Engel und Dämon. Shino Tenshi
blickte Sebastian in ein rot glühendes Auge, das nur noch töten wollte. Ihn töten. Sie würde ihn dafür bestrafen, dass er sich so gegen sie gewehrt hatte. Dass er es gewagt hatte sie zu schlagen. Und Sebastian würde sich dann wünschen, dass er einfach vorher gestorben wäre. Schon bei der ersten Jagd, bevor er seine toten Eltern gesehen hatte.
Langsam hob sie eine Pranke und hielt den Jungen ohne große Mühe mit einem Arm fest, wodurch Sebastian seine Arme schützen vor sich erhob und zu beten begann: „Bitte lass mich nicht so enden wie meine Eltern. Ich muss doch noch meine Schwester befreien.“
Die Luft wurde von den gewaltigen Klauen durchschnitten. Sebastian wusste, dass er jetzt sterben würde. Er sah seine Eltern, wie sie ihn verließen, als sie der Sache auf den Grund gehen wollten. Diese Bestie war ihr Ziel und sie hatten sie gefunden. Doch auch gleichzeitig mit ihren Leben bezahlt.
Seine Schwester. Er sah sie, wie sie ihn anlächelte. So unschuldig und engelsgleich. Wer würde sie jetzt retten? Niemand wusste mehr von ihrer Existenz. Das Dorf würde sterben. Die Bestie hatte gewonnen.
Als er sich sicher war, dass der tödliche Schlag kommen müsste, kam nichts. Er hatte nur kurz ein Zischen und einen dumpfen Aufprall gehört, wodurch er irritiert seine Augen öffnete und die Arme leicht senkte.
Die Bestie hatte in seiner Bewegung inne gehalten und Entsetzten war in ihr Auge eingebrannt, als erneut das Zischen und der Aufprall folgte, wodurch ein Ruck durch das Monster ging.
Sebastian sah über ihre Schulter zurück und erkannte einen Schatten zwischen den Bäumen, der etwas Längliches in der Hand hielt, wo er etwas hineinlegte und im nächsten Moment erklang erneut das Zischen und kurze Zeit später der Aufprall.
Erst jetzt bemerkte der Junge, dass jemand mit Pfeilen auf den Wolf schoss, der kurz röchelte und Blut spuckte, bevor er den Jungen mit einem Knurren von sich stieß, um sich umzudrehen und auf den Fremden zu zulaufen.
Jetzt flogen die Pfeile in einem schnelleren Rhythmus auf das Biest zu, doch es stoppte keinen Augenblick. Wich nur hin und wieder leicht zurück, doch es kam den Fremden gefährlich nahe.
Sebastian traute seinen Augen nicht. Jemand kämpfte gegen dieses Monster und er hatte ihn damit vorerst vor dem Tod gerettet, doch statt zu fliehen näherte sich Sebastian immer weiter den Kampfschauplatz.
Irgendetwas zog ihn magisch dorthin und er spürte erneut eine fremde Präsenz, die sich in seine Gedanken schlich. Sich viel tiefer in ihn grub und seine Gedanken besetzte, wodurch er nicht mehr Herr über sich selbst war.
Doch es war eine andere Präsenz. Eine viel dunklere, als die menschliche Stimme der Bestie und sie kontrollierte ihn. Eigentlich wollte er weglaufen. So weit ihn seine Füße trugen und seine Schwester suchen. Sie aus der Hölle befreien. Doch er konnte nicht. Man zwang ihn sich den Kampf anzusehen.
Kaum war die Bestie zu nah für die Pfeile zog der Fremde ein Schwert, das silbern unter den Mondstrahlen glänzte. Er ließ sich nicht davon beeindrucken, als sich das Monster auf seine Beine stellte und ihn somit um einige Köpfe überragte. Doch der Mann rückte nicht zurück, sondern nahm eine Kampfhaltung ein und kaum versuchte die Bestie nach ihm zu schlagen, verpasste er ihr einen tiefen Schnitt in der Bauchgegend, die sie kurz schmerzerfüllt aufschreien ließ.
Doch das Monster stoppte nicht in seiner Bewegung und versuchte ihn mit einem Klauenhieb von den Füßen zu reißen, der wurde jedoch durch die Schwertklinge pariert. Sebastian war mittlerweile an dem Ort des Geschehens angekommen, wodurch er seine Stimme erhob.
Er formte Worte, die er sich nicht selbst ausgedacht hatte. Man zwang ihn dazu dies zu sagen: „Hört auf. Das bringt doch nichts. Wer immer du bist, lass meinen Freund in Ruhe! Oder du bekommst es mit mir zu tun!“ Er begriff es nicht und auch der Fremde schien von den Worten verwirrt zu sein. „Was hast du gesagt? Dieses Biest hätte dich getötet! Ist dir das eigentlich klar?!“
Sebi spürte einen Kloß in seinem Hals, als er merkte, dass er einfach nickte. Er fühlte sich wie ein Gefangener im eigenen Körper. Was geschah hier mit ihm? Er begriff es nicht mehr. Niemals würde er diese Bestie als seinen Freund betiteln. Sie wollte ihn doch umbringen.
Seine Füße bewegten sich von selbst, als er sich dem Monster näherte und legte eine Hand auf das struppige Fell des Tieres. „Es ist mein Freund. Er hat es sich nicht ausgesucht ein Monster zu sein, sondern man hat ihn verflucht und ich versuche ihm beizustehen in dieser Zeit. Denn dafür sind Freunde da. Also lass ihn in Ruhe.“
Warum sagte er das? Das empfand er doch gar nicht und sein Geist wurde von der Panik überrannt, als er sein Gesicht in dem Fell des Wolfes vergrub, wodurch dieser langsam wieder auf alle Vier ging.
Der Atem des Monsters ging schwer und er sah auf den Jungen, wodurch sein Auge menschlich war. Menschlicher als es für solch ein Wesen eigentlich möglich war und es begann feucht zu glänzen, wodurch sich Sebastian plötzlich schuldig fühlte, dennoch kuschelte sich sein Körper noch näher an das Biest.
„Nein.“ Es war zuerst nur ein Hauch, der von der nächtlichen Brise beinahe ungehört davon geblasen worden wäre, doch dann wurde die Stimme fester und zorniger: „Nein! Nein! Ich kann es nicht am Leben lassen! Ich will Rache! Rache für meine Familie, die es hinterhältig und brutal ermordet hat! Es muss sterben!“
Der Schwertgriff wurde fester umschlossen, als sich der Körper des Kriegers anspannte und er im nächsten Moment mit einem Kampfschrei auf das Monster zustürmte. Bereit es zu töten und Sebastian sah das Kommende, als würde er irgendwo zwischen den Bäumen stehen.
Sein Körper bewegte sich. Trat zwischen den Kämpfer und das Biest. Er fing die tödliche Klinge ab und der Schmerz raste durch sein Bewusstsein, bevor er nichts mehr spürte. Nur einen Glücksrausch, der alles auslöschte. Sein gesamtes Sein und das, was in der Wirklichkeit passierte nicht mehr zu ihm durchließ. Nicht einmal den kurzen Aufprall auf den Boden und das feuchte Gras unter seinem Gesicht, das nun von seinem Blut bedeckt wurde.
Die Wärme und sein Leben verließen ihn durch die klaffende Wunde quer über seinen Oberkörper. Sein Blick war auf das Monster gerichtet, das genauso wenig verstand wie er und im nächsten Moment erfüllte Hass seinen Blick. Sie wollte sich auf den Fremden stürzen, doch die leise Stimme von Sebastian erfüllte den Wald zum letzten Mal, bevor sein Leben endgültig erlosch. „Nein, Kevin, tu es nicht.“
Der Kämpfer verschwand in der Nacht, die sich gegen die aufgehende Sonne wehrte. Er sagte kein Wort und hatte auch das Schwert wieder in die Scheide gesteckt. Der Kampf war erloschen als Sebastian leblos zu Boden sank und das Blut den Boden tränkte.
Kein Wort kam über die Lippen der Anwesenden. Niemand wollte auch nur ansatzweise aussprechen was hier gerade passiert war. Und der Hass und die Wut, die in der Luft gelegen haben, schienen niemals existiert zu haben.
Langsam trat Kevin an den toten Körper heran und stupste ihn leicht mit der Schnauze an. Er wusste, dass er keine Reaktion bekommen würde, dennoch hoffte er es. Dieser Junge war der Erste, der in ihm kein Monster mehr sah. Wieso musste er sterben? Er und so viele andere.
Er wollte sich gerade neben den Toten legen, als das Rascheln des Gebüsches ihn hochschrecken ließ und er seinen Kopf in die Richtung wandte.
Es war ein Junge mit hüftlangen braunen Haaren, der auf die Lichtung trag. Seine Kleidung wirkte abgenutzt und dreckig. Das rote Leinenhemd und die hellblaue Hose schienen von einer langen Reise zu erzählen.
Seine Bewegungen wirkten schlapp und müde. Immer wieder hatte Kevin das Gefühl, dass der Neuling vor seinen Augen einfach zusammenbrechen würde, wobei dies nicht geschah und er schließlich vor ihm zum Stehen kam.
Doch egal wie sehr sich Kevin auch anstrengte. Er konnte die Augen des Jungen nicht sehen, denn sie versteckten sich hinter der braunen Haarpracht, wodurch er bedrohlich wirkte und ein Knurren von dem Monster forderte.
„Habe keine Angst. Ich bin nicht hier um dich zu töten.“ Die Stimme war so leise, dass sie Kevin ohne sein gutes Gehör wohl kaum vernommen hätte, doch so traute er seinen Ohren kaum, wodurch sein Knurren noch tiefer wurde. „Ich habe keine Angst. Es gibt nichts, was ich zu