Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen. Tobias Fischer

Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen - Tobias Fischer


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er inzwischen gelernt. Am sichersten war es, sie sofort zu erschlagen, aber diese Option erschien momentan ausgesprochen unklug.

      »Ausweisen, aber plötzlich«, kollerte der Hauptmann unbeeindruckt.

      Tom stupste Wimille an. Der griff zitternd unter sein Jackett und fischte seine ID-Karte heraus. Mit einem ungehaltenen Knurren nahm sie der Hauptmann entgegen. Aus dem Gürtel holte er ein kleines Kartenlesegerät und zog Wimilles Ausweis durch. Tom erschrak regelrecht, mit welcher Selbstverständlichkeit dieses primitive, stumpfsinnige Ungeheuer mit derart fortschrittlicher Technologie umzugehen verstand.

      Als eine grüne Diode aufzuleuchten begann, schien der Hauptmann zufrieden und gab Wimille die Karte zurück. Der steckte sie sofort wieder ein, dabei wie hypnotisiert die Schrate anstarrend.

      »Da pisst ihr MCD-Typen euch ganz schön in die Hose, wenn ihr die wirkliche Schwarze Horde seht – und nicht diese weichgespülten Menschlein, was?«, lachte der Hauptmann.

      Gackernd und krächzend fielen seine Artgenossen mit ein. Plötzlich trat Vanessa vor, was die Schrate sofort wieder in Verteidigungsstellung gehen ließ.

      »Was ist mit Ernie? Könnt ihr uns sagen, wo wir Ernie finden? Bitte, ich muss es wissen.«

      Verdutzt starrten sich die Schrate an. Einer tippte sich an die Stirn, die anderen lachten abfällig.

      »Nie gehört«, meinte der Hauptmann kalt.

      »Ein Junge, so alt wie wir. Er muss gestern hier angekommen sein«, versuchte Vanessa die Sache zu erklären.

      Tom fand es erstaunlich, wie schnell sie ihre Angst beiseiteschob, wenn es um Ernie ging. Als wären die Schrate nette Verkehrspolizisten, die man mal eben nach dem Weg fragen konnte …

      Die Schrate wurden still und schauten einander an.

      »Ach der … Den werdet ihr schon noch kennenlernen! Ihr geht jetzt nach Seramak runter und begleitet den Direktor zur Unterkunft. Nachts herrscht ein strenges Ausgehverbot! Morgen meldet ihr euch im Rekrutierungsbüro, sonst setzt’s was«, bellte der Hauptmann und wedelte in Richtung Norden, wo die Lichter der fremden Stadt lagen.

      Tom salutierte zackig, was die Schrate jedoch nur gackernd auflachen ließ.

      »So ein Blödsinn! Deine Späßchen werden dir schon noch vergehen, Schwarzlocke! Abmarsch!«, brüllte der Hauptmann.

      Tom nickte, nahm Wimille und Vanessa bei der Hand und führte sie rasch fort. Die ganze Zeit spürte er die bohrenden Blicke der Schrate in seinem Rücken, ihre Mordgier schien beinahe greifbar. Noch nie in seinem Leben hatte ihn ein so ungutes Gefühl geplagt. Schrate im Rücken, sein Leben von deren Wohlwollen abhängig, Vanessa Sutton unsterblich in diesen irren Ernie verschossen und Wimille Swift vor Angst zu nichts mehr zu gebrauchen.

      Da steckte er ja in einem sauberen Schlamassel!

      5. Kapitel: Im Reich der Seelenkönigin

      Jane und Veyron waren von der Seelenkönigin einfach auf dem Platz mit dem Weltentor stehen gelassen worden. Bedrückt vermerkte Jane, dass sich der Platz mehr und mehr leerte, bis sie beide die einzigen lebenden Wesen auf dem Hof waren. Sie machte Veyron Vorhaltungen, in welchen Schlamassel er sie da nun wieder hineinmanövriert hatte, doch der ging kaum darauf ein.

      »Machen wir das Beste draus, Willkins«, war alles, was er zu sagen wusste.

      Als wäre die ganze Misere nichts anderes als ein Sonntagsnachmittagsausflug, spazierte er über den Hof und untersuchte verschiedene Nischen und Türen. Wie sich herausstellte, ruhten die Gebäude der Burg auf der Spitze eines zehn Meter hohen Felsens. Der Hof, auf dem sie sich befanden, war nichts weiter, als der eingeebnete, gepflasterte Gipfel, der mit der Befestigungsmauer auf einer Ebene lag. Über eine in den Fels getriebene Treppe gelangte man schließlich in den unteren Teil der Burg.

      Veyron trat er an die Zinnen der Brustwehr und schaute auf das Land hinaus. Jane ging ihm hinterher, doch viel gab es dort nicht zu sehen. Ansmacht, wie das Reich der Seelenkönigin genannt wurde, hatte sich an diesem Tag fast vollständig in Nebel gehüllt. Ratlos, was sie tun sollte, setzte Jane sich auf den Boden vor dem Weltentor. Wieso hatte sie sich bloß zu diesem Irrsinn bequatschen lassen? Veyron hatte sie, während er mit fast kindlicher Begeisterung jedes Detail der Burg inspizierte, vollständig ignoriert. Du musst total den Verstand verloren haben, Jane, dachte sie. Veyron hat mein Loyalitätsgefühl ausgenutzt! Immer wieder macht er das!

      Aber du hättest ja nur ›Nein‹ sagen müssen, meldete sich ein anderer Teil ihres Verstandes. Die Wahrheit war, dass sie einfach der Versuchung nicht hatte widerstehen können, nach Elderwelt zurückzukehren. Allerdings hatte sie auf einen weitaus gastfreundlicheren Ort spekuliert. Selber schuld. Jetzt musste sie – genau wie Veyron es gesagt hatte – das Beste daraus machen.

      Es war etwa eine Stunde seit ihrer Ankunft vergangen, als zwei Sklaven aus dem Hauptgebäude der Burg traten, ein Junge und ein Mädchen, beide noch sehr jung, aber armselig gekleidet. Eiserne Manschetten an den Handgelenken zeugten von ihrem Status, das Zittern ihrer Gliedmaßen und die Blässe im Gesicht von ihrer Furcht. Sie traten vor Jane und verbeugten sich artig.

      »Ich bin Uric und das ist Femoin«, stellte der Junge sich und das Mädchen vor. »Wir sollen Euch und Meister Swift in Eure Gemächer bringen. So lautet der Befehl der Königin«, stotterte er.

      Jane erkannte sofort, dass er die Worte auswendig gelernt hatte. Seine Aussprache war miserabel, sehr wahrscheinlich sprach er gar kein Englisch. Sie nickte zustimmend, was die beiden jungen Leute sichtlich erleichterte, und rief Veyron. Interessiert kam er näher. Rasch erklärte sie ihm den Sachverhalt, worauf er den beiden Sklaven aufmunternd zulächelte.

      »Dann lasst uns mal sehen, wo uns die Königin unterzubringen gedenkt«, meinte er.

      Uric und Femoin schauten sich nur verwirrt an. Veyrons Lächeln wurde noch gutmütiger. Schließlich nickte auch er in freundlicher Zustimmung. Die Sklaven verbeugten sich gehorsam, dann eilten sie davon, Jane und Veyron hinterdrein.

      Das Innere der Burg stand in Sachen Tristheit dem Äußeren in nichts nach. Die Mauern waren alt, unverputzt, und abgesehen von ein paar Fackelhaltern gab es weder Zierrat noch Wandteppiche oder Gemälde, nichts, woran sich das Auge zu erfreuen vermochte. Dafür entdeckte Jane an allen Ecken und Biegungen die schwarzen Wachen der Seelenkönigin. Sie alle blickten starr und leer aus trüben Augen vor sich hin, rührten sich keinen Millimeter, schauten ihnen nicht einmal entgegen. Als sie an zwei weiteren Wachen vorbeikamen, konnte Jane der Versuchung nicht widerstehen. Blitzschnell berührte sie einen der Männer, doch nicht einmal ein Muskel in seinem Gesicht zuckte. Da können selbst die Grenadier Guards der Königin noch was lernen, dachte sie beeindruckt. Wahrscheinlich standen sie alle unter dem Einfluss der Seelenkönigin und konnten sich gar nicht bewegen, selbst wenn sie wollten. Arme Kerle, befand sie.

      Uric und Femoin führten sie eine hohe Treppe hinauf. Im zweiten Stock des Hauptgebäudes öffneten sie eine schwere Holztür und deuteten hinein. »Meister Swift«, sagte Uric und versperrte Jane den Weg, sodass nur Veyron hineingehen konnte.

      Jane erhaschte dennoch den Blick auf ein karg eingerichtetes kleines Zimmer, das außer einem Waschzuber nur ein Bett und einen kleinen Nachttisch enthielt. Veyron schien dennoch zufrieden und nickte den Sklaven zu. Sie verbeugten sich abermals, schlossen vorsichtig die Tür und führten Jane dann weiter. Drei Türen weiter lag Janes Zimmer, ein Raum mit identischen Maßen, der aber immerhin über ein Fenster nach draußen verfügte. Na ja, Schießscharte traf es wohl eher. Sie entdeckte zumindest kein Fensterglas, und die Öffnung schien allenfalls breit genug, um den Kopf hinauszustrecken. Vorsichtig setzte sie sich auf das Bett, nur um festzustellen, dass es überraschend bequem war. Auf dem Nachttisch standen zwei halb abgebrannte Kerzen. Anders als in Veyrons Unterkunft fehlte in ihrem Zimmer der Waschzuber.

      »Können wir sonst noch etwas für Euch tun?«, fragte Uric neugierig.

      Jane sprang überrascht auf. »Ich dachte, Ihr zwei sprecht meine Sprache gar nicht!«, rief sie aus.


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