Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen. Tobias Fischer

Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen - Tobias Fischer


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ein Ohr-Mikro«, sagte Wimille in einem Ton, als wäre es das Einfachste auf der ganzen Welt. »Ich habe die Basiskonstruktion verbessert und miniaturisiert. Die Batterie hält dreißig Minuten, so viel Zeit hast du, Mr. Fraud zu finden.«

      Dann tippte er an sein eigenes rechtes Ohr. »Ich besitze auch eines. Auf diese Weise bleiben wir in Kontakt. Du kannst hören, was ich sage, und umgekehrt ebenso. Der Schall wird über die Ohrmuschel ins Innere des Ohrs übertragen. Für die Außenwelt ist dagegen nahezu nichts zu hören. Ein raffiniertes Stück Technologie. Pass bitte gut darauf auf.«

      Wimille parkte den Käfer neben einer Reihe Lieferwagen, dann stiegen sie aus. Tom fiel auf, dass Wimille einen seiner speziellen Golfbälle in der Rechten hielt und ihn zwischen den Fingern drehte. Eben wollte er ihn danach fragen, was es denn nun mit diesen Dingern auf sich habe, als sich ihnen auch schon mehrere Männer näherten. Ein sauber gekleideter Offizier des Frachtschiffs kam auf sie zu, in seiner Begleitung zwei weitere Wächter – und ein Typ, der ganz ähnliche Klamotten trug wie Tom. Sicher einer von der Schwarzen Horde, dachte er, als er die ungepflegt wirkende Gestalt des Mannes genauer studierte. Der Kerl schien gut und gerne zehn Jahre älter als Tom zu sein, mit einem Hang zum Übergewicht und einer erkennbaren Abneigung gegen Wasser und Seife.

      Der Uniformierte streckte die rechte Hand aus. »Direktor Swift, herzlich willkommen. Welch unerwartetes Vergnügen. Ich bin Commander Jenkins, Erster Offizier der Zaltic Asp«, rief er.

      Dieser reagierte gar nicht, sondern ließ die Freundlichkeit von Commander Jenkins ins Leere laufen. Demonstrativ spielte er mit dem Golfball in seiner Rechten, als er die ihm gereichte Hand ignorierte. »Es ist wohl kaum ein Vergnügen, Commander. Zudem erfolgen die Besuche des MCD stets unangemeldet. Gerade darauf fußt unsere Effizienz«, sagte Wimille schließlich, nachdem er seinen Blick über alle Männer hatte schweifen lassen.

      Tom bemerkte, wie jedem von ihnen mulmig wurde; abgesehen von dem ungepflegten Typen. Der tat so, als wäre Wimille gar nicht da. Dafür musterte er Tom umso genauer, was wiederum Wimille bemerkte. Er packte Tom an der Schulter und schob ihn auf Jenkins zu. »Ich habe diesen jungen Mann auf der Straße aufgelesen. Er sagte, er wolle hierher, um auf die andere Seite zu gelangen. Sein Name ist Henry Fowler. Soweit ich informiert bin, ist er überfällig. Wie kann das sein?«, schnarrte Wimille und hob erwartungsvoll die Augenbrauen.

      Jenkins brachte nichts weiter zustande als ein sinnloses Gestammel.

      Wimille atmete tief durch. »Wieso werde ich hier lediglich vom Ersten Offizier begrüßt? Wo ist der Captain?«, fragte er mit einer Eiseskälte in der Stimme, die selbst Tom eine Gänsehaut verpasste. Wimille spielte seine Rolle wirklich sehr überzeugend; fast ein wenig zu überzeugend. Tom hoffte, dass sich Veyrons Bruder nicht am Ende darin verlor.

      »O … o … oben auf der Brücke, Direktor Swift. Wir haben bereits Auslauferlaubnis erhalten und werden jeden Moment ablegen«, antwortete Jenkins, um ein Lächeln bemüht.

      Ein abfälliger Blick Wimilles genügte, um ihn daran scheitern zu lassen. »Das weiß ich, Commander. Was meinen Sie, wer vor Ihnen steht? Bringen Sie mich auf die Brücke! Und was den jungen Mr. Fowler hier betrifft: Kümmern Sie sich unverzüglich darum, dass er seinen Bestimmungsort erreicht. Befinden sich noch andere Rekruten für die Schwarze Horde an Bord?«

      Commander Jenkins sah den schmuddeligen Kerl in Schwarz fragend an.

      »Nur einer. Wir wollt’n den Apparat ers’ start’n, wenn wir ausgelaufen sin’«, nuschelte der Mann.

      Wimille warf ihm einen angewiderten Blick zu, ehe er sich wieder an Commander Jenkins wandte. »Bringen Sie ihn mit Mr. Fowler zusammen. Es ist unwirtschaftlich, den Apparat für jeden Rekruten separat zu aktivieren. Inzwischen werde ich die Brücke inspizieren«, befahl er.

      Commander Jenkins gab sofort die entsprechenden Anweisungen an seine Leute. Die beiden Bewaffneten salutierten zackig und eskortierten Tom, Wimille und den Schmutzfink über eine schmale Rampe aufs Schiff und von dort direkt in ein Treppenhaus, in dem ein fast unüberblickbares Wirrwarr an kalten Stahltreppen nach oben und unten führte, jede augenscheinlich in eine andere Sektion des Schiffs. Hier trennten sich Tom und Wimille an einer Korridorbiegung. Während Veyrons Bruder von Commander Jenkins und den beiden Wachen weitergeführt wurde, schlug Toms Herz schneller, als ihn Mr. Schmuddel vorwärtsstieß, damit er sich schneller bewegte. Zum Glück blieben sie über Wimilles Ohr-Mikro miteinander in Kontakt.

      »He, Scheißer! Bleib stehen, Mann!«, grölte Dreckspatz. Er öffnete eine Tür und wedelte mit der Hand zum Zeichen, dass es hier reinging. Tom drehte sich um und betrat den dunklen Raum.

      »Hiergeblieben, klar?«, maulte der ungepflegte Typ, dann schlug er die Tür von außen zu. Tom atmete tief durch. So weit der leichte Teil ihrer Mission. Sie hatten es tatsächlich an Bord der Zaltic Asp geschafft. Jetzt musste er nur noch Ernie irgendwie finden. Laut den Informationen von Commander Jenkins war noch ein Schwarzhorden-Anwärter an Bord; bei dem es sich eigentlich nur um Ernie handeln konnte. Hoffentlich wurde er bald mit ihm zusammengebracht. Wer wusste schon, wie lange Wimilles Tarnung noch hielt?

      »Tom, bist du das?«, riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken.

      Oh nein! Das gibt’s doch nicht!, dachte er. Vor Schreck wären ihm beinahe die Beine weggeknickt. Langsam drehte er sich um, immer noch hoffend, dass er sich irrte, aber nein: Direkt vor seinen Augen eröffnete sich eine Katastrophe, türmte sich ein wahrer Mount Everest an Problemen auf. »Vanessa!«, rief er.

      In der hintersten Ecke des Raumes saß doch tatsächlich Vanessa Sutton auf einer aus der Wand geklappten Pritsche. Genau wie Tom hatte sie sich die Haare geschwärzt und trug dunkle Klamotten. Seine Angst wurde zu brodelnder Wut. Wie konnte sie nur so dumm sein, sich hierher zu begeben? Hatte sie denn total den Verstand verloren? Ich hätte sie niemals mit zu Wimille nehmen dürfen … Sobald sie wusste, wo sich Ernie befand, musste sie beschlossen haben, ihn auf eigene Faust zu retten – oder sich ihm anzuschließen.

      Seine Fäuste ballten sich. Er musste sich zusammenreißen, sie nicht anzubrüllen, als er sagte: »Was um alles in der Welt tust du denn hier?«

      »Ich geh dahin, wo Ernie hingeht. Ich liebe ihn, ich werde ihm überallhin folgen«, gab sie trotzig zurück.

      Na wundervoll! Zwei Dumme, ein Gedanke, hätte er ihr am liebsten ins Gesicht geschrien. Diese blöde Kuh würde ihnen noch alles versauen! »Was denkst du dir dabei? Du hast doch überhaupt keine Ahnung, worauf du dich da einlässt!«, schnauzte er sie an. Dachte diese dumme Zicke etwa, das hier wäre irgendein Spiel, und die Zaltianna Trading Company würde sie und Ernie einfach so entkommen lassen? Oder dass Ernie sie drüben in Elderwelt erwartete und sie beide dort glücklich alt werden würden?

      »Aber du weißt natürlich alles, was?«, giftete sie zurück.

      Tom stampfte wütend auf. »Ja, ich weiß, was hier läuft! Ich weiß, wo wir sind und was für Typen bei der ZTC rumlaufen! Hab ich dir nicht gesagt, dass das Mörder sind? Bleib zu Hause, hab ich gesagt. Und was machst du? Rennst stattdessen in die Höhle des Löwen. Vanessa, die werden dich umbringen«, schrie er. Jetzt konnte er sich wirklich nicht mehr länger beherrschen.

      Von einem Moment auf den anderen schlug Vanessa die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen.

      Ja, heul nur, du idiotische Pute, hätte er sie am liebsten angefahren, entschied sich jedoch dagegen. Was brachte es ihnen? Eine Weile starrte er sie an, ohne recht zu wissen, was er jetzt tun sollte. Es juckte ihm in den Fingern, sie übers Knie zu legen und ihr den Hintern zu versohlen – für ihre unbegreifliche Dummheit jetzt und für ihre frühere Gemeinheit ihm gegenüber. Eine Stimme in seinem Ohr lenkte ihn jedoch von seinem Zorn ab.

      »Ah, Captain Reumann«, hörte er Wimille Swift sagen. »Eine saubere Brücke haben Sie da. Allerdings scheint dies nicht auf das Personal zuzutreffen.«

      »Wir lassen hier alles regelmäßig reinigen«, versicherte die Stimme des unsichtbaren Captains brüskiert.

      Tom musste schmunzeln, als er sich das blasse Gesicht des Mannes vorstellte, der gewiss soeben zum Opfer von Wimilles eiskalten Blicken


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