Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch. Georg Schweinfurth
Endlich kam man überein, den Betrag für sämtliche Editionen auf 2.000 Pfd. Sterling festzusetzen. Freunde hatten bereits geglaubt, mir verlockende Aussichten auf deutschen Verlag eröffnen zu können. Ich erinnere mich wohl, wie Robert Hartmann mir von einem deutschen Verlag gesprochen hatte und von 600 Talern (oder waren es 800?), die sein Angebot seien. Nun stand ich einer ganz neuen Verlockung gegenüber, die mir zunächst phantastisch erschien. Aber es ging alles leichter, als ich gedacht, und es blieb bei der geforderten Summe. Die Antwort aus London traf bald ein und war zunächst in sehr entgegenkommender Weise an mich gerichtet. Herr Marston hatte sich offenbar bei den Londoner Botanikern über das „Vorleben“ des unbekannten Reisenden erkundigt. Es machte auf mich einen drolligen Eindruck, wenn er gar leichten Herzens Zutrauen zu meinen Leistungen zu bekunden schien, indem er sich auf ein aus so fremdem Lager abgegebenes Urteil stützte: – „Wenn Sie bei Schilderungen ihrer Reisen dieselbe Gewandtheit („the same facilities“) an den Tag legen, wie in der Botanik, so entsprechen Sie dem, was ich brauche“, hatte er geschrieben. Von meinen so umfangreichen Reiseberichten (seit 1864) in verschiedenen geographischen und naturhistorischen Zeitschriften – weil für den englischen Leser als nicht vorhanden betrachtet – nahm Mr. Marston nicht die geringste Notiz. Unnötigerweise hatte ich mir darüber Sorge gemacht und befürchtet, sie könnten dem Wert der englischen Veröffentlichung zum Schaden gereichen, dem Reiz der Neuheit Abbruch tun. Davon war bei den Verhandlungen keine Rede, man hielt sich in England nicht mit Nebensachen auf und verzichtete auf kleinliche Bemäkelung.
Was mir zur Empfehlung bei dem englischen Verleger sehr zustatten kam, war der Umstand, dass vor kurzem mein Name, allerdings bei einer mir ganz fremden Angelegenheit, in den englischen Zeitungen und in Verbindung mit Afrika rühmend erwähnt worden war. Die Times hatte einen zwei Spalten langen Artikel von Justus v. Liebig (1. Oktober 1872) gebracht, in dem ich als Zeuge für den Nährwert des Fleischextraktes angerufen wurde. Diesem waren bereits damals direkt nährende Eigenschaften in Abrede gestellt und nur anregende oder reizende zuerkannt worden. Jener erste Vortrag, den ich nach meiner Rückkehr in Deutschland über die Reisen 1868 bis 1871 zu halten hatte, fand vor der Geographischen Gesellschaft zu München, und zwar im Hörsaal des chemischen Laboratoriums statt. Unter den Zuhörern befand sich auch der Freiherr von Liebig. In dem Vortrage war unter anderem erzählt worden, wie ich im Lande der Niamniam aus dem Fleisch zweier am gleichen Tage erlegter Antilopen durch Zerhacken, Kochen, Filtrieren und schließliches Verdicken, durch Eindampfen mir einen Vorrat von zwei Flaschen sehr wohlschmeckendem Fleischextrakt herzustellen gewusst und wie dieser bei bald darauf eintretendem schlimmen Nahrungsmangel zu meiner Ernährung wesentlich beigetragen habe. Am folgenden Morgen, als ich den Botanischen Garten besuchte, wurde mir dort vom Inspektor der große Chemiker selbst vorgestellt. Er hatte mich offenbar erwartet, um mir zu sagen, dass ihn meine Mitteilungen über den selbstbereiteten Fleischextrakt und dessen erprobten Nährwert in hohem Grade interessiert hätten, und um nun daran die Frage zu knüpfen, ob ich wohl gestatten würde, dass er darüber in den Blättern berichte. So wäscht bei der Verkettung von Verdienst und Glück oft eine Hand die andere!
Justus von Liebig – 1803 – 1873
Es darf nicht wundernehmen, dass ich in der Folge von Freunden und Bekannten gelegentlich manches Wort des Tadels zu hören bekam, weil ich mich zur Veröffentlichung des Reiseberichtes zunächst an das Ausland gewandt hatte. Zu meiner Entschuldigung brauchte ich nur anzuführen, dass daraus weder der Wissenschaft Nachteil erwachsen, noch das Ansehen der deutschen Forschung in der Welt verringert worden ist.
Die große goldene Stiftermedaille der Londoner Geographischen Gesellschaft wurde mir nach dem Erscheinen meines „Im Herzen von Afrika“ für dieses Werk zuerkannt, wie die Begleiturkunde besagt, nachdem vor ihr die langjährigen botanischen Forschungen im Nilgebiet, die Feststellung der südwestlichen Begrenzung des Nilbeckens und die Entdeckung des Uelle jenseits dieser Wasserscheide, dann auch die Auffindung und Beschreibung des Zwergvolkes der Akka, als Bestätigung der alten Pygmäensage, unter den verdienstlichen Momenten namhaft gemacht worden waren.
Pygmäe
Außer den englischen in London und in Neuyork erschienenen Ausgaben meines Reisewerks sind auch italienische und namentlich mehrere französische Ausgaben der Öffentlichkeit übergeben worden. Als Kuriosum darf wohl auch die türkische Übersetzung angeführt werden, die in einem starken und illustrierten Band zu Konstantinopel erschien. Die erste deutsche Ausgabe von 1874 in zwei Bänden war bald vergriffen und ich musste später (1878) eine etwas gekürzte zweite in einem Bande zurechtmachen.
In den vier ersten Monaten des Jahres 1874 befand ich mich wieder auf Reisen in Afrika. Ich hatte zum Gegenstand meiner Forschungen die große Oase von el Chargeh gewählt und traf dort auf ihrem Rückzuge mit der von Gerhard Rohlfs zur Erforschung der Libyschen Wüste geleiteten Expedition zusammen.
Gerhard Rohlfs – 1831- 1896
Im August desselben Jahres beteiligte ich mich an der in Belfast abgehaltenen Tagung der British Association, wo ich über die besuchte Oase einen Vortrag hielt.
Heinrich Brugsch – 1827 – 1894
Auf Vorschlag von Heinrich Brugsch hatte mich der Khedive Ismail, laut Dekret vom 19. Mai 1875, mit der Gründung einer geographischen Gesellschaft in Kairo beauftragt, die ich am 2. Juni eröffnete, und die noch heute besteht. Ich blieb aber nur ein Jahr Vorsitzender dieser Gesellschaft und widmete mich, nachdem ich sie bei dem im August 1875 zu Paris abgehaltenen Kongress vertreten, dann eingehend der botanischen und geologischen Erforschung der östlichen Wüste, zu der ich im Frühjahr 1876 den ersten Streifzug, diesen in Gesellschaft von Paul Güßfeldt, ins Werk setzte. Ich habe in diesem Gebiet, mit Kamelen der Maase-Araber (gewöhnlich 12 an Zahl) 10 größere Reisen zur Ausführung gebracht und an Wegstrecke viele Tausende von Kilometern zurückgelegt. Zu der Kostenbestreitung hat mir das preußische Kultusministerium immer beträchtliche Unterstützung gewährt.
Auch im Westen des Niltals unternahm ich ausgedehnte Streifzüge. Viele Karten (30 Stück) entwarf ich von den durchreisten Länderstrecken, die bisher nicht aufgenommen worden waren, und die namentlich im Gebiet der östlichen Wüste zwischen 30° und 26° n. Br. noch als Terra incognita gelten konnten.
Kamel-Karawane – Foto: Sergey Pesterev
Dreizehn Jahre lebte ich als Privatgelehrter in Kairo ansässig und beschäftigte mich vorwiegend mit botanischen Studien. Ein großes Herbarium afrikanischer Pflanzen wurde in meiner Wohnung aufgestellt. Zusammen mit meinem alten Freunde Paul Ascherson, der fünfmal Ägypten besuchte, veröffentlichte ich 1887 im Bande II der Mémoires de l'Institut Egyptien eine Übersicht über die Flora von Ägypten, der 1889 noch ein Nachtrag beigefügt wurde.
Die geologischen und paläontologischen Ergebnisse meiner ägyptischen Streifzüge wurden dem für diese Fächer in Berlin vorhandenen Institut einverleibt, wo sie noch heute 14 Schränke füllen. Blankenhorn hat sie zum Teil auch in seiner 1921 erschienenen, alles Wissen vom Lande erschöpfenden Geologie von Ägypten verwertet.
Im Januar 1876 ist mir vom sächsischen Unterrichtsminister v. Gerber die Berufung auf den Lehrstuhl der Geographie an der Universität Leipzig angetragen worden. Ich war aber nicht gewillt, meine ägyptischen Forschungspläne nach Versuchen von so kurzer Dauer aufzugeben.
Im September 1876 war ich in Brüssel als Gast des Königs Leopold II. und als Mitglied der von ihm zusammenberufenen Afrika-Konferenz, die man als den Vorboten, ja als den ersten Akt der vom König mit so sicherem Zielbewusstsein ins Werk gesetzten Gründung des Kongo-Staats betrachten kann. Unter den 22 Teilnehmern befanden sich noch vier andere Deutsche: Oscar Lenz, Gustav Nachtigal, Ferdinand von Richthofen und Gerhard Rohlfs.