Am Ende siegt die Wahrheit. Bridget Sabeth

Am Ende siegt die Wahrheit - Bridget Sabeth


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er zu Markus, und verbrachte seine Freizeit bei ihm. Er hatte einen Zufluchtsort, während Dorli kaum mehr Zeit für sie erübrigte. Zuhause wurde es dazu immer unerträglicher. Vater war dauernd gereizt, scheuchte Mutter und sie umher, während er in seinem Sessel neben dem Herd thronte und sich nur erhob, um die Arbeiten zu überwachen. Früher, da hatte er geschuftet! Nun bedauerte er sich selbst, klagte, wie knapp das Geld wäre und wie ungerecht das Leben einem mitspielen konnte! »Wir sollten weiter, ehe die Eltern über unser verspätetes Kommen sauer werden. Bestimmt können sie uns schon aus dem Fenster sehen, und schimpfen, wenn wir so langsam gehen.«

      ONKEL ALFONS MIT GESCHENKEN

      Schmucklos und schlicht war das elterliche Haus, ein zweigeschossiger Bau aus schwarzgrau verwittertem Holz. Einen Keller gab es nicht. Wenn man näherkam, sah man, dass einiges einer Renovierung bedurfte, wofür das Geld fehlte. Die kleinen Fenster ließen kaum Licht in die Innenräume fallen. Eine Scheibe war gerissen und notdürftig mit Zeitungspapier und Kleister verklebt, sowie mit dickem Stoff verhangen.

      Im oberen Stockwerk standen Eimer und Krüge bereit, die bei Regen das Wasser auffingen, das durch die losen Schindeln tropfte. Der angrenzende Stall war dick gemauert, sodass die Tiere – Kühe, Schweine, Pferde, Schafe und Hühner – einen guten Unterstand hatten, der Schutz vor Wind und Wetter bot. Doch beim aufgesetzten Holzteil fehlten Bretter, machten durch die vielen Lücken die Tenne, in der das Futter für das Vieh lagerte, zugig. An das Stallgebäude angebaut, verbarg sich Georgs Unterkunft, eine Holzbaracke.

      »Was ist das für ein Auto?« Andreas bemerkte zuerst den Wagen, der vor dem Anwesen abgestellt war. Dunkelblauer Lack glitzerte ihnen entgegen, der durch die Sonne reflektiert wurde. Im Dorf gab es drei Familien und diesen Briten, die sich einen fahrbaren Untersatz leisten konnten. Die kannte er. Aus der Gegend stammte der Wagen nicht!

      Maria versuchte, mit den eiligen Schritten des Bruders mitzuhalten. Ob das Walter ist? Hoffentlich bekommen die Eltern keine Probleme, weil ich ihn abgewiesen habe!

      In der Hofeinfahrt wurden sie beide von Mutter abgefangen. »Halt, nicht so schnell!«, rief Margarethe und versperrte ihnen den Weg.

      Andreas umkreiste den Wagen, wie es ein Tier bei seiner Beute tun würde. Obwohl es in seinen Fingern prickelte, fasste er nichts an. Auf der Motorhaube schimmerten Tausende winzige Sterne.

      Gott sei Dank, es ist nicht Walter! Maria betrachtete respektvoll dieses Wunderding. Schade, dass wir nicht so einen Wagen haben, könnten so viel Zeit damit einsparen!

      »Das ist ein Mercedes Benz 170V, schau dir den imposanten Kühlergrill an!« Das Chrom glänzte wie poliertes Silber. »Wer ist zu Besuch?«, hakte Andreas nach.

      »Onkel Alfons.« Margarethes Stimme klang sonderbar matt.

      »Unser Onkel!« Andreas ballte seine Hände zu Fäusten. Der Enthusiasmus bezüglich des Wagens war wie weggeblasen. »Was will der hier? Sonst hat es ihn auch nie geschert, wie es uns geht!«

      Maria wich einen Schritt von ihrem Bruder zurück, mochte es nicht, wenn er so angriffslustig wirkte. Seine Stirn glänzte verschwitzt nach dem steilen Aufstieg, das Haar stand verstrubbelt zu den Seiten ab. Die Augen hatte Andreas zusammengekniffen. Sie kannte diesen Ausdruck. Entschlossen, stur, zu allem bereit und Dummheiten nicht abgeneigt. Hoffentlich stürmt er nicht hinein!, bat Maria stumm.

      »Bleibt ja heraußen und stört die Unterredung nicht!«, befahl Mutter im herrischen Ton. »Ich bringe euch das Trinken und Essen ausnahmsweise zur Bank.«

      »Ich kann dir helfen, die Teller herauszutragen, damit …«

      »Nein!«, unterbrach Margarethe die Tochter, rauschte davon.

      Verwundert sah Maria ihr nach. Normalerweise bestand Mutter stets auf Hilfe! War sie wegen Onkel Alfons so angespannt? Diesem Kriegsgewinnler? Sie schielte zu dem protzigen Wagen. Ob er sein Herz entdeckt hat, und uns helfen möchte? Immerhin war er Vaters Bruder, hier aufgewachsen.

      Andreas ließ neben sich den schweren Ranzen auf den Boden plumpsen, stieß zischend Luft aus.

      Oje, er sah genauso aus wie vor einem Jahr, als er trotz heftigen Regens, und nach einem Streit mit dem Vater, losgezogen war, um nach einem verschollenen Tier zu suchen. Damals kam er zurück, ohne den kleinen Stier, dafür völlig durchnässt mit einem gebrochenen Arm und Prellungen am gesamten Körper! Ob er über einen Felsen gestürzt war? Über den Hergang schwieg er sich bis heute aus, das Tier wurde nie gefunden.

      Seine Schmerzen standen ihm jedoch ins Gesicht geschrieben. Im Krankenhaus bekam er einen Gips. Wochen später wurde festgestellt, dass der Bruch falsch zusammengewachsen war und er die Hand bloß eingeschränkt verwenden konnte. Mutter traute den Ärzten nicht mehr. Vater schimpfte, weil Andreas’ Arbeitskraft am Hof fehlte, und Maria sorgte sich, dass der Arm nie mehr heil werden würde. Doch die Kräuterfrau, zu der sie ihn mehrmals begleiten musste, mischte eine spezielle Mixtur, die den Knochen weich und verschiebbar machte. Mit festen Bandagen wurde sein Arm umwickelt, und es heilte – wie durch ein Wunder – aus.

      »Das hat nichts Gutes zu bedeuten«, bemerkte Andreas.

      »Was meinst du damit?« Maria schob die Taschen Richtung Hauswand. Onkel Alfons war wie ein Mysterium. Sie hatten ihn seit Ewigkeiten nicht mehr zu Gesicht bekommen. Den letzten Kontakt gab es, als ihr Vater seinen Bruder gebeten hatte, an höheren Stellen Auskünfte über Jakobs Verbleib einzuholen. Als Bittsteller aufzutreten, war Adam nicht leichtgefallen. Alfons hatte für sein Bemühen ein geschlachtetes Rind gefordert, bekam das gesamte Fleisch geschenkt. Und was brachte es? Nichts!

      »Was weiß ich.« In Andreas’ Stimme lag etwas Aggressives, als hätte er doch eine Ahnung. »Sag Mutter, dass ich zu Markus gegangen bin.«

      »Ich möchte nicht, dass du zu – zu diesem Schurken gehst!«

      Andreas lachte bitter. »Das muss ich Markus sagen, dass du ihn für einen Schurken hältst.«

      »Untersteh dich. Das war nicht so gemeint.« Maria krallte verärgert ihre Fingernägel in die Innenseite der Handfläche. Sie verdrängte den Schmerz, den sie dabei verspürte.

      Andreas wurde ernst. »Markus ist mein bester Freund. Er ist der einzige Mensch, außer dir, dem ich zu einhundert Prozent vertraue. Also, warum willst du nicht, dass ich zu ihm gehe? Du hast vorhin schon so komisch reagiert. Und ich halte dich für schlau genug, dass du Vaters Worte nicht ohne Grund nachplapperst.«

      Maria schoss das Blut in die Wangen. Sie wich dem prüfenden Blick des Bruders aus. Es stimmte, Vater hielt Markus für einen Halunken. Das fand sie nicht, denn er war fleißig, ging als Holzknecht einer kräftezehrenden sowie gefährlichen Tätigkeit nach. Freunde hatte er wenige. Die Jahre im Krieg hatten ihn vorsichtig und zu einem Einzelgänger gemacht. Bloß die Freundschaft zu Andreas überdauerte die beschwerliche Zeit. Manchmal traf sie Markus zufällig im Dorf. Auch da war meist der Bruder an ihrer Seite, sodass sie bisher kaum ein Wort mit Markus gewechselt hatte. Seine blauen Augen! Es ist, als würden sie tief in meine Seele hineinschauen.

      »Also?« Andreas langte mit dem Zeigefinger unter ihr Kinn, drehte Marias Gesicht ihm zu, damit sie ihn anschauen musste.

      Was sollte sie jetzt sagen? Dass Markus ihr gefiel? Sich ihr Herzschlag beschleunigte, wenn sie ihn sah? Sie am liebsten mitkommen würde, wenn Andreas den Freund besuchte, aber Angst vor der Schelte der Eltern hatte? Es war so ungerecht, dass sich Andreas alle Freiheiten nehmen durfte, während sie wie ein kleines Kind ihre Erlaubnis einholen musste, obwohl sie gleich alt waren! »Er – er«, stotterte sie, »er sieht mich immer so seltsam an. Das macht mich nervös.«

      Maria wappnete sich davor, dass ihr Bruder sie auslachen würde. Nein, stattdessen legte er sanft einen Arm um ihre Schulter. »Markus findet dich sehr nett. Ich hab ihm gesagt, dass du trotz deiner achtzehn Jahre zu unschuldig für eine Liebelei bist.«

      »Eine Liebelei?«, echote Maria. Sie errötete heftig. »Du machst dich über mich lustig!«

      Andreas’ Augen blitzten amüsiert. »Ich muss los.« Er drückte


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