Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen. Tobias Fischer

Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen - Tobias Fischer


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Moment später sackte er wieder zusammen und schluchzte einige Male.

      Vorsichtig strich Tom Wimille über die Haare, als wäre er das Kind, nicht umgekehrt. »Es ist nicht Ihre Schuld, Wimille. Und auch nicht die Veyrons. Ich kenne die Wahrheit. Sie beide haben Ihr Möglichstes getan, mehr kann niemand verlangen. Und Susan und Joey wären sicher stolz auf Sie, wenn sie wüssten, was Sie bereit waren, auf sich zu nehmen«, sagte er leise.

      Wimille zuckte kurz zusammen, dann atmete er tief durch.

      Tom fuhr fort. »Was immer zwischen meinen Eltern, Veyron und Ihnen vorgefallen sein mag, es ist längst vergeben. Aber ich habe jetzt eine Mission, bei der ich Ihre Hilfe benötige. Ich muss auf dieses ZTC-Schiff und Ernie Fraud da runterholen. Der Junge weiß nicht, was er tut. Er befindet sich in allergrößter Gefahr.«

      Wimille wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Nach einem weiteren Durchatmen wirkte er wieder halbwegs gefasst. »Wie kann ich dir helfen? Ich werde alles tun, Tom, was immer du verlangst. Um deiner Mutter willen und um die Schuld zu begleichen, diese ewige Schuld«, sagte er.

      »Können Sie die Company erneut hacken? Ich brauche irgendwas, das mir den Zugang zu diesem Schiff ermöglicht.«

      Wimille seufzte und zog sein Smartphone aus der Jackentasche. Mit einem triumphierenden Lächeln reichte er es Tom. »Habe ich bereits getan«, verkündete er. »Lass uns nach Felixstowe fahren und an Bord der Zaltic Asp gehen.«

      Tom schüttelte jedoch den Kopf, als er das hörte. »Nein, das werde ich allein tun. Ich brauche Sie hier, Wimille. Sie müssen alles überwachen und mir die Türen öffnen.«

      Nun war es an Wimille zu widersprechen. »Veyron ist nicht da, um dich zu beschützen, so wie er es Susan geschworen hat. Darum werde ich das nun an seiner statt übernehmen. Ich komme mit!«

      Schweren Herzens erklärte sich Tom damit einverstanden. Er wusste ja inzwischen, wie weit die Entschlossenheit der Swift-Brüder ging, und es gab keine Kraft der Erde, sie daran zu hindern.

      4. Kapitel: Die Zaltic Asp

      Zunächst kehrten sie in Wimilles Wohnung zurück und besprachen das weitere Vorgehen. Tom stellte seinen Plan vor – oder besser gesagt, das, was er sich im Verlauf der Rückfahrt ausgedacht hatte. Überraschenderweise erklärte sich Wimille mit allem einverstanden. Anschließend verschwand er in seinem Hacker-Zimmer, um kurz darauf von einem Raum der Wohnung in den nächsten zu eilen, einmal mit Werkzeug, ein anderes Mal mit irgendwelchen Geräten in der Hand. Tom vormochte sich nicht einmal vorzustellen, was Veyrons Bruder so alles trieb, darum schrieb er Vanessa und Lilly ein paar Nachrichten und warnte die beiden Mädchen davor, irgendjemandem auch nur ein Sterbenswörtchen zu erzählen.

      Als Wimille nach etwa dreißig Minuten mit seinen Tätigkeiten fertig war, setzte er sich zu Tom an den Tisch des karg eingerichteten Wohnzimmers. »So, nun können wir konkreter werden. Die wichtigsten Vorbereitungen sind abgeschlossen«, sagte er.

      Tom nickte eifrig und zeigte Wimille die Dinge, die er aus Veyrons Arbeitszimmer mitgebracht hatte. »Und dann wäre da noch das Daring-Schwert«, verkündete er, streckte die Hand in die Luft und rief den Geist von Professor Daring, der in der magischen Klinge steckte. Wie aus dem Nichts materialisierte das Schwert in Toms Hand; das feine Juwelenmuster seiner Klinge leuchtete blau. Tom reichte Wimille die Waffe, der sie mit professionellem Interesse untersuchte.

      »Überraschend leicht«, stellte er fest, als er das Heft in die Hand nahm. Probehalber schwang er sie einmal nach links und dann nach rechts. »Lässt sich gut führen, hervorragend ausbalanciert. Einem Rapier nachempfunden, aber die Klinge ist etwas breiter und kürzer, der Griff massiver. Ein schön gestalteter Korb. Handarbeit, wie ich sehe.«

      Er gab es Tom zurück, der die Waffe in seinen Gürtel steckte, wo sie sich von einem Augenblick zum nächsten in nichts auflöste.

      Wimille hob interessiert die Augenbrauen. »Weißt du, wie dieses Materialisieren und Dematerialisieren funktioniert?«, wollte er wissen.

      Tom zuckte mit den Schultern. »Es ist eine Zauberwaffe. Professor Lewis Daring, der zum Zaubererorden der Simanui gehörte, hat nach seinem Tod seinen Geist auf dieses Schwert übertragen. Und ich sage Ihnen, das Verschwinden und bei Bedarf Auftauchen ist noch einer der harmlosesten Tricks. Ich schätze, es hängt mit der Simarell zusammen, der Zauberkraft der Simanui«, versuchte er zu erklären.

      Wimille machte ein missmutiges Gesicht. »Magie, Magie, Magie!«, rief er aus und hob in flehender Geste die Hände. »Warum lassen sich die Menschen mit solch billigen Antworten abspeisen? Der Begriff Magie, mein lieber Tom, steht für nichts anderes als ›Ich weiß es nicht‹. Hinter jeder Magie steckt zumeist nichts weiter als ein der Allgemeinheit unbekanntes technisches Verfahren unter Ausnutzung der Physik. In diesem speziellen Fall wohl Quantenphysik. Nur weil unsere Wissenschaft noch nicht alle Geheimnisse entschlüsseln konnte, haben wir es hier noch lange nicht mit Zauber zu tun.«

      Tom musste kurz schmunzeln. Wimille wirkte wie ein Oberlehrer, der an der Ahnungslosigkeit seines Schülers verzweifelte. Ein Wesenszug, den sich die Swift-Brüder teilten. Eben wollte er etwas zu Wimille sagen, als es plötzlich klingelte – nicht der schrille Ton von vorhin, sondern ein ganz normales, angenehmes Klingeln. »Moment mal«, sagte Tom verwirrt.

      Wimille gestattete sich ein listiges Lächeln. »Die richtige Klingel ist die zweite von unten. Ich habe nach unserer Rückkehr nur schnell das Namensschild ausgetauscht, um die Nachbarschaft nicht mitten in der Nacht aufzuscheuchen. Ich erwarte nämlich wichtigen Besuch – von der Polizei«, erklärte er, wirbelte auf den Absätzen herum und verschwand im Treppenhaus.

      Tom fühlte sich nach dieser Offenbarung ein wenig unbehaglich. Warum sollte Wimille die Polizei ins Haus bestellen, obendrein noch diskret? Wollte Wimille ihn verraten, um ihn hier in London festzusetzen und allein nach Felixstowe zu fahren?

      Einen Moment später kehrte Wimille zurück, in den Händen ein in Plastik eingeschweißtes Päckchen. Von Polizeibeamten war nichts zu sehen. Wimille riss ungeduldig die Folie vom Päckchen und öffnete es dann. Triumphierend zeigte er Tom den Inhalt. »Das Schwarze Manifest!« Mit kindlicher Begeisterung schlug Wimille das abscheuliche Machwerk auf, blätterte ein paar Seiten vor und dann zurück.

      »Woher haben Sie das?«, fragte Tom finster.

      Wimille warf ihm das Buch zu. »Es gehörte einem gewissen Henry Fowler«, sagte er.

      Tom schauderte. Es war wahrhaftig das Buch dieses widerwärtigen Frauenmörders. Am liebsten hätte er es weggeworfen, so weit wie nur irgend möglich. Dann stockte er. »Moment mal! Henry Fowler wurde verhaftet, und dieses Buch ist ein Beweismittel. Es sollte eingelagert sein!«, protestierte er.

      Wimille zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Ich habe es anfordern lassen. Im Namen von Commissioner Hopkins. Der Polizist an der Tür machte zwar ein komisches Gesicht, aber letztlich befolgte er ja nur seine Anweisungen«, erklärte er.

      Tom musste lachen. Noch eine Gemeinsamkeit, welche sich die Swift-Brüder teilten. »Sie haben Hopkins’ dienstinternen E-Mail-Account gehackt? Mann, kein Wunder, dass Veyron immer mit seinen krummen Dingern durchkommt«, meinte er.

      Wimille wollte das nicht weiter kommentieren, sondern deutete auf das Schwarze Manifest und räusperte sich in seiner Oberlehrer-Art. »Zurück zum Thema! Das Buch ist wichtig. Du wirst es benötigen, um dich als Anhänger der Schwarzen Horde auszugeben.«

      Toms Abscheu verwandelte sich schlagartig in Neugier. »Was ist die Schwarze Horde?«

      »Ich habe nicht die geringste Ahnung, mein Junge«, erwiderte Wimille mit unpassender Fröhlichkeit. »Aber darum geht es in der Einleitung. ›An alle Anhänger der Schwarzen Horde‹, lautet der Aufruf. Ich schlage vor, du studierst es. Am besten fängst du damit jetzt an.« Pfeifend verschwand Wimille in einem Nebenzimmer und schloss ab.

      Tom legte das Schwarze Manifest auf den Tisch. Widerwillig schlug er es auf und begann zu lesen. Weit kam er damit nicht. Er schaffte gerade die Einleitung, in der von


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