Die Zeit Constantins des Großen. Jacob Burckhardt

Die Zeit Constantins des Großen - Jacob Burckhardt


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sein Verderben war das in den Soldaten erwachte Schamgefühl, welchem eine Verschwörung in der Familie selbst zugunsten des Alexander entgegenkam. Die Soldaten wissen den letztern bedroht und erzwingen von dem zitternden Elagabal eine Säuberung seines Hofstaates; darauf hält er sich schadlos, indem er den Senat aus der Stadt jagt, was demselben alle Ehre macht und darauf hindeutet, dass die Versammlung durchaus nicht aus lauter »Sklaven in der Toga« bestand, wie Elagabal sonst meinte. Endlich ermorden den letztern die Garden und erheben den Alexander Severus.

      Keiner von den vielen Imperatoren erregt so sehr die Teilnahme der Nachwelt wie dieser im Verhältnis zu seiner Gesamtumgebung unbegreifliche Mensch, ein wahrer Sanct Ludwig des Altertums. Er geht unter an dem Bestreben, von den ausgearteten Missformen des Militärdespotismus aus wieder in die Bahn der Gerechtigkeit und der Milde einzulenken. Seiner jedenfalls ausgezeichneten Mutter Mammaea mag ihr Ruhm ungeschmälert bleiben; sein Verdienst ist aber doch das grössere, weil er mit selbständigem Geiste in der begonnenen Richtung vorwärts ging und unendlich vielen Versuchungen zum Despotismus zu widerstehen vermochte, aus reinem sittlichem Willen. Vor allem finden wir eine Hochachtung des Senates, die seit Marc Aurel unerhört gewesen war, sogar des politisch längst vergessenen Ritterstandes als einer »Pflanzschule für den Senat«. Ein Senatsausschuss und dann noch ein engerer Staatsrat von sechzehn Männern haben teil an der Regierung; endlich lässt man sich keine Mühe verdriessen, gute, gewissenhafte Leute für die Verwaltung zu erziehen und die emsigste Kontrolle zu üben Welche freilich auch ihre kleinliche Seite hatte. Man sehe, Hist. Aug., Al. Sev. 27, das Projekt eines Kleidermandates.. Ungerechte, bestechliche Beamte waren das einzige, was Alexander aus der Fassung bringen konnte. In Betreff der Soldaten machte er wohl kein Hehl daraus, dass das Schicksal des Staates auf ihnen ruhe, er stattete sie prächtig aus und hielt sie gut; allein wie er sich rühmen konnte, die Steuern vermindert zu haben, so wagte er es auch, eine meuterische Legion abzudanken.

      Daneben werden freilich Dinge berichtet, welche mit diesen Lichtseiten kaum in Zusammenhang zu bringen sind. In der Armee gibt sich eine dauernde Gärung kund; die Gardepräfekten wechseln unter den gewaltsamsten Umständen; als der bedeutendste derselben, Ulpian, im Verlauf bedenklicher Unruhen ermordet wurde, musste der Kaiser es ungestraft hingehen lassen; wir erfahren bei diesem Anlass, dass Volk und Garde sich drei Tage lang in den Strassen von Rom blutig bekämpften und dass die Garde nur durch Brandstiftung die Bürger zum Frieden zwang. Die albernsten Menschen wagten als Usurpatoren gegen den trefflichen Fürsten aufzutreten; den einen, Ovinius, soll er wirklich mit ironischer Milde zum Mitregenten angenommen, ihm aber durch die Teilnahme an den Strapazen eines Feldzuges den Thron verleidet haben; ein anderer, den die Soldaten erhoben, lief ihnen davon; einen dritten, den Sklaven Uranius, musste der Kaiser, wie es scheint, bestrafen Zosim. I, 12.. Und als sollte Alexander, wie einst sein Vorbild Marc Aurel, von ganz besonderm Unglück heimgesucht sein, so entstand an der Ostgrenze ein neues kriegerisches Perserreich, das der Sassaniden, welche er nur mit zweideutigem Erfolge bekriegte; an der Rheingrenze aber waren die Germanen in drohender Bewegung. Das Gemüt des noch jugendlichen Fürsten soll sich allmählich verdüstert haben; man wollte eine Neigung zum Schätzesammeln an ihm bemerken, was etwa soviel bedeuten mag, dass die nächste Umgebung ihre Gier nach der Kriegskasse nicht mehr länger bemeistern mochte. Auf dem Feldzug am Rhein, unweit Mainz, ermordeten die Soldaten ihn und seine Mutter. Es ist ganz unnütz, auf die Motive dieser Tat, so wie sie angegeben werden, einzugehen; der Nachfolger eines Severus, Caracalla und Elagabal, wenn er alle gewalttätigen Beamten absetzen, den Soldaten Ernst zeigen und dennoch bei den gefährlichsten Anlässen Milde üben wollte, war er von vornherein einem gewaltsamen Untergang verfallen; die Verschwörung lag in der Zeit Aurel. Victor, Caes.: vitio temporum . . ., wir würden sagen: in der Luft. Alexander strebte vergebens nach Achtung in einem Jahrhundert, welches nur von Furcht wusste.

      Sein vermutlicher Mörder, Maximin, bestieg den Thron, ein thracischer Hirt, Sohn eines Goten und einer Alanin, somit gänzlicher Barbar der Abstammung und überdies der Bildung nach (235–238). Aber die Armee, welche hier selbst die letzte Rücksicht beiseite liess, bestand auch aus lauter Barbaren von der Ostgrenze, denen gar nichts daran lag, ob ihr Kandidat von Antoninen abstammte, in hohen Ämtern sich gebildet hatte, Senator gewesen war oder nicht Man vergleiche hiemit Sueton., Vespas. c. 6, wie noch im J. 69 die empörten Legionen in Aquileia ihren Kaiser nur aus der Zahl der legati consulares wählen wollen.. Dafür war Maximin achthalb Fuss hoch, riesenstark und ein Korporal, wie vielleicht im ganzen römischen Heere kein zweiter.

      Seine Herrschaft war, wenn nicht im Erfolg, so doch im Prinzip furchtbarer als die irgend eines Kaisers. Diese alte Welt mit ihren Denkmälern voll Schönheit, ihrem Leben voll Bildung reizt den Barbaren, der sich seines Ursprungs schämt, zu giftiger Wut; mit Milde hätte sich seine Usurpation ohnedies nicht behaupten lassen; Konfiskationen bedurfte er für seine Soldaten, und so geht nun der römische Kaiser auf planmässige Zernichtung römischen Wesens aus. Er selbst mochte sich in dem verhassten Rom nicht sehen lassen; seinen Sohn, der zuerst dort residieren sollte, behielt er dann doch bei sich in den Lagern am Rhein und an der Donau, von wo aus er das Reich regierte. Rom wurde mit Schrecken inne, dass eine Grenzarmee von Barbaren das Hauptquartier der Weltherrschaft sein könne, eine Armee, welche man sich dachte, wie die des Spartacus oder Athenion im Sklavenkriege. Der tiefste Grimm Maximins ging gegen alles, was vornehm, reich und gebildet war, namentlich gegen den Senat, von dem er sich verachtet glaubte und vor dessen Kurie er grosse Abbildungen seiner deutschen Siege aufstellen liess; aber auch das Volk der Hauptstadt, welches sonst der Hinrichtung des ganzen Senats würde zugesehen haben, musste durch Schmälerung der Zufuhr und Einziehung der Fonds für die öffentlichen Spiele auf das äusserste erbittert werden. Den Provinzialstädten ging es übrigens nicht besser; ihr städtisches Vermögen, wie das der einzelnen Reichen, wurde geraubt zur Bereicherung des Heeres. So nackt und unvermischt ist die Militärherrschaft im Abendlande nicht wieder aufgetreten.

      Es folgte eine Zeit unbeschreiblicher Verwirrung, deren höchstes Interesse in dem kräftigen, entschiedenen Benehmen des vielverkannten Senates Vgl. besonders Hist. Aug., Gord. 13, Pupienus 1–3 u. 10, Maximin. 23 etc. liegt. Die Verzweiflung treibt zunächst in Afrika einen Aufstand von Bauern und Soldaten hervor, an dessen Spitze man zwei angesehene Römer, die Gordiane Vater und Sohn, zwangsweise stellt. Auf diese Nachricht hin erklärt sich auch der Senat gegen Maximin; dass unwürdige Mitglieder diesen zuerst insgeheim gefassten Beschluss dem Tyrannen verraten würden, konnte man vorauswissen; höchst gewagt waren auch die brieflichen Aufforderungen zum Abfall, welche der Senat an die Provinzen erliess; man musste es darauf ankommen lassen, ob neben den Gordianen noch andere Kaiser von andern Ländern und Provinzialheeren würden erhoben werden. Die Gefahr stieg auf das höchste, als ein Kommandant in Afrika, Capellianus (der im stillen selber nach der Herrschaft strebte), im Namen Maximins den jüngern Gordian besiegte, wobei dieser umkam und sein Vater sich erhängte. Jetzt ernannte der Senat eine Kommission von zwanzig kriegskundigen Mitgliedern und proklamierte dann aus eigenem Rechte zwei Kaiser, Pupienus und Balbinus (238). Der Moment muss überaus drohend und schrecklich gewesen sein; das Volk, welches die beiden Kaiser sogleich hatte ausrufen helfen, schlug sich dann doch wieder zu den Garden, welche im Ärger über die reine Senatswahl die Hinzufügung eines dritten Kaisers oder Kronprinzen verlangten und durchsetzten, des jüngsten Gordians nämlich, eines nahen Verwandten der beiden frühern. Bei der Konfusion aller Nachrichten, welche uns zum Beispiel einen Vernichtungskampf zwischen Garden, Gladiatoren und Rekruten mitten in Rom nur mit einem Wort berichten, lässt sich kein entschiedenes Urteil über diese Krisis fällen; doch scheint der Senat ausserordentliche Haltung und Mut bewiesen zu haben, weil er seine beiden Kaiser neben dem dritten, dem Schützling der Garden, behaupten konnte, während zugleich die ganze Verteidigung gegen den heranrückenden Maximin auf seinen Schultern ruhte, und seine Kommissäre überall in den Provinzen die Rüstungen leiten mussten. Allerdings kam diesen Bemühungen entgegen der Ingrimm der Provinzialen gegen den Wüterich, so dass dieser zum Beispiel Kärnten menschenleer und ohne alle Lebensmittel vorfand und bei seinem Einzug in das öde Haemona (Laibach) Hunderte von Wölfen zur Begleitung hatte. Seine Mauretanier und Kelten waren dadurch schon sehr verstimmt, als er vor Aquileia anlangte. Als sich diese Stadt unter Anleitung zweier Senatoren lange und verzweifelt verteidigte, schlug ihn sein darbendes Heer tot, um für sich Frieden mit den neuen Kaisern zu machen.

      Ob man klug daran tat, alle oder die meisten dieser Truppen nach Rom zu führen, können wir nicht mehr entscheiden;


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