Die Zeit Constantins des Großen. Jacob Burckhardt

Die Zeit Constantins des Großen - Jacob Burckhardt


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den Freunden seines Vaters leiten. Aber ungemein rasch entwickelte sich in ihm jener scheussliche Kaiserwahnsinn, dessen man seit Domitian nicht mehr gewohnt gewesen war. Das Bewusstsein der Herrschaft über die Welt, die Furcht vor allen, die nach dieser Herrschaft streben konnten, der Ausweg: rasch das Vorhandene zu geniessen und die unaufhörliche Sorge zu übertäuben – dies alles konnte in einem nicht ganz gut und stark geborenen Menschen sehr bald jenes Gemisch von Blutdurst und Ausschweifung hervortreiben. Den Anlass mochte ein Attentat geben, dem die eigene Familie nicht fremd war, das man aber auf den Senat schob. Kein Wunder, dass bald darauf der Gardepräfekt die erste Person im Staate, der Bürge des kaiserlichen Daseins war, wie einst unter Tiberius und Claudius, und dass die wenigen Tausende, welche er befehligte, sich mit ihm als die Herren des Reiches fühlten. Den einen, tüchtigern dieser Präfekten, den Perennis, opferte freilich Commodus einer Deputation des unwilligen britannischen Heeres auf, welche 1500 Mann stark ungehindert nach Rom gekommen war; den folgenden Präfekt, Kleander, gab er einem Hungeraufruhr des römischen Pöbels preis, allerdings nicht unverdient, weil Kleander in unbegreiflicher Habsucht nicht nur durch Konfiskationen und Ämterverkauf die höhern Klassen, sondern auch durch ein Getreidemonopol das ärmere Volk gegen sich aufgebracht hatte.

      Wenn nun der feige und grausame Fürst im Amphitheater erschien, um sich als Gott verkleidet von dem tödlich bedrohten Senat bewundern zu lassen, so konnte man wohl fragen, ob dieser »commodianische Senat« überhaupt noch den alten Namen verdiente, auch wenn er noch eine gewisse Mitregierung in den Provinzen, Ernennungsrechte, eigene Kassen und äussere Ehren besass. Auch römisch im engern Sinne durfte er kaum mehr heissen, seitdem die Mehrzahl seiner Mitglieder vielleicht nicht einmal Italier, sondern Provinzialen waren, in deren Familien die Würde sogar zeitweise erblich geworden war. Es ist leicht, sich von einem idealen Standpunkte aus über diese entwürdigte Versammlung in den strengsten Urteilen zu ergehen, zumal wenn man von dem Effekt einer dauernden Todesgefahr, die über ganzen Familien und Korporationen schwebt, sich keine klare Vorstellung zu machen vermag. Die Zeitgenossen urteilten billiger; Clodius Albinus, als er die Würde eines Caesar aus den blutigen Händen eines Commodus nicht annehmen wollte, hielt den Senat noch immer für lebensfähig genug, um öffentlich vor seinen Truppen sich für die Herstellung einer republikanischen Staatsregierung auszusprechen Hist. Aug., Clod. Alb. 13, 14.. Ob er aufrichtig redete, ist hier gleichgültig; genug dass der Senat (wie wir sehen werden) noch immer viele von den edelsten Männern jener Zeit enthielt und in schwierigen Augenblicken Kraft und Entschlossenheit zur Staatsregierung zeigte; selbst die Illusionen, in welchen wir ihn befangen finden werden, gereichen ihm nicht durchaus zur Unehre. So ist es denn auch begreiflich, dass er trotz zeitweisem Eindrängen unwürdiger Subjekte noch immer als Repräsentation, wenn nicht des Reiches, doch der römischen Gesellschaft galt und sich als den natürlichen Vorstand der sogenannten Senate oder Kurien der Provinzialstädte betrachtete Hist. Aug., Florian. 5.; ohne ihn konnte man sich noch immer kein Rom denken, auch wenn sein Wirkungskreis durch Gewaltübung anderer oft auf lange Zeit zernichtet schien Sept. Severus mit seiner Rede bei Dio Cass. 75, 8 darf uns hier nicht täuschen (vgl. unten, S. 23). So konnte der Senat der Antonine nicht aussehen, selbst nach der Zwischenregierung eines Commodus..

      Nachdem Commodus noch die Senatoren gebrandschatzt hatte, um durch ungeheure Geschenke das murrende Volk der Hauptstadt zu besänftigen, fiel er durch eine gemeine Palastverschwörung Eine gründliche Erörterung namentlich der politischen und dynastischen Fragen in dem halben Jahrhundert von Commodus abwärts s. in dem Art. Gordianus, bei Ersch und Gruber, Encycl. (von Emil Müller)..

      Das Schreckliche an den römischen Thronveränderungen lag darin, dass niemand wusste, wem die Erhebung eines neuen Kaisers eigentlich zustand. Eine Dynastie konnte sich nicht bilden, weil der Kaiserwahnsinn – das Schicksal aller nicht sehr begabten Menschen auf diesem Throne – zu periodischen Revolutionen mit Notwendigkeit hindrängte. Und selbst ohne diese letztern hätte die Kinderlosigkeit der ausschweifenden Kaiser und auch einiger der bessern eine regelmässige Erbfolge unmöglich gemacht; Adoptionen aber, wie sie schon im augusteischen Hause vorkamen, hatten nur dann Aussicht auf Beachtung, wenn der Adoptivvater sowohl als der neue Sohn die Eigenschaften besassen, um sich zu behaupten.

      Offenbar gehörte dem Senat, welcher einst dem göttlichen Augustus einen Titel der Macht nach dem andern dekretiert hatte, das grösste historische Recht zur Ernennung eines neuen Kaisers. Allein sobald die Kaiser den Senat hassten und sich einzig auf die Garden verliessen, massten diese letztern sich die Kaiserwahl an; es dauerte nicht lange, so konkurrierten auch die Heere in den Provinzen mit den Kasernen des prätorianischen Lagers zu Rom. Bald fand man hier seinen Vorteil bei kurzen Regierungen, weil sich das Geschenk an das Lager jedesmal wiederholte. Dazu rechne man die dunkle Tätigkeit entschlossner Intriganten, deren Interesse es hie und da sein mochte, zunächst einen Bewerber zu unterstützen, dessen baldigen Untergang sie voraussahen und wollten.

      In Septimius Severus (193–211) ist die Militärherrschaft zum ersten Male rein repräsentiert. Der Hochmut des Standes und Grades, den er schon als Legat an den Tag legt Hist. Aug., Sept. Sev. 2., hat etwas Unrömisches, Modernes. Wie wenig er dagegen die alte Hoheit des Senates begreifen und achten würde, konnte schon die Deputation von 100 Senatoren inne werden, welche ihn bei Terni begrüsste und die er gleich untersuchen liess, ob sie etwa Dolche bei sich führten. Die reinste Konsequenz eines Kriegsfürstentums aber befolgte er, als er die Prätorianer schimpflich entwaffnete und aus Rom jagte. Eine solche bevorzugte, verdorbene Garde mit politischen Prätentionen passte nicht in sein System. Seinem eigenen mitgebrachten Heere gab er einstweilen nur ein Fünfteil von dem verlangten Donativ. Ebenso folgerichtig benahm sich Sever im Kampfe gegen seine Mitbewerber Pescennius Niger und Clodius Albinus; er rottete ihren ganzen Anhang aus; es war ihm unbegreiflich, wie eine Anzahl Senatoren sich mit jenen in Briefwechsel hatten einlassen können und wie sogar der gesamte Senat sich hatte neutral halten mögen. »Ich bin's ja«, schreibt er an den Senat Hist. Aug., Clod. Alb. 12., »der dem römischen Volke Getreide und Öl verschafft, der für euch Kriege führt, und jetzt – welch ein Dank? . . . Ihr habt euch seit Trajans und Marc Aurels Zeiten sehr verschlechtert.« – Byzanz, wo sich die Anhänger des Pescennius über ein Jahr verteidigten, wurde, trotz seiner Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit als Grenzfeste gegen die Barbaren des Pontus, dem Boden eben gemacht und die ganze Besatzung nebst vielen Einwohnern getötet Die lange Gegenwehr der Besatzung erklärt sich nicht sowohl aus einer Anhänglichkeit an den längst umgekommenen Pescennius, als vielmehr daraus, dass die höheren Offiziere den Charakter Severs und demnach auch ihr Schicksal im Fall der Einnahme kennen mochten und auf einen Sieg des Albinus warteten. Auffallender ist die eifrige Teilnahme der Einwohnerschaft, welche zu ahnen scheint, dass ihre Stadt gar nicht hoch genug im Preise stehen könne. Die bereits gegen die Antiochener als Anhänger des Pescennius verhängte Strafe wirkte wohl erst in zweiter Linie mit.. Die Welt sollte sich ein Beispiel daran nehmen, wie es den Städten und Faktionen ergehen


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