Die Zeit Constantins des Großen. Jacob Burckhardt

Die Zeit Constantins des Großen - Jacob Burckhardt


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ohne Zutun weder des Senates noch des Heeres in Tarsus als Reichsnachfolger geltend zu machen, gleich als wäre das Reich erblich, in welchem Falle doch immer die Söhne des Tacitus einen natürlichen Vorrang vor ihm gehabt hätten. Nach wenigen Wochen töteten die Soldaten auch ihn.

      Inzwischen war bereits durch reine Soldatenwahl Hist. Aug., Prob. 10. Die Wahl geschah auf freiem Felde, unter Zureden der Offiziere, welche bei den einzelnen Kompanien herumgingen. – Die Teilnahme des Probus am Untergang Florians ist weder zu bezweifeln noch klar zu ermitteln. Laut Zosim. I, 64 könnte man glauben, Probus habe bloss dessen Absetzung gewollt. der gewaltige Probus auf den Thron erhoben worden, ein Landsmann Aurelians, und von diesem wenigstens ahnungsweise zum Nachfolger designiert. Der Senat erkannte ihn ohne Widerrede an, und Probus hatte den Takt, die gewiss etwas gedrückte Stimmung der Väter durch Erteilung einiger Ehrenrechte zu versöhnen. Die Mörder des Aurelian und Tacitus liess er vor sich bringen und unter Bezeigung seiner Verachtung töten. Den Soldaten hatte er gleich bei der Wahl gesagt, sie würden in ihm keinen Schmeichler finden, und nun hielt er sein Wort. Unter harter Disziplin führte er sie zu jenen ungeheuern Siegen, welche Gallien von Germanen säuberten und 400 000 Barbaren das Leben kosteten. Wenn damit doch nicht mehr als die Erhaltung des Statusquo erreicht wurde, wenn die Grundbedingung aller Sicherheit Roms, die Unterwerfung ganz Germaniens, trotz der klaren Einsicht des Probus unerfüllt blieb, so ist dies am allerwenigsten seine Schuld. Vom Rhein und Neckar zieht er dann nach dem Orient, und seine Generale siegen im fernen Südosten. Dass Usurpatoren gegen ihn aufstanden (Saturnin, Proculus, Bonosus), kam nicht von dem Unwillen der gemeinen Soldaten gegen seine Strenge, sondern von dem verzweifelten Mutwillen der Ägypter, der Furcht der Lyoner und ihrer Partei vor einer kaiserlichen Strafe und der Angst eines Trunkenboldes wegen schwerer Nachlässigkeit im Grenzdienste. Die Herrlichkeit war jedesmal von kurzer Dauer.

      Der grosse Fürst aber, den man für einen ausschliesslichen Soldatenkaiser halten sollte, hegte ein Ideal ganz anderer Art; er wollte es dahin bringen und machte kein Hehl aus diesem Gedanken, dass nach gänzlicher Besiegung oder Schwächung der barbarischen Völker der römische Staat keiner Soldaten mehr bedürfen, dass ein Zeitalter des Friedens und der Erholung heranbrechen sollte. Die sehnsüchtige Ausmalung dieses saturnischen Jahrhunderts mag man in der Historia Augusta Prob. 20 und 23. nachsehen; genug, dass solche Reden selbst bis zu den Soldaten durchdrangen, welche bereits unwillig darüber waren, dass der Kaiser sie auch ausserhalb des Krieges durch Anlegung von Weinbergen, Kanälen und Strassen beschäftigte. In seiner Heimat, beim Kanalbau von Sirmium, töteten sie ihn, wahrscheinlich ohne Prämeditation Vgl. hiegegen Ioh. Antiochenus, Fragm. 160, wonach Carus mit einer Empörung begonnen hätte., mit baldiger Reue. Seine Familie, wie die mehrerer gestürzten Kaiser, verliess Rom, um sich in Oberitalien anzusiedeln.

      An den Senat dachte die Armee diesmal nicht; dass übrigens auch jetzt die höhern Offiziere allein wählten oder wenigstens die Wahl leiteten, möchte man daraus schliessen, dass ein furchtbar strenger Alter, der Illyrier Carus, mit dem Purpur bekleidet wurde. Zur Vollendung des sarmatischen, zur Wiederaufnahme des persischen Krieges brach er sogleich samt seinem jüngern, bessern Sohne Numerianus auf; den Wüstling Carinus machte er zum Mitregenten und gab ihm den Oberbefehl gegen die Germanen; doch soll er dieses bereut und die Ersetzung des ungeratenen Sohnes durch den tüchtigen und edeln Constantius Chlorus (den Vater Constantins) beabsichtigt haben; eine merkwürdige Emanzipation von dynastischen Gedanken, wenn sie nur besser bewiesen wäre Auf die Missetaten des Carinus in Rom bezieht sich wahrscheinlich die Klage in der V. (I.) Ekloge des Calpurnius Siculus, V. 60 ff., über Gefangenschaft und Hinrichtung vieler Senatoren und gänzliche Entwertung des Konsulates. Auch hier sehen wir in einen Abgrund hinein, ohne ihn erhellen zu können. In der letzten Ekloge wird Carin wieder vergöttert. Von einer grossen Hungersnot und von einer Brandstiftung durch die öffentlichen Arbeiter, welche die Gegend zwischen Palatin und Kapitol verheerte, wird nur mit einem Worte berichtet. Vgl. Mommsens Ausg. des Chronographen vom J. 354 in den Abh. d. K. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch., Bd. I, S. 648..

      Im Orient starben Carus und bald darauf auch Numerianus (284) unter geheimnisvollen Umständen, der letztere durch Arglist des Gardepräfekten Aper, welcher unter den Generalen der grossen Schule Hist. Aug., Prob. 22 wird dieselbe namentlich aufgezählt. nicht mit aufgezählt wird und wahrscheinlich zu einer erfolgreichen Usurpation keine weitern Mittel als seine Keckheit besass Ein Rätsel bleibt es immerhin, wie Aper den Caesar zu seinem Schwiegersohn machen und dann gleichwohl aufopfern mochte.. Als man den Tod des Caesars inne wurde, verlor Aper, wie es scheint, die Fassung und liess sich bemeistern und vor ein Kriegsgericht in Gegenwart des ganzen Heeres stellen. Nachdem hier »durch Wahl der Generale und Offiziere« einer der bedeutendsten Feldherrn, Diocletian, zum Kaiser proklamiert worden war, stürzte dieser auf den noch unverhört am Fusse des Tribunals harrenden Aper los und durchbohrte ihn. Man würde wohl mit Unrecht dem Diocletian deshalb Mitwissenschaft an Apers Verbrechen beilegen; die einfache Erklärung der auffallenden Tat liegt darin, dass einst eine Druidin in Gallien dem Diocletian das Kaisertum geweissagt hatte, wenn er einen Eber (aper) erlegen würde. Auf allen Jagden hatte er seitdem Ebern nachgestellt; jetzt riss ihn die Ungeduld hin, weil er den rechten vor sich sah.

      Es blieb noch übrig, mit Carinus um die Weltherrschaft zu streiten. Derselbe war keineswegs ohne kriegerische Begabung; einen Usurpator Iulianus scheint er unterwegs in Oberitalien (285) mit Leichtigkeit überwunden zu haben; der Krieg mit Diocletian zog sich ein halbes Jahr hin, und selbst in der Schlacht bei Margus (unweit Semendria), welche gewöhnlich als die entscheidende gilt, siegte vielleicht Carinus. Aber persönliche Feindschaft, die er sich durch seine Ausschweifungen zugezogen, kostete ihm das Leben. Dass Diocletian nun sofort von beiden Heeren anerkannt wurde, niemanden absetzte noch des Vermögens beraubte und selbst den Gardepräfekten Aristobul in seinem Amte liess, könnte man auf vorhergegangene Einverständnisse im Heere Carins beziehen, doch wollen wir es eher mit dem ältern Aurelius Victor der besondern Milde und der höhern Einsicht des neuen Kaisers und seiner Umgebung zuschreiben. Den Tod Carins selber hatte er laut seiner Beteurung nicht aus Ehrgeiz gewünscht, sondern aus Mitleid für das gemeine Wesen. Wer sonst mit so unerhörter Schonung verfuhr, dem darf man auch dieses glauben.

      Diocletian Das System seiner Adoptionen Seine Regierung

      Zweiter Abschnitt

      Die Vorbedeutungen waren erfüllt, und die Orakel hatten recht behalten, als der Sohn dalmatinischer Sklaven, die dem römischen Senator Anulinus gehört hatten, etwa neununddreissigjährig den Thron der Welt bestieg. Von ihrer Heimat, dem kleinen Dioclea unweit Cattaro, hatten Mutter und Sohn ihren Namen erhalten; nur nannte sich jetzt Diokles, »der Zeusberühmte«, den Römern zuliebe mit vollerer Endung Diocletianus Der Name bei Orelli, Insc. Lat.sel., nr. 1052: Gaius Aurelius Valerius Diocletianus. – Er war schon Statthalter von Moesia gewesen, auch einmal consul suffectus, und hatte den Carus in der hohen Stellung eines comes domesticorum in den Orient begleitet. – Vgl. Theodor Preuss, Kaiser Diocletian und seine Zeit (Leipzig 1869), S. 19 ff. Wir werden uns auf diese treffliche Monographie noch oft beziehen., ohne deshalb die Beziehung auf den höchsten der Götter aufzugeben, an welchen auch sein neuer lateinischer Beiname, Iovius, erinnert.

      Von seinen Kriegstaten, seiner Regierung und seinem so sehr bestrittenen Charakter wird weiterhin die Rede sein müssen; uns beschäftigt zunächst die ganz eigentümliche«Weise, in welcher er seine Kaisergewalt auffasst und zu sichern, zu teilen, zu vererben sucht.

      Die letzten Kaiser waren zum Teil durch gewaltsamen Tod an jeder Verfügung über die Krone verhindert worden, zum Teil hatten sie wissentlich den Generalen die Entscheidung überlassen; dass endlich Carus ohne weiteres seine Söhne als Reichserben aufgestellt hatte, war vielleicht einer der entscheidenden Gründe ihres Unterganges gewesen. Diocletian, der von seiner Gemahlin Prisca, wie es scheint, nur eine Tochter, Valeria, hatte, musste natürlich auf einen andern Ausweg denken. Vielleicht hätte er bei ruhigem Zustande des Reiches jede Entscheidung verschoben, allein die heftigsten Stürme drängten von aussen heran, und im Innern war seit Carus alles voller Usurpatoren, die eigene Regierung Diocletians im Grunde nicht ausgenommen, wenn sie auch die Anerkennung des Senates erhalten haben mochte. Wie war hier zu helfen?

      Was Diocletian tat, verrät einerseits einen hohen, durchdringenden Geist, andererseits aber erscheint es sonderbar und rätselhaft.

      Die


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