Der Tunnel. Bernhard Kellermann

Der Tunnel - Bernhard Kellermann


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in ihnen.

      Diesen ganzen Winter hindurch hatten sie sich nicht gesehen, und ihre Freude war um so lebhafter. Sie musterten einander von oben bis unten wie große Kinder, und beglückwünschten sich in heiterem Ton zu ihrem Aussehen. Maud lachte über Hobbys dandyhafte Lackschuhe, die auf den Kappen wahre Rhinozeroshörner aus glänzendem Leder trugen, und Hobby begutachtete wie ein Modekünstler Mauds Kostüm und Allans neuen Frack. Wie bei jedem Wiedersehen nach längerer Zeit mischten sie hundert rasche Fragen und rasche Antworten durcheinander, ohne über irgend etwas eingehender zu plaudern. Hobby hatte, wie immer, die sonderbarsten und unglaublichsten Abenteuer erlebt und deutete das eine und das andere an. Dann kamen sie auf das Konzert, Tagesereignisse und Bekannte zu sprechen.

      „Wie gefällt euch übrigens der Konzertpalast?“ fragte Hobby mit einem triumphierenden Lächeln, denn er wußte schon, was die Freunde antworten würden. Allan und Maud hielten mit ihrem Lob nicht zurück. Sie bewunderten alles.

      „Und das Foyer?“

      „Grand, Hobby!“

      „Nur der Saal ist mir ein wenig zu prunkvoll,“ warf Maud ein. „Ich hätte ihn gern intimer gehabt.“

      Der Architekt lächelte gutmütig. „Natürlich, Maud! Das wäre richtig, wenn die Leute hierher kämen, um Musik zu hören. Fällt ihnen gar nicht ein. Die Leute kommen hierher, um etwas zu bewundern und sich bewundern zu lassen. ‚Schaffen Sie uns eine Feerie, Hobby,‘ sagte das Konsortium, ‚der Saal muß alles bisher Dagewesene totschlagen!‘“

      Allan stimmte Hobby bei. Was er aber in erster Linie an Hobbys Saal bewunderte, war nicht die dekorative Pracht, sondern die kühne Konstruktion des freischwebenden Logenringes.

      Hobby blinzelte geschmeichelt. „Das war keineswegs einfach,“ sagte er. „Es machte mir viel Kopfzerbrechen. Während der Ring genietet wurde, schwankte die ganze Geschichte bei jedem Schritt. So ...“ Hobby wippte sich auf den Fußspitzen. „Die Arbeiter bekamen es mit der Angst —“

      „Hobby!“ rief Maud übertrieben ängstlich aus und trat von der Brüstung zurück. „Du erschreckst mich.“

      Hobby berührte lächelnd ihre Hand: „Keine Angst, Maud. Ich sagte den Burschen: wartet nur, bis der Ring ganz geschlossen ist — keine Macht der Welt, höchstens Dynamit ist noch imstande ... hallo!“ rief er plötzlich ins Parkett hinab. Ein Bekannter hatte ihn durch das zusammengerollte Programm wie durch ein Sprachrohr angerufen. Und Hobby führte eine Unterhaltung, die man durch den ganzen Saal hätte verstehen müssen, wenn nicht gleichzeitig überall Gespräche in dem gleichen ungeniert lauten Ton geführt worden wären.

      Allenthalben hatte man Hobbys auffallenden Kopf erkannt. Hobby hatte die hellsten Haare im ganzen Saal, silberblonde, glänzende Haare, die peinlich gescheitelt und glattgestrichen waren, und ein leichtsinniges schmales Spitzbubengesicht von ausgesprochen englischem Typus, mit einer etwas aufwärts gebogenen Nase und nahezu weißen Wimpern. Im Gegensatz zu Allan war er schmal und zart, mädchenhaft gebaut. Augenblicklich richteten sich von allen Seiten die Gläser auf ihn, und aus allen Richtungen klang sein Name. Hobby gehörte zu den populärsten Erscheinungen New Yorks und zu den beliebtesten Männern der Gesellschaft. Seine Extravaganzen und sein Talent hatten ihn rasch berühmt gemacht. Es verging kaum eine Woche, ohne daß die Zeitungen eine Anekdote über ihn brachten.

      Hobby war mit vier Jahren ein Genie in Blumen, mit sechs ein Genie in Pferden (er konnte in fünf Minuten ganze Heere rasender Pferde aufs Papier werfen) und nun war er ein Genie in Eisen und Beton und baute Wolkenkratzer. Hobby hatte seine Affären mit Frauen gehabt und mit zweiundzwanzig Jahren ein Vermögen von hundertundzwanzigtausend Dollar in Monte Carlo verspielt. Jahraus, jahrein stak er bis über seinen weißblonden Scheitel in Schulden — trotz seinem enormen Einkommen — ohne sich eine Sekunde darüber zu bekümmern.

      Hobby war am hellichten Tag auf einem Elefanten durch den Broadway geritten. Hobby war jener Mann, der vor einem Jahre „vier Tage Millionär spielte“, in einem Luxuszug nach dem Yellowstonepark fuhr, um als Viehtreiber heimzufahren. Er hielt den Rekord im Dauer-Bridge, achtundvierzig Stunden. Jeder Trambahnführer kannte Hobby und stand mit ihm nahezu auf Du und Du. Unzählige Witze Hobbys wurden kolportiert, denn Hobby war Spaßvogel und Exzentrik von Natur. Ganz Amerika hatte über einen Scherz gelacht, den er anläßlich der Flugkonkurrenz New York — San Franzisko in Szene setzte. Hobby hatte den Flug als Passagier des bekannten Millionärs und Sportmanns Vanderstyfft mitgemacht und über alle Menschenansammlungen, die sie in einer Höhe von achthundert oder tausend Meter passierten, Zettel ausgestreut, auf denen stand: „Komm herauf, wir haben dir was zu sagen!“ Dieser Scherz hatte Hobby selbst derart entzückt, daß er ihn während der ganzen Reise, zwei Tage lang, unermüdlich wiederholte. Vor wenigen Tagen erst hatte er New York wiederum durch ein ungeheures, ebenso geniales wie naheliegendes Projekt verblüfft: New York — das Venedig Amerikas! Er, Hobby, schlug nämlich vor (da der Boden im Geschäftsviertel einfach nicht mehr zu bezahlen war), in den Hudson, East River und die New York-Bai riesige Wolkenkratzer, ganze Straßen auf Betonquader zu stellen, die mit Klappbrücken verbunden waren, so daß die großen Ozeanfahrer bequem passieren konnten. Der „Herald“ hatte Hobbys faszinierende Zeichnungen veröffentlicht und New York war von dem Projekt berauscht.

      Hobby ernährte allein ein Schock Journalisten. Er war Tag und Nacht bei der Arbeit, für sich zu „tuten“; er konnte nicht existieren ohne die ununterbrochene Bestätigung seines Daseins in der Öffentlichkeit.

      So war Hobby. Und nebenbei war er der begabteste und gesuchteste Architekt New Yorks.

      Hobby brach sein Gespräch mit dem Parkett ab und wandte sich wieder den Freunden zu.

      „So erzähle doch, was die kleine Edith treibt, Maud?“ fragte er, obschon er sich schon vorher nach dem Kinde, dessen Pate er war, erkundigt hatte.

      Mit keiner Frage konnte man Mauds Herz mehr berühren. In diesem Augenblick war sie von Hobby „ganz einfach entzückt“. Sie errötete und sah ihn mit ihren warmen braunen Augen schwärmerisch und dankbar an.

      „Ich sagte dir ja schon, daß Edith mit jedem Tage süßer wird, Hobby!“ antwortete sie mit zärtlichem, mütterlichem Ton in der Stimme und ihre Augen standen voll Freude.

      „Das war sie doch immer.“

      „Ja! Aber — Hobby, du kannst dir keinen Begriff machen — und wie klug sie wird! Sie fängt schon an zu sprechen!“

      „Erzähle ihm doch die Geschichte von dem Hahn, Maud,“ warf Allan ein.

      „Ja!“ Und Maud erzählte strahlend und glücklich eine kleine drollige Geschichte, in der ihr Mädchen und ein Hahn die Hauptrolle spielten. Alle drei lachten wie Kinder.

      „Ich muß sie bald wieder sehen!“ sagte Hobby. „In vierzehn Tagen komme ich zu euch. Und sonst war es langweilig in Buffalo, sagst du?“

      „Deadly dull!“ versetzte Maud rasch. „Puh, todlangweilig, Hobby, zum Sterben!“ Sie zog die feinen Brauen in die Höhe und sah einen Augenblick aufrichtig unglücklich aus. „Lindleys sind nach Montreal übergesiedelt, das weißt du ja.“

      „Das ist sehr schade.“

      „Grace Kossat ist schon seit dem Herbst in Ägypten.“ Und Maud schüttete Hobby ihr Herz aus. Wie langweilig doch so ein Tag sein könne! Und wie langweilig ein Abend! Und in scherzhaft vorwurfsvollem Ton fügte sie hinzu: „Was für ein Gesellschafter Mac ist, das weißt du ja, Hobby! Er vernachlässigt mich noch mehr wie früher. Manchmal kommt er den ganzen Tag nicht aus der Fabrik. Nun hat er sich zu all den hübschen Dingen noch ein Heer von Versuchsbohrern angeschafft, die Tag und Nacht Granit, Stahl und Gott weiß was bohren. Diese Bohrer pflegt er wie Kranke, genau wie Kranke, Hobby! Er träumt nachts von ihnen ...“

      Allan lachte laut auf.

      „Laß ihn nur machen, Maud,“ sagte Hobby und blinzelte mit seinen weißen Wimpern. „Er weiß schon, was er will. Du wirst mir doch nicht auf ein paar Bohrer eifersüchtig werden, girlie?“

      „Ich hasse sie ganz


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