3 MÄNNER UND EIN MORDKOMPLOTT. Eberhard Weidner

3 MÄNNER UND EIN MORDKOMPLOTT - Eberhard Weidner


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sie und behielt das Fahrzeug, das sich ihr mit hoher Geschwindigkeit von hinten näherte, noch einen Moment länger im Auge, ehe sie sich losriss und wieder nach vorn sah. Gerade noch rechtzeitig, denn da kam auch schon die nächste Kurve. Mit dem anderen Auto hinter sich bremste sie nicht so stark ab, wie sie es getan hätte, wenn sie allein auf der Strecke gewesen wäre. Dennoch kam sie gut durch die Kurve. Danach ging es wieder ein Stück geradeaus weiter, sodass Lisa es wagen konnte, wieder in den Rückspiegel zu schauen.

      Sie stöhnte auf, denn der andere Wagen war schon direkt hinter ihr. Zwischen den beiden Fahrzeugen hätte kein anderes Auto mehr gepasst. Der andere musste wie ein Wahnsinniger durch die Kurve gefahren sein, um die Lücke so schnell zu schließen.

      Lisa sah wieder auf die Straße. Die nächste Kurve war noch mehrere Hundert Meter entfernt. Außerdem war die Straße an dieser Stelle breit genug, sodass zwei Autos gefahrlos nebeneinander fahren konnten.

      »Überhol doch endlich!«

      Doch als sie in den Rückspiegel sah, war der andere noch immer hinter ihr. Es handelte sich um einen schwarzen Wagen, vermutlich ein BMW. Den Fahrer konnte sie nicht erkennen, da sich der weißblaue Himmel in der Frontscheibe widerspiegelte. Sie hatte das unangenehme Gefühl, das andere Auto wäre noch näher gekommen, sodass die Entfernung zwischen ihnen nicht mehr in Metern, sondern nur noch in Zentimetern gemessen werden konnte.

      »Was soll das denn, du Idiot? Und wieso überholst du nicht?«

      Obwohl sie eigentlich gar nicht schneller fahren wollte, trat Lisa dennoch aufs Gas, um den Abstand zu vergrößern. Für einen Moment klappte das auch, doch dann fuhr auch der andere schneller und hing erneut wie eine Klette an ihr.

      Zum Glück war sie heute ausnahmsweise angeschnallt. In der Regel mochte sie es nicht, weil sie sich dabei immer so eingeengt fühlte. Doch weil Norbert sie gebeten hatte, diese Strecke zu fahren, hatte sie eine Ausnahme gemacht und den Gurt genommen. Jetzt war sie froh darüber.

      Sie fuhr noch schneller und sah nach vorn. Noch etwa zweihundert Meter bis zur Kurve.

      Was soll ich nur tun, wenn wir dort sind?, fragte sie sich panisch, denn ihrer Meinung nach fuhr sie zu schnell für die scharfe Kurve. Und wenn sie abbremste, fuhr ihr möglicherweise der Idiot hinter ihr ins Heck. Sie sah auf den Tacho und erschrak. Sie hatte gedacht, sie würden achtzig fahren. Doch laut Geschwindigkeitsanzeige hatte sie bereits über hundert Sachen drauf.

      »Das ist doch der Wahnsinn!«

      Es war nicht mehr weit bis zu dem kleinen Ort, in dem Norbert wohnte. Doch wenn der Schwachkopf hinter ihr so weitermachte, käme sie dort nie heil an.

      Sie sah wieder in den linken Seitenspiegel und atmete erleichtert auf. Der BMW war endlich zum Überholen auf die andere Spur ausgeschert und schob sich jetzt langsam neben sie. Bei der hohen Geschwindigkeit, mit der sie fuhren, hatten sie die Kurve schon beinahe erreicht.

      Lisa wollte bremsen.

      Doch bevor sie dazu kam, sah sie aus dem Augenwinkel, dass das andere Auto in ihre Richtung schwenkte, obwohl es noch immer neben ihr fuhr und sie noch nicht überholt hatte. Sie riss das Lenkrad herum, um auszuweichen, schaffte es jedoch nicht. Mit einem lauten Krachen prallte der schwere BMW seitlich in ihren Daihatsu. Der Kleinwagen hatte gegen die Masse des viel schwereren Autos keine Chance und wurde zur Seite geschleudert. Die rechten Räder kamen von der Straße ab und holperten über den schmalen Grasstreifen, der die Straße von der steilen Böschung trennte, hinter der die Felder lagen.

      Für einen Moment hatte Lisa die Hoffnung, dass der Fahrer des anderen Wagens ihr nach der unabsichtlichen Kollision Platz machen würde und sie ihr Auto wieder auf die Straße lenken könnte. Doch schon eine Sekunde später krachte der BMW erneut in ihr Auto und schob es endgültig von der Straße.

      Der Daihatsu stellte sich schräg und raste die steile Böschung hinunter. An ihrem Ende bohrte sich die vordere rechte Ecke des Fahrzeugs in die Erde des Ackers.

      Durch den Krach wurde eine Schar Krähen aufgeschreckt, die auf dem abgeernteten Feld nach Körnern gesucht hatte, und erhob sich mit einem protestierenden, vielstimmigen Krächzen in die Luft.

      Lisa schrie ebenfalls laut, als sie nach vorn geworfen wurde und in den Sicherheitsgurt fiel, der sich ruckartig spannte und in ihren Leib bohrte. Den Bruchteil eines Augenblicks später entfalteten sich mit einem lauten Knall die Airbags und pressten sie in den Sitz zurück.

      Der Wagen wurde hochgeschleudert, landete auf dem Dach und überschlug sich dann mehrmals auf dem Feld.

      Um Lisa herum herrschten nur noch infernalischer Lärm und wirbelnde, übelkeitserregende Bewegung, sodass sie sich wie in einer Waschmaschine im Schleudergang vorkam. Der Gurt hielt sie allerdings in ihrem Sitz und verhinderte, dass sie durch die Fahrgastzelle oder durch die zerschmetterten Fenster nach draußen geschleudert wurde. Von den dreieinhalb Überschlägen bekam die junge Frau allerdings nur die ersten anderthalb mit. Denn als das Auto das zweite Mal auf dem Dach landete, schlug Lisas Kopf so heftig gegen etwas, das härter und unnachgiebiger als ihr Schädelknochen war, dass die chaotische Welt um sie herum für sie augenblicklich zu existieren aufhörte.

      Nach zwei weiteren Überschlägen kam der Daihatsu völlig demoliert auf dem Dach zu liegen. Nur die vier Reifen drehten sich noch eine Weile munter weiter, bis schließlich auch sie zum Stillstand kamen. Danach war nur noch das Ticken von heißem Metall zu hören, das sich langsam abkühlte, denn das Motorengeräusch des ohne Halt davongefahrenen BMW hatte sich längst in der Ferne aufgelöst.

      Ansonsten war es für eine Weile geradezu totenstill. Und nichts bewegte sich, weder innerhalb noch außerhalb des Wracks.

      Dann kamen die Krähen zurück, die auf einem nahen Baum Zuflucht gesucht hatten, landeten rund um das zerstörte Fahrzeug und suchten wieder nach Essbarem.

      »Verdammter Mist!«

      Er wäre gern schneller gefahren, doch ausgerechnet heute hatte der Scheinwerfer seines Keeway-Motorrollers seinen Geist aufgegeben. Michi wusste nicht, ob nur die Birne defekt oder sogar ein neuer Scheinwerfer fällig war. Letzteres wäre noch ärgerlicher, denn das würde ein Loch in sein derzeit ohnehin geringes Barvermögen reißen.

      Er fuhr langsam über den schmalen Kiesweg, der an dieser Stelle durch ein dichtes Waldstück führte und eigentlich nur für Spaziergänger und Wanderer gedacht war. Hier war es besonders dunkel. Die einzige Orientierungshilfe bot ein schmaler Streifen Nachthimmel über ihm, der nur geringfügig heller war als die Baumkronen rechts und links, weil der sichelförmige Mond sich hinter eine dichte Wolkendecke zurückgezogen hatte. Wenigstens kannte Michi den Weg, sonst hätte er auf diesem Teil seines Heimwegs noch langsamer fahren oder den Motorroller vielleicht sogar schieben müssen. Er hoffte nur, dass nicht plötzlich ein Reh oder Wildschwein vor ihm auf dem Weg stand, denn wenn er das Tier zu Gesicht bekäme, wäre es zu spät, um den Roller noch rechtzeitig anzuhalten.

      Seine Mutter würde toben. Wahrscheinlich hatte sie schon unzählige Male versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen. Da er jedoch keine Lust hatte, sich ihre Tirade anzuhören, hatte er es ausgeschaltet. Wenn er nach Hause kam, würde er sich ohnehin einiges anhören müssen. Es reichte also, wenn er ihre Schimpfkanonade einmal über sich ergehen ließ.

      Dabei hatte er heute gar nicht vorgehabt, so lange bei seinem besten Freund Max zu bleiben, weil er noch Hausaufgaben – ausgerechnet in seinem »Lieblingsfach« Mathe – machen und ein paar Seiten in diesem blöden Kannibale und Liebe, oder wie der Schinken hieß, lesen musste. Er fragte sich jedes Mal, wieso dieser Schiller nicht so hatte schreiben können, dass auch ein normaler Fünfzehnjähriger verstand, worum es ging. Aber dann hatten Max und er noch eine Runde FIFA 15 gespielt und noch eine und … Na ja, irgendwie hatte er die Zeit vergessen, und als er dann doch einmal auf die Uhr gesehen hatte, war es später als gedacht und draußen schon dunkel gewesen.

      Michi bremste vorsichtig, um auf dem lockeren Kies nicht die Kontrolle zu verlieren, denn in wenigen Metern musste eine Kurve kommen. Es fehlte ihm gerade noch, dass er jetzt zu allem Überfluss auch noch seinen Roller schrottete. Er hatte zu lange darauf gespart und konnte sich momentan keine größeren Reparaturen


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