Die Zeit Constantins des Großen. Jacob Burckhardt

Die Zeit Constantins des Großen - Jacob Burckhardt


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es den Anhängern des Albinus; Sever hatte ihre Korrespondenz in die Hände bekommen und hätte sie, wie einst der grosse Caesar die der Pompejaner, ungelesen verbrennen können. Dies wäre sehr edel, aber durchaus nicht zeitgemäss gewesen, weil es sich nicht mehr um Prinzipien und deren Amalgamierung durch persönliches Versöhnen und Gewinnen handelte, sondern um eine einfache Unterwerfung. Eine Menge Senatoren und Vornehme in und ausserhalb Rom wurden hingerichtet; vor Senat, Volk und Soldaten hielt der Kaiser Lobreden auf Commodus, gewiss nicht aus Überzeugung, sondern aus Hohn gegen den Senat.

      In Rom selber brach einmal während dieses Reichskrieges bei den Zirkusspielen ein plötzliches Jammern und Räsonieren los, welches ein Ohrenzeuge Dio Cass. 75, 4. sich nur durch göttliche Inspiration zu erklären weiss. »O Rom! Königin! Unsterbliche!« (so riefen die vielen Tausende einstimmig). »Wie lange leiden wir noch solches? Wie lange führt man noch Krieg um uns?« – Es war besser, dass sie ihre Zukunft nicht wussten.

      Als der Friede im Innern hergestellt war, wurde man inne, dass die Militärherrschaft mit der notwendigen Zutat auswärtiger Kriege sich Selbstzweck geworden war. Ihr Mittelpunkt war Sever mit seiner in die höchsten Ämter verteilten Familie, aus welcher er eine Dynastie machen wollte; nur seinen Bruder, welcher gern Mitregent geworden wäre, hielt er geflissentlich von sich ab. Das nächste Mittel zur Behauptung der Macht war die Bildung einer neuen Garde, welche mehr als viermal so stark wurde als die alte; mit einer solchen stets disponiblen Leibarmee konnte man fortan auch den Provinzialheeren ganz anders gegenüberstehen; mit ihr konnte man, wie später geschah, im Reiche herumreisen und überall morden und plündern. Die frühere Garde hatte aus Italienern, sogar vorzugsweise aus Leuten der Umgegend Roms bestanden; jetzt füllte Severus Rom mit rohen und schrecklichen Barbarengesichtern. War er mit dem Donativ sparsam gewesen, so erhöhte er dafür den Sold mehr als irgend ein anderer Kaiser; aus dem einmaligen Wegwerfen von ein paar Millionen wurde ein regelmässiges Aussaugen des Reiches zugunsten der Soldaten. Jener väterliche Rat Severs an seine Söhne mag wohl eher von den Zeitgenossen aus seiner Regierungsweise abstrahiert als wirklich von ihm ausgesprochen worden sein, lautet aber bezeichnend genug: »Seid einträchtig, macht die Soldaten reich, und verachtet alle andern« Dio Cass. 76, 15. Anders bei Zonaras 12, 10..

      Man möchte nun glauben, dass dieser Soldatenstand, so hoch geehrt und in beständigem Atem gehalten durch einen so rastlosen Feldherrn, den grössten kriegerischen Erinnerungen Roms Ehre machen musste. Allein dem war nicht so. Sever selber klagt laut genug über Verfall der Disziplin, und auf seinem grossen asiatischen Feldzuge kamen Fälle von Insubordination vor, welchen er nur mit Nachsicht und fernern Geschenken zu begegnen wusste. Konnte er wohl sich verhehlen, dass seine Neuerung nur ihn und seine Regierungszeit sicherte, während sie einem schwachen und schlechten Nachfolger, der nicht mehr gleichsam sein eigener Gardepräfekt war, den unvermeidlichen Untergang zuziehen musste? Oder war ihm dieses gleichgültig, wenn nur die Soldatenherrschaft als solche sich erhielt?

      Man darf hier wie in diesen letzten Jahrhunderten des Heidentumes überhaupt nicht übersehen, dass die Mächtigsten oft unfrei handelten, weil sie sich der Astrologie und den Vorbedeutungen fügten. So allein wird man es zum Beispiel bei dem gerechtigkeitsliebenden Sever erklären müssen, wenn er einen unvorsichtigen Frevler wie Plautian so beharrlich in der Gardepräfektur und in der engsten Verbindung mit seinem Hause festhielt. Mannigfache Superstitionen umgaben das Leben Severs von der Jugend bis zum Grabe. Da der römische Kaiserthron das grosse Los einer Lotterie geworden war, so gab es Eltern der verschiedensten Stände, welche das tägliche Leben ihrer begabteren Kinder sorgfältig beobachteten, ob nicht eine Vorbedeutung künftiger Herrschaft sich zeige; es wird Notiz davon genommen, wenn der Knabe absonderliche Verse im Munde führt, wenn Schildkröten oder junge Adler ins Haus gebracht werden, oder gar ein purpurfarbnes Taubenei, wenn Schlangen sich als Hausgenossen hervortun, Lorbeerbäume hervorspriessen und dergleichen; kommt aber ein Kind schon mit einer Krone von Schwielen um das Haupt zur Welt, braucht man von ungefähr ein Stück Purpurstoff zur Bedeckung des Neugebornen – dann ist sein künftiges Kaisertum in der Stille entschieden S. die Hist. Aug., in den meisten Biographien.. Ähnliche Befangenheit begleitete manche Kaiser ihre ganze Regierung hindurch und lenkte ihre Handlungen in einer Weise, die wir nicht mehr berechnen können. Es erweckt Mitleid, wenn der greise Severus nach seinen letzten Siegen in Britannien unruhig und zornig wird, weil ihm ein Mohr mit einem Zypressenkranz begegnet, oder weil man ihn zum Opfer in den unrechten Tempel führt und dunkelfarbige Opfertiere herbeibringt, die dem Kaiser dann bis in sein Quartier nachlaufen.

      Es bedurfte aber der Omina im Palast zu York nicht mehr; der eigne Sohn, Caracalla, stand ihm beharrlich und fast offen nach dem Leben. Mit bewusster, prinzipieller Erbarmungslosigkeit hatte Sever jeden Gedanken an Usurpation darniedergehalten; nur auf den Hochverrat des Thronfolgers war nicht gerechnet, und auch darauf nicht, dass seine Garden sich so ungescheut mit demselben einlassen würden. Es lautet wie eine schmerzliche Wahrung seines Herrscherprinzips, wenn er dem entmenschten Sohn zuflüstert: »Töte mich wenigstens nicht so, dass es alle sehen!« Zonaras XII, 10.. – Ein anderes Wort scheint er öfter wiederholt zu haben: »Alles war ich, und es hilft doch nichts.«

      Und nun bestieg das entsetzliche Scheusal, das man Caracalla zu nennen pflegt, den Kaiserthron (211– 217). Seit seinem Eintritt in das Jünglingsalter zeigte er einen bösartigen Hochmut; er rühmte sich Alexanders d. Gr. als seines Vorbildes und lobte dabei Tiberius und Sulla. Erst später, vielleicht seit der Ermordung seines Bruders Geta, kommt noch der eigentliche Kaiserwahnsinn hinzu, der Mittel und Macht des ganzen Reiches zu seinem eigenen sichern Untergang missbraucht. Seine einzige Vorsichtsmassregel, die er für genügend hielt, war die Kameradschaft mit den Soldaten, deren Anstrengungen und Lebensart er wenigstens zeitweise teilte; dass er es mit Fechtern und Wagenlenkern ebenso hielt, machte ihn überdies beim römischen Pöbel beliebt; den Bessern und Gebildeten aber brauchte er ja nicht mehr zu gefallen. – Seit dem Brudermorde, wozu die Soldaten anfangs finster blickten, ist Caracalla an diese Schmeichelei nach unten gänzlich verkauft; um der Soldaten willen bedarf er ungeheurer Konfiskationen und tötet 20 000 Menschen als Anhänger Getas, – darunter auch einen Sohn des Pertinax, während es sonst einer der bessern Züge des römischen Usurpationswesens ist, dass man die Verwandten gestürzter Kaiser meist am Leben liess. Um der Soldaten willen macht Caracalla jenen Feldzug im eigenen, völlig ruhigen Reiche, während er die Angriffe der Nachbarn abkauft. Der Massenmord von Alexandrien zeigte, wie sich der Despotismus gegen geistreiche Spöttereien zu verhalten gedenke. Die eigentliche Strafe solcher Missetaten lag (abgesehen von den Gewissensqualen, deren die Schriftsteller erwähnen) in dem wachsenden Misstrauen des Tyrannen gegen die bevorzugten Soldaten selbst; er verliess sich zuletzt, was seine engere Umgebung betraf, nur noch auf ganz barbarische Leibwachen, die nichts von römischen Dingen beurteilen konnten, auf Kelten und Sarmaten, deren Kostüm er trug, um sie sich geneigt zu halten. Den Gesandten solcher Völker pflegte er Dio Cass. 78, 6. zu sagen: wenn er etwa ermordet würde, möchten sie in Italien einfallen; Rom sei leicht zu nehmen. Und doch wurde er, man kann sagen, in der Mitte dieser Wachen niedergemacht, auf Veranstaltung solcher, die ihn aus der Welt schaffen mussten, um nicht selber durch ihn zu fallen.

      Die nächsten Kaiserernennungen mussten ganz in den Händen der übermächtigen Armee liegen. Sie erhob zuerst den einen der beiden Gardepräfekten, Macrinus, ohne zu wissen, dass dieser den Mord ihres geliebten Caracalla angestiftet. Er nahm dessen Namen an und liess ihn prächtig begraben, um jeden Verdacht von sich abzulenken; den Senat begrüsste er mit verdeckter Unverschämtheit um seine Bestätigung und erhielt nicht ohne Zögerung die einzelnen Titel der Kaisermacht. Die ersten strengen Schritte zur Zügelung des verwöhnten Heeres brachten ihm jedoch den Untergang. Zwei junge Syrer, Seitenverwandte der Antonine und des Sever, traten auf einmal an die Spitze des Reiches; es waren die ungleichen Vettern Elagabal und Alexander Severus nebst ihren Müttern Soaemias und Mammaea und ihrer gemeinsamen Grossmutter Iulia Maesa.

      Die Regierung Elagabals (218–222) ist bei allem Ekelhaften und Widersinnigen nicht ohne Interesse für die Geschichte römischer Herrschaft; diese unglaubliche Schwelgerei, dieser asiatische Götzenpomp, dieses ganz besinnungslose Leben in den Tag hinein bildet eine förmliche Reaktion gegen das bewusste Soldatenkaisertum des Sept. Severus. Dass Elagabal allen römischen Formen den Krieg erklärte, seine Mutter und Grossmutter in den Senat einführte, Tänzern, Wettrennern und Barbieren die höchsten Stellen gab und zahllose Ämter verkaufte, dies alles hätte ihn


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