgendliches Meeting daran Schuld?«
Oder hatte sie ihre Tage?
Schwerfällig schüttelte sie den Kopf.
»Na dann sag einfach, was los ist, Herrgott! Ich will mein Frühstück nicht vor einer gefrusteten Frau hinunterschlingen.«
Nun, im Grunde genommen stimmte diese Meldung nicht ganz. Konkret wollte er sich nicht länger darüber das Gehirn zermartern, weshalb ein Traumweib wie Evina eine derartige Laune an den Tag legte.
Sie musste strahlen wie die aufgehende Sonne. Nichts anderes wollte er sehen.
»Verdammt!«, fluchte sie unerwartet und mit erhobener Stimme, jedoch eben noch leise genug, um nicht von den restlichen Gästen gehört zu werden. »Dann sag ich es dir halt: Ich habe lediglich fünfzig Liegestützen zusammengebracht, okay? Fünfzig!« Abschließend schlug sie mit der Handinnenfläche auf den Tisch, sodass dieser heftig wackelte.
Theo fühlte sich wie vom Blitz gestreift.
Fünfzig Liegestützen absolvierte sie? Und darüber regte sie sich auf?
»Ich verstehe jetzt nicht ganz … das ist doch fabelhaft!«
Fassungslosigkeit legte sich über sie. »Normalerweise mache ich mindestens siebzig, okay?!«
Nun blieb ihm der Mund offen.
»Siebzig?!« Eine heiße prickelnde Welle preschte ihm über Hintern und Rücken. »Und was steht sonst auf deinem Fitnessplan, sofern die Frage gestattet ist?«
Einige Augenblicke lang zögerte sie. »Fünf Kilometer Schwimmen, Ausdauertraining, Eigengewichtsübungen und Selbstverteidigung.«
»Warte, warte.« Er machte beschwichtigende Handgesten.
Das musste sein Hirn erst einmal verdauen.
»Noch mal von vorn.« Mit Zuhilfenahme seiner Finger wiederholte er ihre Auflistung – sein Herz pumpte dabei derart wild, es raubte ihm schier den Atem. »Erstens: Schwimmen? Dann Ausdauertraining, Selbstverteidigung und Eigengewichtsübungen? Stimmt das? Habe ich das richtig verstanden?«
Die nüchterne Antwort?
»Ja.«
Damit flippte sein Herz erst recht aus.
Einer Powerfrau wie Evina zu begegnen war gewöhnlich so wahrscheinlich, wie ein einziges Mal im Leben Lotto zu spielen und den Hauptgewinn zu knacken! Ergo: Vor ihm saß ein Wunder – ein einziges, ultraheißes, männermordendes Wunder.
Himmel, Arsch!
Und er hatte stets vermutet, seine Kolleginnen mit deren Zirkeltraining und dem bescheuerten Joggingprogramm gepaart mit Zumba und Pilates-Einheiten wären harte Hunde!
Falsch gedacht! Das waren allesamt Pussies!
Er schickte ein Dankesgebet gen Himmel.
Da war sie. Die perfekte, vollkommene Frau!
Meine Frau.
Beinahe hätte es ihn vom Stuhl geworfen.
Was dachte er denn da? Was ging jetzt wieder ab?
Dreh nicht durch! Sie soll lediglich ein One-Night-Stand sein. Nicht mehr und nicht weniger. Oder willst du dich etwa mit einer derart launischen Frau tagtäglich herumärgern?
Ja, falls sie es ist, vielleicht schon.
»Weshalb dieses Training?« Die beschleunigte Atmung konnte er nun nicht mehr erfolgreich unterdrücken.
Bitte sag nicht, du bist Polizistin. Das kannst du nämlich nicht sein. So etwas kann nicht sein.
»Ich will bei der Cobra anfangen.«
Adrenalin wurde ihm in die Venen gepumpt, brachte seinen Körper zum Glühen.
Die