VIER TODESFÄLLE UND EIN TANKSTELLENRAUB. Eberhard Weidner

VIER TODESFÄLLE UND EIN TANKSTELLENRAUB - Eberhard Weidner


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Sie Herr Schneider, der Geschäftsführer dieser Raststätte, sind?«

      »Der bin ich in der Tat. Gestatten, Sebastian Schneider.« Sie gaben sich die Hände. Schneiders Händedruck war zupackend und fest.

      »Schäringer, Kriminalpolizei«

      Schneider musterte den Dienstausweis nur kurz. »Wie kann ich Ihnen helfen, Herr Schäringer?«

      »Können wir uns in Ihrem Büro unterhalten?«

      »Natürlich. Folgen Sie mir bitte.«

      Sie verließen den Verkaufsraum durch die Tür, auf der Kein Zutritt stand, folgten einem engen Flur, von dem mehrere geschlossene Türen abgingen, hinter denen man vereinzelte Stimmen hören konnte, wandten sich vor dem Ende des Gangs, der nach draußen zur Rückseite der Raststätte führte, nach rechts und betraten das Büro des Geschäftsführers, das äußerst zweckmäßig eingerichtet war. Das Einzige, was hier nicht nach Arbeit aussah, war ein Kalender mit leicht bekleideten Damen an der Wand hinter dem Schreibtisch, auf dem sich Papiere, Schnellhefter und Aktenordner türmten. Das Kalenderblatt stammte allerdings noch vom März 2009. Entweder gefiel dem Geschäftsführer das abgebildete Modell besonders gut, oder er war seitdem nicht mehr dazu gekommen, weiterzublättern und in den folgenden Jahren neue, aktuellere Kalender aufzuhängen.

      »Alles für die verdammte Steuererklärung«, sagte Schneider und wies auf die Papierstapel auf dem Schreibtisch. »Nehmen Sie bitte Platz.«

      Schäringer setzte sich auf einen der beiden Besucherstühle, während sich Schneider hinter dem Schreibtisch niederließ.

      »Also, was hat Sie denn nun hierher geführt? Ich hoffe, auf unserem Grund und Boden wurde kein Verbrechen verübt. Mir ist zumindest nichts darüber bekannt.«

      »Mir auch nicht. Aber darum geht es auch gar nicht.«

      »Worum dann? Man bekommt schließlich nicht jeden Tag Besuch von der Kriminalpolizei. Allerdings würde ich mir größere Sorgen machen, wenn Sie von der Steuerfahndung oder vom Finanzamt wären. Nicht, dass ich etwas zu verbergen hätte, aber diese Jungs machen mich wirklich nervös.« Er lachte leise, wurde aber rasch wieder ernst.

      »Kann ich verstehen«, sagte Schäringer und ließ den Blick über das Durcheinander auf dem Schreibtisch gleiten, bei dem vermutlich nur noch der Verursacher einen Überblick hatte, bevor er zur Sache kam. »Vermutlich haben Sie schon von den vier Todesfällen von letzter Nacht in Oberhofberg gehört.«

      Schneider nickte mit ernster Miene. »Natürlich, es stand ja heute Morgen schon in der Zeitung. Schrecklich! Ich hoffe, Sie schnappen die Täter bald. Wenn ich richtig informiert bin, waren es aber nur zwei Morde. Bei den anderen beiden Toten handelte es sich wohl um einen Unfall und einen Selbstmord. Haben Sie schon eine heiße Spur?«

      »Wir stehen noch am Anfang unserer Ermittlungen«, sagte Schäringer ausweichend. »Ich bin aber nicht wegen der Morde hier, sondern wegen des vermutlichen Suizids an der Bahnstrecke. Die Stelle ist gar nicht so weit von hier entfernt.«

      »Das stimmt. Allerdings passierte das auf der anderen Seite der Autobahn. Ich kann daher keinen Zusammenhang zwischen der Selbstmörderin und unserer Raststätte erkennen. Wieso sind Sie also hier?«

      »Momentan kennen wir leider noch nicht einmal die Identität der Toten. Sie hat keinen Abschiedsbrief hinterlassen und hatte auch keine Papiere bei sich. Dass es sich um einen Selbstmord handelte, ist bislang nur eine Vermutung. Um eine Fremdeinwirkung ausschließen zu können, müssen wir zunächst die Identität der Unbekannten herausfinden, um in ihrem Umfeld weitere Ermittlungen anstellen zu können. Und je eher wir dazu in der Lage sind, desto eher können wir den Fall zu den Akten legen und uns stattdessen auf die echten Mordfälle konzentrieren.«

      Schneider nickte. »Das verstehe ich ja alles. Was ich allerdings noch immer nicht begreife, ist, warum Sie überhaupt hier sind. Weder vermisse ich eine meiner Angestellten, noch habe ich Kenntnis, dass einer unserer weiblichen Gäste letzte Nacht verloren gegangen ist. Was bringt Sie also auf die Idee, ausgerechnet hier nach der Identität der jungen Frau zu suchen?«

      »Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie hier ihren Wagen abgestellt hat.«

      Schneider nickte langsam, während er mit in sich gekehrtem Blick über diese Antwort nachdachte. »Jetzt verstehe ich, worauf Sie hinauswollen, Herr Schäringer. Aber wie kommen Sie darauf, dass die Frau ausgerechnet hier geparkt haben könnte? Wie ich schon sagte, liegt der Ort ihres Freitods auf der anderen Seite der sechsspurigen Autobahn. Um von hier dorthin zu kommen, muss man die nächstgelegene Überführung nehmen, und die ist 5 Kilometer von hier entfernt. Zu Fuß sind Sie da eine ganze Weile unterwegs, das kann ich Ihnen sagen. Wenn ich mich umbringen wollte, was ich allerdings nie tun würde, würde ich doch ganz in der Nähe parken, um nicht so lange laufen zu müssen.«

      Schäringer zuckte mit den Schultern. »Es wurde allerdings kein Fahrzeug in der Nähe gefunden. Daher haben wir momentan nicht die geringste Ahnung, wie die junge Frau dorthin gelangte. Allerdings gibt es einen wesentlich kürzeren Weg zur anderen Seite, wenn man durch den Tunnel geht.«

      Schneider sah sein Gegenüber verblüfft an und runzelte gleichzeitig die Stirn. »Durch den Tunnel? Aber das ist doch mordsgefährlich. Da fahren mindestens drei- bis viermal täglich die ICE in einem Wahnsinnstempo durch. Vermutlich reicht schon der Luftzug, um jeden im Tunnel unter die Räder zu zerren. Andererseits, wenn man ohnehin vorhat, sich umzubringen, ist einem das vielleicht egal. Aber warum hat sie sich dann nicht gleich auf dieser Seite des Tunnels vor den Zug geworfen?«

      »Das erfahren wir vermutlich erst, wenn wir herausgefunden haben, wer sie ist. Aber dazu benötige ich die Aufnahmen Ihrer Überwachungsanlage. Wie viele Kameras gibt es denn insgesamt an der Raststätte?«

      »Fünf. Zwei bei den Zapfsäulen, weil immer mal wieder einer meint, er müsste nicht bezahlen, und eine über der Kasse der Tankstelle, damit unseren Kassierern nicht dasselbe wie dem armen Kerl in Oberhofberg passiert. Allerdings ist hier Tag und Nacht zu viel los, das schreckt potenzielle Räuber ab. Eine weitere Kamera hängt über der Eingangstür zur Raststätte. Vielleicht haben Sie die beim Reinkommen gesehen. Die letzte Kamera ist hier auf dem Dach montiert und auf den Parkplatz gerichtet.«

      »Haben Sie damit alle Stellplätze im Blick?«

      »Fast alle, bis auf ein paar Lkw-Parkplätze am Rand.«

      »Und werden die Aufnahmen auch aufgezeichnet?«

      »Ja. Alles wird aufgenommen und für 24 Stunden gespeichert. Anschließend wird es automatisch gelöscht.«

      »Können Sie mir diese Aufzeichnungen bitte geben, damit ich sie von unserer Kriminaltechnik auswerten lassen kann?«

      »Sie haben nicht zufällig einen Gerichtsbeschluss oder so etwas bei sich?«, fragte Schneider mit zweifelndem Gesichtsausdruck.

      »Ich ging davon aus, dass ich keinen benötige«, antwortete Schäringer. »Ich kann natürlich einen richterlichen Beschluss besorgen, wenn Sie so viel Wert darauf legen, Herr Schneider, allerdings kostet mich das wertvolle Zeit. Und wie Sie vielleicht aus dem Fernsehen wissen, sind nach einem Todesfall, gleichgültig ob Mord oder Suizid, die ersten Stunden für den Erfolg der polizeilichen Ermittlungen die entscheidendsten. Kann ich also bitte die Aufzeichnungen haben, um auf diesem Weg unter Umständen rasch die Identität der unbekannten Toten herauszufinden?«

      Schneider seufzte. »Na gut. Sie bekommen die Aufnahmen. Sie werden in digitaler Form gespeichert. Ich lasse sie von unserem Computerfachmann auf eine Daten-DVD überspielen. Aber zuvor hätte ich doch noch eine Frage.«

      »Nur zu.«

      »Wie wollen Sie bei den unzähligen Fahrzeugbewegungen und dem ständigen Kommen und Gehen auf unserem großen Parkplatz den einen Wagen finden, der möglicherweise Ihrer Selbstmörderin gehört? Das kommt mir vor wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.«

      »Der Vergleich kam mir auch schon in den Sinn. Aber keine Sorge, Herr Schneider, ich hab schon eine Idee. Allerdings habe auch ich noch eine letzte Frage an Sie. Wissen Sie zufällig, wie


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