Am Ende siegt die Wahrheit. Bridget Sabeth

Am Ende siegt die Wahrheit - Bridget Sabeth


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lachte. Es war tief und herzlich zugleich. »Stimmt. Dann sollten wir schleunigst Gesprächszeit nachholen.«

      Der Schnee fiel dichter, als sie einträglich Seite an Seite durch diesen stapften.

      »Wie geht es dir mit dem Onkel? Andreas tut sich ja schwer mit ihm.«

      »Es ist unbestritten für uns alle eine immense Umstellung. Wobei, schimpfen kann ich nicht. In Wahrheit ist es uns in materiellen Dingen noch nie so gut gegangen.«

      »Dennoch fühlt sich Andreas um sein Erbe gebracht, und will dem auf dem Grund gehen.«

      »Hoffentlich verrennt er sich nicht. Immer Streit und Kampf, ich bin es leid. Meine Versuche, ihn zu beschwichtigen, fruchten nicht. Bitte, sei ihm weiterhin ein Freund. Ich habe das Gefühl, dass er auf dich eher hört. Für ihn bist du wie ein großer Bruder, so wie es einst Jakob für uns war.«

      Markus musterte sie. »Letztlich habe ich im Krieg gelernt, dass man weniger Freunde hat, als man denkt. Doch für die richtigen und wahren würde ich mein Leben geben. Da schließe ich Andreas und dich mit ein.«

      »Danke, das ist sehr nett von dir. – Wie war der Krieg? So schrecklich, wie man sich erzählt?«

      »Schrecklicher. Es hat uns alle zu Verlierern gemacht, unabhängig davon, welcher Seite man angehörte. Verluste gab es überall. Häuser kann man aufbauen, aber ein Leben, das erlischt, bleibt für ewig erloschen.«

      Maria ging nachdenklich weiter. Die Wolken am Himmel dämpften das Tageslicht, brachten stattdessen schwarz-graue Punkte hervor, die in der Luft tanzten.

      »Guck nicht so traurig.«

      »Das kann ich nicht verhindern.«

      »Dein Bruder Jakob war ein feiner Kerl.«

      Ihr Kopf ruckte zur Seite. »Hast du ihn so gut gekannt?«

      »Besser als du denkst. Wir gehörten in den letzten Kriegsmonaten derselben Einheit an.«

      »Oh, aber … Andreas hat das nie erwähnt.«

      »Er weiß es nicht.«

      Verwirrt schüttelte Maria den Kopf. »Du bist erst später nachgerückt, da gab es keine Briefe mehr von Jakob!«

      Markus schwieg.

      »Hat … hat er mit Absicht nicht mehr geschrieben?«

      Markus spähte zu dem dunkler werdenden Himmel empor. »Ein Krieg, der verändert einen in die unterschiedlichsten Richtungen. Ich weiß gar nicht, weshalb ich davon angefangen habe. Es spielt keine Rolle mehr.«

      »Doch, das tut es!«, widersprach sie heftig. »Ich fordere eine Erklärung!«

      Markus haderte mit sich. Sollte er es erzählen? Er betrachtete Maria, wie sie kämpferisch das Kinn nach oben reckte. Sie war erwachsen geworden! Von einem Mädchen zu einer wunderschönen Frau. Wie von selbst formten sich die Worte. »Als ich auf Jakob traf, hätte ich ihn beinahe nicht erkannt. Knochig war er geworden. Wir befanden uns kurz vor dem Kriegsende. Eines Abends saßen wir gemeinsam am Feuer, wärmten uns daran und rauchten. Ein bekanntes Gesicht von früher hat seine Emotionen aufgebrochen. Er hat mir von dir erzählt, wie du einst versucht hattest, ihn am Hemd zurückzuhalten, wobei es fast zerrissen wäre.«

      »Das stimmt.« Maria wischte sich verstohlen über die Augenlider.

      »Dann hat er in die Ferne geschaut, und gemeint, dass er nie mehr in die Heimat zurückkehren würde. Das wüsste er, und du hättest es auch bei seinem Weggang gespürt.«

      »Das ist kein Grund, um gar nicht mehr zu schreiben! Seine Zeilen waren am Anfang so liebevoll. Er hat stets eine eigene Nachricht für uns Geschwister beigelegt, die mit meiner lieben kleinen Prinzessin und meinem lieben kleinen Prinzen begann. Ich verstehe das nicht!«

      »Damals an der Front wusste ich noch nicht, dass er die Schreiben eingestellt hatte, sondern ich hab es erst von Andreas erfahren. Ich denke, Jakob schaffte es irgendwann nicht mehr, euch eine heile Welt vorzugaukeln. Das Töten hat ihn krank gemacht. Nicht nur ihn, vielen Soldaten ging es ähnlich. Wenn du am Abzug stehst, reagierst du aus purem Überlebensinstinkt heraus. Aber hinterher riechst du das Blut, siehst verstümmelte Leichen, im Zelt stinkt es nach den schwärenden Wunden, hörst die gepeinigten Schreie von Verletzten, siehst deine Kameraden sterben. Stunde um Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche, unaufhörlich. Bilder, die dich selbst nachts im Schlaf einholen. Ich denke, Jakob hasste sich dafür, dass er dem Vaterland diente, Menschen erschießen musste, die zu einer anderen Zeit oder an einem anderen Ort womöglich Freunde hätten werden können. Er sah sich als Mörder, Feigling und Verräter seiner eigenen Werte.«

      »Deswegen ließ er uns im Ungewissen darüber, dass er noch am Leben war?! So hartherzig! Über Monate hinweg! Stattdessen trudelte seine Vermisstenmeldung bei uns ein! Wenn er wenigstens die Wahrheit geschrieben hätte! Alles wäre besser gewesen!«

      »Bitte, sieh es ihm nach. Ich weiß von meinem Kameraden Peter, der längere Zeit mit ihm in derselben Einheit diente, dass eine Verletzung an der Schulter ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Wochenlang war nicht sicher, ob er sie überstehen würde. Am Anfang ging es ihm zu schlecht, um verlegt zu werden, aufgepäppelt wurde er in einem kleineren Lazarett. Doch den Heimaturlaub hat er abgelehnt, bald hielt er wieder die Waffe in der Hand, um seinen Kameraden beizustehen. Aber die Verletzung hatte ihn verändert. Zu sich selbst konnte er beinhart sein. Doch Peter erzählte mir, dass Jakob in ein tiefes Loch fiel, wenn er die gestrickten Socken oder andere liebevoll ausgesuchte Mitbringsel von euch erhielt. Sie erinnerten ihn wohl an eure Wärme und Herzlichkeit. Viele meiner Kameraden hofften auf solche Präsente, um die Bürden durchzustehen. Bei ihm war es andersrum. Er konnte damit nicht umgehen. Hätte nicht durchgehalten. Vielleicht ist das der Grund dafür, weshalb Jakob einen Schreiber beauftragte, die Vermisstenmeldung auszuschicken.«

      Marias Augen flackerten. »Er hat mit sich und mit uns abgeschlossen.«

      »An der Front denkt man ohnehin, dass jede Sekunde die letzte sein könnte. Jeder von uns hat im Krieg an Selbstmord gedacht. Es war wie ein langsames Vergehen der Kräfte. Kameradschaft, Treue, Vertrauen und Gehorsam galten nur mehr dort etwas, wo man sich kannte. Wir kämpften lange Zeit bloß deshalb, um nicht in Kriegsgefangenschaft zu gelangen und um zu vermeiden, einen weiteren Freund zu verlieren. Es war unsere Familie, fern jeglicher Blutsverwandtschaft. Jakob litt zudem an Depressionen, verstärkt wohl durch das Pervitin, das man ihm, seit der Verwundung, verschrieben hatte. Die Schulter machte ihm arge Probleme.«

      »Pervitin? Was soll das sein?«

      »Unter der Hand hieß es bei uns Panzerschokolade. Dieser Name war passend, denn wie ein Stahlschild hüllte es all die Emotionen, Schmerzen und den Hunger ein, gaukelte einem Wagemut vor. Ein Teufelszeug, weil es süchtig machte, man stets höhere Dosen benötigte. Und wenn der Nachschub ausblieb, fühlte man sich wie ein elendes Wrack.«

      »Hast du auch davon genommen?«

      »Ich habe es probiert. Aber zum Glück für mich entschlossen, den Krieg ohne dem durchstehen zu wollen. Außerdem wurde es immer rarer. Anfangs hatten die Obersten es in riesigen Mengen eingekauft und für die Stärkung der Moral unter den Soldaten großzügig ausgeteilt.« Markus’ Stimme klang bitter.

      Maria presste betroffen die Lippen aufeinander, sie drückte mitfühlend seine Hand.

      »Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes erzählen. Dennoch war Jakob ein Held, hat Jahre den Krieg durchgestanden, gekämpft, und dadurch Leben in den eigenen Reihen gerettet. Es tut mir im Herzen weh, dass es ihm nicht vergönnt war, heimzukehren. Gefallen im letzten Gefecht.«

      »Ich weiß«, flüsterte Maria rau. »Eine Granate hat nichts mehr übriggelassen, was man beerdigen hätte können. Irgendwo auf einem Feld in Gerasdorf, westlich von Sankt Pölten.«

      »Bitte, verurteile ihn nicht dafür, dass er in seiner Not zweifelhafte Dinge getan hat. Vergessen hat er euch nie, da bin ich sicher.«

      Maria schüttelte traurig den Kopf. »Was hat er leiden müssen!«

      »Bitte,


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