Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch. Georg Schweinfurth

Georg Schweinfurth: Afrikanisches Skizzenbuch - Georg  Schweinfurth


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Dibs zu heulen beginnen, so geschieht es in der Regel a tempo und so unerwartet und plötzlich, dass der Reisende erst nach geraumer Zeit sich des täuschenden Eindrucks zu entschlagen vermag, als wären es wehklagende Kinderstimmen, die er vernimmt. Oft bin ich in solchem Falle erschrocken ins Freie geeilt, um die Ursache des Geschreies zu erfahren; das bald darauf einfallende Hundegebell musste mich immer wieder von neuem meines Irrtums belehren. In langgezogenen herzzerreißenden Tönen erscholl da ihr von Hunger und Brotneid eingegebenes Jammergeschrei; dazu gesellte sich noch der nächtliche Ruf des Käuzchens, welches überall im alten Gemäuer zu Hause ist, der Stimme eines alten Weibes nicht unähnlich. Die übrigen Räuber verrieten durch keinen Laut ihre den Taubenhäusern und Hühnerhöfen so gefährliche Nähe. Schweigsam schlichen sie ihre bedächtigen Wege.

      Die Stimme des Wüstenfuchses habe ich nur in meinen eigenen Mauern zu hören bekommen, obgleich dieses Tier an Menge alle die Stammesgenossen in der Oase bei weitem übertrifft und stellenweise der Sandboden von seinen Fährten wimmelt, als wäre eine Hammelherde darüber weggezogen.

       Der Wüstenfuchs ist im südlichen Algier und Marokko ebenso häufig wie in der Libyschen Wüste, welche er in ihrer ganzen Ausdehnung von den Toren Alexandriens bis nach Kordofan hinein, von Dongola bis nach Fezzan zu bewohnen scheint. Der Name Fennek war indes in der Großen Oase unbekannt; die Eingeborenen pflegten die Wüstenfüchse schlechtweg als „Hossenat“, das heißt Füchse zu bezeichnen. Da ich kein Verfahren kannte, die letztgenannten Tiere lebendig einzufangen, dieselben aber seit langer Zeit ein besonderes Bedürfnis des Berliner Zoologischen Gartens bildeten, so forderte ich die Einwohner durch verlockende Angebote zu ihrem Fange auf. Es waren kaum vierzehn Tage verstrichen, als ich mich auch schon im Besitze von drei Dutzend dieser reizenden Geschöpfe befand, und immer neue wurden mir zugetragen – der Vorrat schien in der Tat unerschöpflich.

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      Fennek – Wüstenfuchs

       Weil ich nicht Ketten und Käfige genug zur Hand hatte, um die Füchse alle festzumachen, so entwich mir der größte Teil derselben in ganz kurzer Zeit; andere verendeten durch allerhand Unfälle, durch Erwürgen, durch herabfallende Steine in der Ruine, die mir als Herberge diente; der Ersatz wäre immer wieder aufs leichteste zu beschaffen gewesen. Den Fennek-Fang hatten die Knaben der Oase für sich allein in Anspruch genommen. Wo man zwischen den Sanddünen oder den Kalkfelsen nur hinblicken wollte, überall begegnete man den kleinen aus Gras und Stroh errichteten Hütten, welche die Knaben im Umkreise des Ortes als Fallen aufgestellt hatten. Als Köder bedienten sie sich der Datteln, der Lieblingsspeise des Wüstenfuchses, welche er jeder anderen Kost vorzieht. Die einen Fuß hohen, schoberartig zusammengebundenen Hüttchen hatten unten am Boden eine runde, knapp der Kopfbreite des Tieres entsprechende Öffnung, und in dieser hing maskiert die verhängnisvolle Schlinge von schwachem Palmbaststricke. Wenn nun der Fennek zu den auf dem Boden des Hüttchens frei daliegenden Datteln hineinschlüpfen wollte, zog er sich selbst die Schlinge um den Hals. Ein Knoten am Stricke, in dem seiner Halsweite entsprechenden Abstande angebracht, hielt die Schlinge geeignetenorts auf und schützte den Gefangenen vor dem Erwürgtwerden, und ein der Länge nach durchbohrtes Stück Holz, durch welches der Strick gezogen war, den im Bereiche seiner Zähne befindlichen Teil des letzteren vor dem Zernagtwerden. So fand man des Morgens die hoffnungslos am Strick zappelnden Wüstenfüchse, wenn sie nicht inzwischen von einem größeren Räuber verzehrt worden waren. In der Regel kann man annehmen, dass das feine Gebiss der Fenneks einem etwa fingerdicken Stricke nichts anzuhaben vermag, in der ersten Überraschung und Verzweiflung aber versucht das Tier jedenfalls alles Mögliche sich zu befreien, sollte sogar dazu eine Selbstverstümmelung verhelfen. Der erste Fennek, der meinen Fallen zum Opfer fiel, sich aber später befreite – es war ein gewöhnliches Teller- oder Mardereisen – hinterließ in derselben die abgebrochene Spitze seines Unterkiefers mit den sechs Zähnen.

      Sehr auffällig erschien es mir, wie die gefangenen Fenneks ihre ursprünglichen Sitten ablegten und die gewohnten Laute einstellten. Mit Recht legt daher auch Brehm, der unerreichte Darsteller des Lebens der Tiere, nur geringen Wert auf die Beobachtung der Lebensgewohnheiten im nichtfreien Zustande. In der ersten Zeit hatte ich meine Gefangenen, an Messingketten gefesselt, in allen Ecken und Winkeln der von mir bewohnten Ruine untergebracht. So unbändig sie sich in ihrem gegenseitigen Verhalten auch anfangs gebärdeten, ebenso geduldig und schweigsam wurden sie nach Verlauf weniger Tage. In Wut geraten, was jedes Mal bei Annäherung des Menschen geschieht kläffen sie wie ganz kleine junge Hunde und unter lebhaftem Vorschnellen des Kopfes stoßen sie schnell hintereinander ihr „Kack, Kack, Kack“ aus, Laute, welche sie noch in der späteren Gefangenschaft beibehalten.

       Doch wenden wir uns zur Betrachtung der reizenden Gestalt dieses das Auge eines jeden Naturfreundes mit Entzücken erfüllenden Wüstenkindes selbst! Zunächst fesselt den Blick des Beschauers das ausdrucksvolle Köpfchen mit den großen strahlenden Augen, mit dem fein zugespitzten und von langen Schnurren besetzten Schnäuzchen und den immensen Ohren. Stets kläffend und in Wut, sobald man sich ihm Auge in Auge genähert, bezaubert uns schon die Lebhaftigkeit im Ausdruck des gleichsam voll Schadenfreude ob vollbrachter Bosheit frohlockenden Gesichts des niedlichen Tieres; man kann ihm nicht gram werden, dem kleinen Bösewicht; man fühlt sich da wie einem schönen Kinde gegenüber, dessen Reize die Wut ausgelassener Unart erhöht.

      Abgesehen von den großen, ihm ein so abenteuerliches, fast fledermausartiges Aussehen erteilenden Lauschern, deren Länge von der Wurzel bis zur Spitze genau der Totallänge des Kopfes gleichkommt, und den besonders zierlichen, fein bepfoteten Füßchen, scheint der Fennek in keinem wesentlichen Stücke vom Gattungscharakter des Fuchses abzuweichen. Seine ganze Länge erreicht kaum zwei Fuß, und davon gehen acht Zoll für die Standarte ab. Die oben an der Basis des Schwanzes bei allen Füchsen vorhandene Drüse, die sogenannte Viole, duftet beim Fennek nach Rosen und ist durch einen schwarzen Schattenring markiert. Viele Naturforscher haben in der ovalen Gestalt der Pupille einen Unterschied von den übrigen Füchsen nachzuweisen gesucht. Der Berliner Zoologische Garten gab nach genauer Untersuchung der Fenneks sein Urteil dahin ab, dass ihre Augen, wenn man sie dem Sonnenlicht aussetzt, eine ebenso spaltförmige Pupille erkennen lassen, wie die des Fuchses, nur sei die kastanienbraune Iris nicht am Rande, sondern gegen die Mitte zu tiefer gebräunt, wodurch der Eindruck einer rundlichen Pupille hervorgerufen werde.

       Die Färbung des Fennek-Balges ist in ihren Nuancen ebenso zart wie die feine Gliederung der feinen Gestalt. Strohgelblich, etwas ockerig auf der ganzen Oberseite, Kopf und Lauscher mit inbegriffen, spielt sie mehr oder minder in jene frische Sandfarbe hinüber, die man isabellgelb nennt; die Beine, sowie die ganze Unterseite des Körpers, mit Ausnahme der Standarte, sind vom reinsten Weiß. Jüngere, nicht die älteren, Individuen sind am ganzen Körper um mehrere Schatten heller, fast weißlich. Der Balg ist wie von Seide und füllt sich zur Winterzeit mit dichtem Wollhaar, wodurch das Fleckige und Buschige des Pelzes noch mehr in die Augen tritt. In manchen Gegenden nennen die Araber daher auch den Fennek „Abu Ssuf“, d. h. Vater der Wolle. „Alles, was aus der Wüste kommt,“ sagt der Araber, „ist zierlich und nett“, nichts aber in der Welt gibt uns eine Vorstellung von jener Zartheit und Reinheit eines frisch eingefangenen Fennek, es sei denn, dass sich der Vergleich an kunstvoll gewaschene Straußenfedern halte oder an den leichten Flaum des Marabu. Diesem weichlichen Kleide entspricht auch der hohe Grad von Empfindlichkeit, welchen das Tier gegen Kälte äußert. Nach besonders kalten und stürmischen Winternächten fehlte auf den vom Nordwinde frischgefegten Sandflächen jegliche Fennek-Spur; das Tier hungert lieber in den warmen Löchern, die es sich nach Art der Füchse gräbt, als dass es seinen zarten Körper der Unbill des Wetters preisgäbe.

      Sehr mannigfaltig ist, je nach der Jahreszeit, die Nahrung des Fennek. In der eigentlichen Wüste sind es zunächst die Eidechsen, welche sich fast überall aufspüren lassen und vom Fennek stets mit großer Gier gefressen werden. Von mehr lokaler Verbreitung sind die eigentlich als die Basis der Fennek-Existenz anzusehenden Wüstenmäuse. Gelegentlich bietet sich dem Fennek ein besonders fetter Bissen in den Flughühnern und Wüstenlerchen, wenn er ihren nächtlichen Ruheplatz zu erspähen vermag; dazu kommt noch das ganze Heer von Zugvögeln, deren Auswurfstoffe ja gewiss auch, wie die der Kamele auf der Heerstraße, einen bedeutenden Zuschuss zum Haushalte der niederen Wüstentierwelt liefern mögen, ein Umstand, welcher,


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