Schüchterne Gestalten. Peter Bergmann

Schüchterne Gestalten - Peter Bergmann


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geschafft. Er sollte mal einen Wettbewerb daraus machen, befand er.

      Seinen Buick Enclave liebte er über alles. Sein Monster, wie er ihn liebevoll nannte, denn darin kann er im Prinzip die ganze Mordkommission mitnehmen. Vor allem, weil er sich schon beim Kauf einen Sound nachinstallieren ließ, den wahrscheinlich noch niemand so gehört hat. Astrein, glasklar und mit jeder Menge Volumen; fast wie in einer Konzerthalle. Dieser schwarze SUV ist ohnehin ein Unikat. Nicht nur in Vesberg. Er erinnerte sich an den Papierkram, bis er das Gefährt endlich in Deutschland zulassen konnte. Es ist sein zweites Zuhause und leider einen riesengroßen Nachteil: Für Observationen ist es denkbar ungeeignet. Das hatte Remsen nicht bedacht und tauscht seinen Buick trotzdem nicht ein. Stattdessen musste er dann auf den Flottenbestand der W36 zurückgreifen.

      Der kleine Bäcker um die Ecke hatte noch auf, obwohl die am Sonnabend immer so früh zumachen. Ein unschätzbarer Vorteil, einen richtigen Bäcker in Reichweite zu haben. Remsen schätzte schon, dass einige seiner neu erworbenen Kilo auf das Konto genau dieses Bäckers gehen. Er müsste mal mit dem Meister darüber reden; müsste mal…

      „Wollen Sie auch Bohnenkaffee? So wie immer Herr Kommissar?“ Mit der freundlichen Verkäuferin war er fast schon befreundet. Denn immerhin reichte neuerdings ein Anruf und kurz danach hängt die Einkaufstüte an seiner Wohnungstür. Vielleicht gewöhnt er sich doch noch an Vesberg. Nichts ist unmöglich…

      Sein Buick steuerte fast alleine Richtung Autobahn. Noch eine Leiche. Wer oder was ist eigentlich CodeWriter?

      Die Nachrichten liefen inzwischen und berichteten von einer Straßensperre auf dem Autobahnzubringer. Seit der Nacht schon. Remsen registrierte erst nach der Nachricht die Meldung und rätselte, was der Nachrichtensprecher gesagt haben könnte. Aber er hatte eine Idee und wählte die Nummer seines Assistenten.

      „Nöthe, was haben Sie über CodeWriter herausbekommen?“ Vielleicht konnte er doch was in Erfahrung bringen. Darauf spekulierte Remsen ein wenig.

      „Ja, Chef. Das ist eine Softwarefirma. Die wird von einem Georg Weilham und einem Karl Hausmann geführt. Nichts Auffälliges. Kleines Team. Meistens in den schwarzen Zahlen. Sind wohl bei einigen Ministerien und Forschungseinrichtungen in der Gegend und deutschlandweit im Geschäft. Verkaufen Software für Sicherheitssysteme. Selbst entwickelt. Die soll wohl richtig gut sein.“

      Remsen wurde neugierig: „Sind die auch im Ausland aktiv? In Osteuropa vielleicht?“

      „Kann ich leider noch nicht sagen.“ Mit nur einer einzigen Frage war Nöthe schon wieder verunsichert.

      „War die Tote eine Angestellte von denen? Konnte die schon identifiziert werden?“ Remsen machte wie gewöhnlich Druck und verunsicherte Nöthe damit weiter.

      „Nein, noch nichts rausbekommen. Hausmann befindet sich im Jahresurlaub, ist wohl in Südamerika und Weilham ist wie jeden Sonnabend auf Selbstfindungstrip.“

      Wahrscheinlich hinter der Grenze, um seine Kondition im Bett zu testen, murmelte Remsen vor sich hin.

      „Was haben Sie gesagt?“ Nöthe wollte sich wieder fangen und vor allem Remsen beeindrucken.

      „Nichts, nichts. Nöthe. Woher wissen Sie das?“, wollten Remsen wissen.

      „Hat mir seine Frau gesagt; die vom Weilham. Wer mit dem Auto gestern Abend unterwegs war, wusste sie angeblich nicht. Vielleicht ihr Sohn.“

      „Nöthe, gute Arbeit.“, lobte Remsen. „Fahren Sie zu dieser Frau und holen Sie aus ihr alles raus, was wir wissen müssen. Ach ja Nöthe, noch was: Ich habe ich den Nachrichten von einer Straßensperre heute Nacht auf dem Autobahnzubringer gehört. Und zwar bevor wir dort waren. Das kommt mir komisch vor. Prüfen Sie das mal. Bis später.“

      Remsen stieg aus seinem Buick aus.

      „Wer ist es? Wo ist er? Todesursache?“

      Die Fragen kamen wie ein Stakkato und prasselten auf die armen Kriminaltechniker wieder. Nur auf Kundoban nicht, denn die wusste inzwischen sehr genau damit umzugehen.

      „Richten Sie sich auf eine kleine Wanderung ein. Da hinten im Wald ist die Fundstelle.“ Kundoban ging voraus.

      „Fundstelle? Gleich Tatort?“ Remsen kam mit so ungenauen Angaben einfach nicht klar.

      „In diesem Fall wohl eindeutig ja.“ Jutta Kundoban hatte recht verlässliche Informationen, dass es genau dort passiert ist.

      „Haben wir schon einen Namen, eine Idee wer es sein könnte?“ Remsen hatte immer noch den Kaffeebecher von seiner Bäckerei in der linken Hand. Obwohl der Kaffee längst kalt war, brauchte er seinen Koffeinspiegel, um klar denken zu können. Selbst wenn er kalten Kaffee nicht ausstehen konnte, kam wegwerfen nicht in Frage.

      „Kann ich ein Stück davon haben?“ Da Jutta inzwischen die kleine Tüte vom Bäcker trug, schielte sie schon mal rein. Ihr Hunger machte sie unberechenbar. Das wusste Remsen ganz genau.

      „Nur zu, ich hab schon. Und Sie ohnehin mit eingerechnet.“ Charmant wie immer erteilte er Jutta Kundoban die Erlaubnis, sich zu bedienen.

      Auf dem Weg zur Fundstelle, wie Kundoban den Ort nannte, dem sie sich inzwischen näherten, waren beide mit Essen beschäftigt. Von Reiken wollte sich Remsen nicht wieder eine Ohrfeige einholen, deshalb behielt er den inzwischen leeren Kaffeebecher bei sich und enthielt sich jeglicher Entsorgung.

      „Wie ist es passiert?“ Es war jetzt Reiken an der Reihe, Fragen zu beantworten. Nebenbei erteilte Remsen ihm kurzerhand mit der Übergabe des Kaffeebechers den Auftrag, diesen kriminalermittlungstechnisch korrekt zu entsorgen. Nach seiner Meinung die beste Lösung; für alle Beteiligten.

      „Wahrscheinlich wie immer. Typisches osteuropäisches Muster. Erst windelweich klopfen, dann ausziehen und an den Füßen aufhängen. Wie so ein Schwein, welches abgeschlachtet wird. An genau den Stellen geschickt angeschnitten, sodass das Blut möglichst schnell, nicht zu schnell, entweicht und die arme Sau übel verblutet.“

      Man sah Reiken an, dass ihn die Schilderung des mutmaßlichen Tathergangs an die Nieren ging.

      Der Tote war inzwischen abgeschnitten und lag auf einer Plane, zugedeckt.

      „Wie lange hat’s gedauert Doc?“ Remsen traf an diesem Tag schon zum zweiten Mal auf Dr. Ansbaum.

      „Würde sagen keine Stunde. Muss so kurz nach Mitternacht gewesen sein. Mehr kann ich noch nicht sagen.“ Dr. Ansbaum hatte regelrecht aufgequollene Augen und bräuchte sicherlich mehrere Tage Schlaf. Wie Remsen auch, irgendwie.

      „Ja, ja, unter Vorbehalt. Ich weiß. Sonst irgendwelche Besonderheiten?“

      „Nicht erkennbar.“ Dr. Ansbaum wollte nur noch seine Arbeit machen und dann möglichst schnell in sein geliebtes Reich, in die Pathologie. Dort fühlte er sich wohler; würde sich doch dorthin kaum jemand verirren und ihm dauernd Fragen stellen.

      „Wir haben die Hunde im Auto riechen lassen. Die haben recht schnell die Fährte aufgenommen und uns zur Leiche gebracht. Kein schöner Anblick Jan.“ Günther Reiken sah ein, dass er nicht nur heute, sondern auch noch den Sonntag wird abschreiben müssen.

      „Und heute Nacht wussten wir nicht, dass die Frau in dem Auto nicht alleine unterwegs war?“ Remsen schaute in die Runde und suchte nach jemand, der ihm eine plausible Antwort darauf gehen würde. Allerdings war nur betretenes Schweigen, was er zurückbekam.

      Dann meldete sich Reiken doch noch: „Wir werden das Auto auseinandernehmen. Irgendetwas muss zu finden sein. Den ersten Anzeichen nach waren mehr blonde Haare der Toten auf der Beifahrerseite zu finden, obwohl sie eindeutig die Fahrerin war. Meine Kollegen von der Spurensicherung sagten mir, dass sie aber mehr Schuppen und Haare vom Toten auf der Fahrerseite gefunden haben. Vielleicht haben die zwischendurch gewechselt. Keine Ahnung, wir finden das raus. Jan, das ist jetzt kein Unfall mehr. Es ist dein Fall. Viel Glück.“

      „Klarer Fall von Ablenkung.“ Jutta Kundoban hatte so einen Gedanken. „Es sollte wie ein Unfall aussehen. Man hat die Beifahrerin auf die Fahrerseite bugsiert, um mit dem Fahrer noch ein Gespräch zu führen.


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