Schüchterne Gestalten. Peter Bergmann

Schüchterne Gestalten - Peter Bergmann


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da und passte so gar nicht in die Rumpelbude: So toll sah das gute Ding aus. Und wurde hier dringend gebraucht. Die Grünpflanzen befanden sich halb in der Sommerdürre, halb im Winterschlaf und sahen durchweg traurig aus; die spießigen Bilder aus der Zeit vor der Vereinigung und der überall drapierte Firlefanz machten aus dem Büro eher ein Begegnungszimmer für Nostalgiker, als ein Raum zum Arbeiten. Hier müsste man mal ... Nicht sein Problem; jetzt nicht!

      Mit dem Kaffeetopf in der einen und einem Stück Kuchen in der anderen Hand schaute Remsen sich um, wer um diese frühe Morgenstunde schon anwesend war. Neben Kundoban und ihm selbst, war nur einer der Verstärkertruppe bereits am Abtippen der Ermittlungsprotokolle von gestern.

      Und Ulrich natürlich. Aber der war schon wieder weg, weil er auftragsgemäß zur Weilham gefahren ist. Das ist unsinnig, fiel Remsen gerade auf. Der alte Weilham schläft hier im W36-Hotel und seine Frau sitzt im Vernehmungsraum. Da draußen wird Hansi wohl niemanden mehr antreffen…

      „In welchem VR ist die Weilham?“ Kundoban stellte sich schon auf das Gespräch ein und klemmte die Unterlagen unterm Arm. Sie hielt auf Remsens Frage hin den linken Daumen hoch: „Im ersten, da ist immer die Heizung über die Nacht an.“

      „Was für eine Verschwendung; das muss wieder der Steuerzahler tragen.“ Remsen ist trotz der frühen Morgenstunde der Meister im Austeilen. „Ist Ulrich beim Gespräch mit von der Partei?“

      „Warum denn, der ist doch zur Weilham gefahren, wegen heute Nacht. Ich wüsste nicht, dass er schon wieder zurück ist.“

      Jutta Kundoban hielt kurz inne und dachte nach. Dann war ihr klar, warum Remsen so herum eierte. „Die Eva Weilham wartet hier, nicht die Cordula Weilham. Gestern Abend war sie in der Pathologie und hat ihren Mann identifiziert. Das nicht aushaltend ist sie schreiend zusammengebrochen. Ihre ach so tolle Freundin hat das noch getoppt. Die gab schon beim Geruch von Desinfektionsmitteln auf; halten doch nichts mehr aus die jungen Ladys aus der Upperclass. High Heels an, jede Menge Schminke in der Visage und eine Widerstandskraft wie ein Stück Schokolade in der Sonne.“

      „Und Sie Jutta sind aus anderem, aus kernigem Holz. Richtig?“ Remsen wunderte sich wieder einmal, dass seine Kollegin so selbstbewusst austeilen konnte.

      Die aber ignorierte die Bemerkung von Remsen und ließ sich in ihrem Redefluss nicht beirren: „Die Weilham ist dann nebenan im Krankenhaus behandelt worden; aber nur kurz, denn sie wollte unbedingt noch mal ihren Mann sehen. Ihre Freundin hängt noch immer am Tropf. Ihre Besucherin, Jan, hatte einige Zeit bei ihrem Mann zugebracht und ziemlich geweint. Sie fragte irgendwann nach Ihnen und ist bestimmt schon gut zwei Stunden hier.“

      „Gut, dann hat sie uns ganz sicher jede Menge zu erzählen. Könnten Sie bitte den Weilham in den VR3 bringen?“ Remsen drehte sich um und instruierte den eifrigen Jungen aus dem Verstärkerteam, der noch immer Vernehmungsprotokolle übertrug, mit Anweisungen.

      „Auf geht’s. Mal sehen was wir Neues von der Frau Weilham erfahren. Die Geschichte mit dem Brandanschlag auf das Haus ihrer Schwiegereltern behalten wir vorerst für uns, verstanden?“

      Kundoban nickte und folgte ihrem Chef, inzwischen auch mit einem Kaffee in der Hand, in den VR1.

      „Guten Morgen Frau Weilham, schon auf den Beinen heute Morgen? Ich hoffe, es geht so?“ Remsen musste gleich sticheln, damit das Gespräch sofort aus dem Schlafmodus erwachte. Mit der Beantwortung seiner Fragen rechnete er ohnehin nicht.

      „Ich will wissen, wie es passiert ist und wer es war. Verstehen Sie; wir haben uns geliebt, haben einen gemeinsamen Sohn und plötzlich ist das alles weg?“

      „Warum weg Frau Weilham? Ihrem Sohn geht’s doch gut, oder nicht?“ Remsen gab sich nach hin außen besorgt, war aber ansonsten der Taktiker; wie immer bei Vernehmungen. Sie nickte nur kurz.

      „Wie es passiert ist, können wir recht genau sagen. Aber warum es passiert ist und wer es war – das wissen wir noch nicht. Das würden wir gerne von Ihnen erfahren. Dürfen wir das Aufnahmegerät hier einschalten?“ Er deutete auf das Gerät in der Tischmitte. Nachdem Frau Weilham genickte, startete er die Aufnahme, nannte die Namen der Anwesenden und den Zeitpunkt zu Beginn der Aufzeichnung.

      „Ich kann Ihnen nichts sagen. Carsten ist am Dienstag zu einer Dienstreise in die Ukraine aufgebrochen und wollte gestern Abend zurück sein. Er rief jeden Tag an und gab mir das Gefühl, wie sehr ich ihm fehle. Und, dass die Gespräche dort ganz verliefen; richtig erfolgreich aus seiner Sicht. Dabei habe ich mich doch so sehr auf seine Rückkehr gestern und auf das Wochenende zu Dritt gefreut.“ Sie war den Tränen wieder sehr nah.

      Remsen musste gegensteuern, um mehr zu erfahren: „Na ja, gestern bei der Befragung wollten Sie sich noch von ihm scheiden lassen. Sie waren überzeugt davon, dass er eine andere hat. Sie erinnern sich?“

      Eva Weilham stellte ihre Trauerarie kurz ein, sah verzweifelt Remsen und Kundoban an. Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.

      Kundoban versuchte es, von Frau zu Frau: „Haben Sie es gewusst oder nur vermutet, dass Ihr Mann eine Geliebte hatte? Ich meine, das spürt man als Frau doch, oder nicht?“

      Remsen war das definitiv zu viel Gefühlsduselei. „Also, wenn da was dran war und ihr Mann eine Freundin hatte, dann kennen Sie doch sicher ihren Namen. Frauen sind immer so neugierig und bekommen das ganz bestimmt schneller raus, als ein Mann sich den Namen seiner Geliebten merken kann. Vor allem, wenn es mehrere sind.“ Der letzte Satz rutschte einfach so raus.

      Kundoban sah ihn entsetzt an und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Wenn er sie nicht schon so gut kennen würde, hätte Remsen es nicht bemerkt. Es wäre auch egal gewesen, denn es hätte Remsens Strategie ohnehin nicht beeinflusst.

      „Fakt ist, Ihr Mann saß gestern Abend mit einer jungen Frau im Auto. Schon schade, denn beide haben’s nicht überlebt.“ Remsen setzte sein trauriges Gesicht auf; es blieb beim Versuch.

      Kundoban übernahm wieder: „Sie sagten, er war in der Ukraine. Das muss bei CodeWriter doch jemand gewusst haben. Georg Weilham? Karl Hausmann? Oder wer?“

      Eva Weilham antwortete prompt und pikiert: „Keine Ahnung; ich weiß nicht, wer da mit wem spricht und wer von der Dienstreise und den Kunden etwas gewusst haben könnte.“ Sie schaute unentschlossen rum; „Und wer da neben meinem Mann im Auto saß – keine Ahnung.“

      „Sie wissen dann auch nicht, wie die Firma hieß, die Ihr Mann besuchte?“ Weil Frau Weilham den Kopf schüttelte, machte Remsen weiter: „Okay, Sie warten schon recht lange hier auf mich: Ich höre dann mal, was Sie uns zu sagen haben.“

      Der Ball lag wieder im Feld der Frau Weilham: „Von Ihnen will ich wissen, was passiert ist. Wer war das, verdammt noch mal.“ Wie es aussah, war sie gleich wieder vor einem Zusammenbruch.

      Jutta Kundoban versuchte sie zu beruhigen. „Wissen Sie irgendwas von Konflikten oder von Feinden oder so, die Ihr Mann hatte? Sie haben doch sicher mit ihm über seine Arbeit gesprochen. Ihrem Schwiegervater gehört die Firma; Ihr Mann war der potentielle Nachfolger. Die Arbeit Ihres Mannes war Teil Ihres Lebens. Erzählen Sie uns, was Sie wissen. Alles, im Detail und ganz genau, egal wie lange es dauert.“ Nachdem Remsen auf seine Art Frust über den unergiebigen Verlauf der Befragung rausgelassen hat, schien Eva Weilham doch noch was loswerden zu wollen.

      „Georg und Karl Hausmann, also die beiden Partner, verstehen sich schon länger nicht mehr. Georg hat sich aufgerieben und einen Zusammenbruch gehabt.“

      Remsen unterbrach sie: „Das ist nicht neu für uns. Ihre Schwiegermutter war schon so frei und berichtete davon. Was hat das jetzt alles mit dem Mord an Ihrem Mann zu tun? Vermuten Sie da was?“

      Die letzte Frage ignorierte Eva Weilham: „Hausmann war schon immer für eine Ausdehnung der Aktivitäten in Richtung Osteuropa. Spätestens seit dem Ausfall von Georg Anfang des Jahres war niemand mehr da, der mutig genug Hausmann davon abhielt. Carsten auch nicht. Er hat also angefangen, in Polen und anderen Ländern ein Netz von potenziellen Kunden und Geschäftspartnern aufzubauen; aber der große Wurf gelang nicht. Carsten kann nichts dafür; da drüben ist einfach vieles anders.“

      „Wie


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