Schüchterne Gestalten. Peter Bergmann

Schüchterne Gestalten - Peter Bergmann


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oder warum ist Weilham so auf Abtowiz losgegangen?“

      „Gegenfrage: Was macht Abtowiz genau im diese Zeit hier im Red Rooster?“

      Remsen zuckte nur die Achseln: „Ich wollte gerne mit eigenen Augen sehen, wie Weilham mit seinen Geschäftspartnern auskommt. Weißt du, bisher hat er so heftig gelogen, dass ich ihm nichts mehr glaube. Gestern waren die zusammen essen und heute prügeln sie sich. Was soll man da noch glauben?“

      Remsen war mit seiner Leistung zufrieden. Mit Überraschungsmomenten Fakten schaffen, war keine schlechte Idee von ihm. „Ja klar, Safety Objects ist ein Kunde von CodeWriter; die nutzen die Software von denen. Und dann ist deren Chef auch noch ein Russe. Sein Sohn kurvt in der Ukraine rum, sagt zumindest dessen Frau und der alte Weilham sagt uns, der Junge war in Berlin. Seit wann gehört Berlin zur Ukraine? Hanns, was sagt dein Handy dazu?“

      „Pole.“

      „Äh, Polen? Ich denke der Junior war in der Ukraine? Gehören die jetzt zusammen? Die veranstalten doch nur Fußballturnier in zwei Jahren miteinander?“

      „Abtowiz ist ein Pole, sagt zumindest Kundoban. Die muss das wissen, denn sie hat das recherchiert.“

      „Vorstrafen? Auffällig der Mann?“

      „Wahrscheinlich, ich habe ihn zwar nur kurz gesehen, aber er besaß die Aura eines Professionellen mit langer Vergangenheit. Das finden die anderen ganz sicher raus, wenn die nicht schon wieder beim Thai sind.“

      „Wenn die beiden gestern Abend tatsächlich zusammen essen waren, dann wundert mich der Angriff von Weilham umso mehr. Der war ja richtig brutal auf den Russen losgegangen.“

      Ulrich schaute leicht verzweifelt seinen Kollegen an; der merkte seinen Denkfehler, oder war es ein absichtlicher Versprecher, recht schnell.

      „Ja, ja, er ist Pole. Da war jede Menge angestaute Wut zu spüren. Und das in unserem Beisein. Sorry, da stinkt es gewaltig Hanns. Wenn wir buddeln, finden wir garantiert einige Leichen im Keller; bei beiden Unternehmen. Wetten?“

      „Du weißt doch, ich spiele noch nicht einmal Lotto. Wetten kommt in meinem Kulturkreis nicht vor. Sollte für dich keine neue Information sein.“

      Remsen hielt etwas länger als normal sein Bierglas in der Hand, starrte auf den dunkelgelben Inhalt des noch halbvollen Glases. Er würde es sicher noch eine Weile länger tun, wenn die junge Kellnerin nicht mit dem Essen erschien. Das war Grund genug, das Denken einzustellen und diesen Mordshunger zu bekämpfen. Den Fall lösen kann man später immer noch.

      Unisono waren beide mit dieser Überlegung, unabhängig voneinander, einverstanden.

      Viel später saß Remsen in seinem Buick. Er war einfach zu faul, um sich eine neue CD aus seinem Fundus herauszusuchen. So musste Neil Young noch mal ran. Comes a Time passte mit der untypisch ruhigen Gangart von Crazy Horse, die nur bei ein paar Titeln auf dieser CD mit ran durften, ganz gut in seine Stimmung. Er schloss die Augen und fühlte sich in die Weiten Kanadas versetzt. Er will dahin; jetzt und nicht irgendwann. Vesberg kam ihn so klein und provinziell vor; hier wird er bestimmt niemals heimisch. Kanada; on the Road again; Wälder; Berge; Bären. Fast wäre er eingeschlafen, würde nicht jemand an die Seitenscheibe klopfen.

      Politessen, wer denn sonst.

      Er ließ die Scheibe etwas runter und fragte lächelnd mit seinem Dienstausweis in der Hand, wie spät es denn wohl sei. Noch gilt hier etwa eine dreiviertel Stunde die Regel mit der Parkgebühr, musste er sich belehren lassen. Er parke hier ja gar nicht, er wäre im Einsatz; ob man das nicht sieht? Wohl kaum, sonst hätte Sie ihn nicht geweckt und ihn an seine Abgabepflichten erinnert. Die Stadt brauche eben alle Einnahmen, auch die seinen. Sie erkenne jetzt aber und sah ein, dass beide nur ihre Arbeit machten. Freundlich verabschiedete sie sich von Remsen. Zu einer Verabredung mit ihr schaffte es Remsen nicht mehr, denn die Dame vom Ordnungsamt war bereits anderen Parksündern auf der Spur.

      Remsen parkte schon geraume Zeit vor dem L’Angelo in der Sonnenstraße. Jetzt spät am Sonnabendabend war nicht mehr viel Betrieb beim Italiener; ist ja keine typische Kneipe, in der man länger als nötig bleibt. Remsen würde dort ohnehin nur essen und im Refill sein Bier trinken. Kundoban hatte inzwischen Mails mit Bildern von Abtowiz und dem alten Weilham geschickt, sodass er eigentlich reingehen und nachfragen könnte.

      Welche Verbindung gibt es noch zwischen den beiden? Immerhin war im Auto des jungen Weilham eine Frau; offensichtlich recht hübsch. Mädchenhandel, Prostitution?? Beschaffen die Weilham's Material für Abtowiz’ Geschäfte jenseits der Sicherheit? Was läuft da noch?

      Er hatte schon im Büro von Safety Objects angerufen, aber dort niemanden am Sonnabendabend erreicht. Morgen ist auch noch ein Tag; ein Sonntag und ein arbeitsreicher dazu. Oder war es nur der Unfall, der Mord an seinen Sohn, der Weilham hat ausrasten lassen? Vermutet Weilham Abtowiz dahinter und ist er deshalb auf ihn losgegangen? Das macht man doch nicht, schon gar nicht, wenn man mit jemanden Geschäfte macht, vor allem wenn die etwas … na ja … illegal sind. Mutmaßlich. Auch wenn der eigene Sohn jetzt im Kühlfach liegt.

      Gestern Abend lief zwischen beiden irgendein Deal ab und dabei etwas ist schief gegangen. Davon war Remsen fest überzeugt. Mal sehen…

      Er stieg aus und schloss sein Auto ab. Tatsächlich, im Lokal war vor allem Personal unterwegs, räumte schon die Tische ab und begann den Raum zu säubern. Die noch wenigen Gäste sollten animiert werden, sich zu verdrücken. Jedenfalls sollten die bereits auf einigen Tischen gestellte Stühle dazu animieren. So kam es Remsen vor; so kennt er es von den Italienern; immer schön gastfreundlich, bis die Rechnung bezahlt ist. Der Chefkellner, zumindest spielte er sich Remsen gegenüber so auf, stürzte auch gleich auf ihn zu und gestikulierte wild herum.

      „Schade Signore, wir habe schon geschlossen. Cucina finito. Morgen gibt’s ganz feine Pasta mit Trüffel von Mama. Musst du kommen, habe guten Platz für dich. Und ganz feinen Wein von meine Onkel.“

      Der hört ja gar nicht mehr auf. Remsen grinste ihn an und keine Intention, hier jemals etwas zu essen oder sich mit dem Menschen ein Rededuell zu liefern. Das verliere ich doch sicher, das war Remsen mehr als klar. Also zückte er seinen Dienstausweis und deutete auf das Bild darauf und auf ihn: Das hier bin ich und ich will überhaupt nicht essen.

      „Dottore.“ So schwellt bei den Jungs gleich der Kamm; da wird jeder Italiener gleich zehn Zentimeter größer. „Gestern Abend, waren Sie da auch hier?“ Remsen stellte sich auf eine lange Rede ein, die aber recht knapp ausfiel.

      „Si, si, si. Ja, ich bin Chef hier; muss jeden Tag meine Gäste arbeiten.“

      „Erkennen Sie diese beiden hier wieder?“ Remsen deutete auf das Display seines Smartphones und zeigte dem Kellner nacheinander die Fotos der beiden. Hin und her; her und hin. Immer wieder.

      „Ja, die waren gestern da; haben ganze Menü gehabt. Weißt du Antipasti della Casa, die Beste von de Küchechef, Risotti verschieden, ganz feine Schiena di agnello und eine Flasche Nero trinken. Die beste Wein musst du wissen; trinken alle mit Schlips. Ist nicht billig, weißt du. Conti Zecca, tre Bicchieri, phantastico.“

      „Wann waren die beiden gestern hier und wie lange? Aber bitte Dottore, ich möchte nicht wissen, was sie gegessen und getrunken haben. Prego.“ Fast bettelte er um eine kurze Antwort.

      „Signore, ja feine Herren; so um 7 Uhr Abend; dahinten in der Ecke; dort am Tisch waren sie. Ja, so gegen 7 Uhr.“

      „Danke und wann sind die gegangen?“

      „Die eine Mann hat telefoniert und ist dann gegangen. Schnell ist die Mann raus. Die andere war noch langer da und hat Wein getrunken. Hat einen Grappa von mir bekommen. Die Mann. War so allein und traurig.“

      „Ok, der hier ist zuerst raus, ja?“ Remsen zeigte auf Abtowiz. Der Kellner bestätigte durch sein Nicken, dass Remsen richtig getippt hat. „Wann war das etwa, um welche Uhrzeit herum?“

      Der Kellner dachte nach und tauschte sich auf Italienisch mit einem Kollegen aus, der gerade vorbeikam. „So um 9 Uhr, oder


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