Right in your heart. Isabella Kniest

Right in your heart - Isabella Kniest


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hinausspazieren. Die Sandformationen unter seinen Füßen. Die kleinen Krebse, die ihm jedes Mal in die Zehen kniffen. Die vielen bunten Muscheln, die man heutzutage nicht mehr fand. Die warme Sonne auf der Haut … Die Strahlen hatten sich damals noch nicht solchermaßen aggressiv angefühlt – und hatten ungleich weniger geblendet.

      Einst hatte er stundenlang in der Mittagshitze gespielt. Heute hielt er es nicht einmal dreißig Minuten aus, dann muteten Kopf und Augen wie ausgedorrt an.

      Er seufzte.

      Die Vergangenheit.

      Die ruhige, friedliche, empfindliche Vergangenheit.

      Eine Zeit, die er irgendwie andauernd vergessen wollte, ihm andererseits den letzten wahren Seelenfrieden schenkte.

      Diese innere Ruhe … dieses Nicht-Nachdenken … dieses Gefühl der Freiheit und Leichtigkeit. All das begann hochzuklettern, sobald er Evina ansah.

      Seit heute Morgen.

      Seit ihrem Tanz.

      Seit dem Kampf.

      Seit er ihren süßlichen Duft wahrgenommen, ihre zarte Haut gefühlt und sich in ihren wunderschönen graublauen Augen verloren hatte.

      Du willst einen Fick, schaltete sich seine innere Stimme ein. Was denkst du da lange nach? Wen interessiert der ganze Beschiss?

      Ja, bisher.

      Aber jetzt …

      Theo streifte sich die vom sanften Wind ins Gesicht gewehten Haare nach hinten.

      Er musste aktiv werden … oder er würde zu einem sentimentalen Spinner mutieren.

      Nun gut …

      Er überlegte.

      Sex? … Ja.

      …

      Beziehung? …

      …

      …

      …

      Ja … Wieso nicht?

      JA, weshalb, zur Hölle, denn nicht?! Wenn es passte, wieso sollte er sich diese Chance entgehen lassen?

      Das schlimmste, was ihm passieren konnte, war abzublitzen und weiterhin alleine durchs Leben gehen zu müssen.

      …

      Evina.

      …

      Er musste es versuchen.

      Ein letztes Mal. Wenn sie ihm dann einen Korb verpasste, würde er sie in Ruhe lassen müssen.

      Ja.

      Ein letztes Mal.

      Mit einem zuversichtlichen Lächeln erhob er sich und marschierte zurück Richtung Bungalows.

      Und mit einem jeden Schritt sackte ihm das Herz ein kleines Stück weiter Richtung Hose.

      Hoffentlich schlug sie ihm die Tür nicht gleich vor der Nase zu …

      Am liebsten hätte ich den Urlaub gecancelt. Ein paar Minuten später fiel mir eine bessere Idee ein: Theo zusammenschlagen und dann den Urlaub canceln. Und noch etwas später wollte ich lediglich heulen und mich ins Bett verkrümeln. Was war bloß los mit meiner Gefühlswelt? In der Vergangenheit hatte ich mich stets im Griff gehabt. Ich weinte äußerst selten – und wenn es denn einmal geschah, dann allein zu Hause unter der Dusche. Des Weiteren sprach ich nahezu gar nicht über persönliche Vorlieben oder Meinungen meinerseits. Niemals ließ ich mich auf fremde Personen ein, hielt sämtliche Beziehungen – ob beruflich oder privat – ausnahmslos kühl.

      Ich blieb auf Abstand.

      Immer!

      Immer, verdammt noch mal!

      Die einzige Ausnahme bildete Dan: Ihm hatte ich private Dinge anvertraut. Und zum Glück zeigte er jedes Mal großes Verständnis und Seriosität. Dass ich jedoch einen fremden Typen – unerheblich, ob Interpolbulle oder nicht – derart nahe an mich lassen würde, sodass ich mir überdies eine Beziehung mit diesem vorzustellen begann, bildete den Tiefstpunkt in der Geschichte meines erbärmlichen Daseins! Die Sache mit der Selbstbefriedigung hätte mich längst warnen müssen! Ich war drum und dran mich in diesen Idioten zu verlieben – oder wenigstens, ihn übermäßig sympathisch zu finden.

      Ach, was!

      Das tat ich doch längst!

      …

      Wohin hatte sich meine Härte verabschiedet? Hatte ich sie zu Hause gelassen? Hatte das romantisch-exotische Ambiente Schuld? Oder war ich letzten Endes wirklich nur notgeil?

      Mit Tränen in den Augen absolvierte ich meine letzten zwanzig Liegestütze, die ich zuvor nicht mehr durchgehalten hatte.

      Erst versagte ich beim Sport und zu allem Überfluss zeigte ich Schwäche bei fremden Männern!

      Dieser Urlaub entwickelte sich allmählich zu einem Albtraum. Ein Albtraum mit schöner Hintergrundkulisse.

      Außer Atem zog ich mir meinen dunkelblauen Bikini an und stieg hinab in den türkisfarbenen in der Sonne silbern funkelnden Pool.

      Das Meerwasser fühlte sich ziemlich kühl an, hervorgerufen durch meinen erhitzten Körper.

      Möglicherweise gelang es der Kälte, meinen Verstand zu reaktivieren und diese bescheuerten Bilder von wilden Nächten mit Theo zu vertreiben. Das Verlangen, nachzugeben und es mit ihm zu treiben, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.

      Ging das überhaupt: Sex ohne Liebe?

      Nein. Nicht in meinem Fall.

      Finge ich etwas mit ihm an, würde ich mein Herz verlieren – das wiederum brächte mich letzten Endes um.

      Ergo: Ich musste handeln.

      Ich musste meine aufwallenden Gefühle abschalten, ehe es zu spät war. Ich durfte mich nicht mehr mit ihm abgeben. Keine Sekunde mehr. Am besten mit niemandem mehr.

      Die Idee mit der Abreise wurde zusehends attraktiver.

      Wie auch immer ich mich entschied, zumindest bis morgen blieb ich.

      Ich wollte unbedingt die verlassene Insel besuchen. Da hatte ich ohnehin Ruhe vor Theo und könnte meine wirren Gedanken ordnen, stundenlang aufs Meer glotzen, mich von den Wellen hypnotisieren lassen …

      Ich atmete tief durch.

      Ja, womöglich würde mir diese Abwechslung helfen.

      Ausgelaugt von dem Gefühlschaos lehnte ich mich zurück und beobachtete zarte über das Firmament ziehende Schleierwolken.

      Die Zeit bis zum Mittagessen würde ich im Bungalow verbringen. Ich konnte und wollte nicht mehr hinaus und Theo über den Weg laufen. Die Gefahr war zu groß. Darüber hinaus hätte unser Treffen wahrscheinlich erneut in einer Katastrophe gemündet.

      Ich stieß mich von der Wand ab, glitt zur gegenüberliegenden zum Meer zeigenden Seite, legte die Arme auf den verfliesten Poolrand, verschränkte sie und stützte das Kinn darauf ab.

      Anmutig und erhaben lag der kristallblaue Ozean in friedlicher Ruhe vor mir. Sanfte Wellen glitzerten in der Sonne. Kleine Haie, deren Haut silbergrau schimmerte, schwammen auf der Suche nach Futter gemächlich Richtung Strand.

      Mein Blick schweifte zu dem Punkt, an welchem Horizont und Wasser sich zu vermischen begannen … und meine Gedanken drifteten ab – in die Vergangenheit … in eine Zeit, die mich am stärksten geprägt hatte.

      Geboren worden war ich in Kärnten. Im zarten Alter von sechs hatte meine Mutter, damals eine aufstrebende Rechtsanwältin, einen reichen Geschäftsmann meinem Vater und mir vorgezogen.

      Seit diesem Tage kümmerte sich mein Vater um mich. Bis zu seinem Tode sollte sich an diesem Umstand nichts ändern.

      Mein


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