LUME - Wo das Licht den Schnee berührt. Gabriella Gruber

LUME - Wo das Licht den Schnee berührt - Gabriella Gruber


Скачать книгу
kräftig in seine Semmel beißt. Leberkäse mit Essiggurkenscheiben. Na ja, solange es ihm schmeckt ...

      Ich schaue auf, insgeheim auf der Suche nach dem unbekannten Mädchen von heute Morgen. Ich konnte mich während der ersten Unterrichtsstunden kaum konzentrieren. Sie spukte ständig in meinem Kopf herum. So etwas hatte ich noch nie.

      „Was‘n los? Du bist plötzlich so still?“, sagt Markus kauend. Ich musste mich echt anstrengen, um ihn zwischen dem Geschmatze auch zu verstehen.

      „Nichts“, antworte ich nur, wende mich von ihm ab und schaue weiter in die Runde.

      Vielleicht steht sie ja wieder auf dem Gang und hofft, mich zu sehen? Oder ich bin ihr gar nicht aufgefallen, immerhin hatte sie sich sehr schnell wieder von mir weggedreht und ist gegangen.

      „Erde an Lukas! Hallooooo?“, Markus steht direkt vor mir und fuchtelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum, die andere hält das letzte Viertel seiner Semmel fest. Die Brösel fliegen ihm nur so aus dem Mund, während er spricht. „Suchst du wen?“

      „Nö. Wie kommst da drauf?“, ich tue so, als wüsste ich nicht, von was er redet.

      „Ach, nur so eine Vermutung“, antwortet er.

      Dann plötzlich entdecke ich sie, zumindest glaube ich das. Ich sehe nur ein Mädchen mit langen braunen Haaren. Aus der Ferne von dieser Perspektive aus kaum möglich festzustellen, ob sie es auch wirklich ist.

      Nach ein paar Schritten an der Hauswand entlang, dreht sie sich um und ich entdecke ein mir vertrautes Gesicht. Nein, das ist nicht die Neue. Nur ein Mädchen aus der damaligen elften, jetzt zwölften Klasse. Lilly heißt sie, glaube ich. Markus hatte mal von ihr geschwärmt, daher weiß ich das noch. Aber Markus schwärmt jeden Tag von einer anderen. Mir ist wahrscheinlich nur ihr Name wieder eingefallen, weil sie eine der wenigen Braunhaarigen auf seiner Liste war.

      Melissa Ich beschließe, in der Pause erstmal hierzubleiben. Mich juckt es zwar in den Zehenspitzen, ihn draußen suchen zu gehen, aber ich bleibe vorerst hier. Ich muss mich erstmal hier im Klassenzimmer zurechtfinden, bevor ich mich auf dem Weg zum Pausenverkauf verlaufe. Eigentlich ist dieser ja nicht zu übersehen, man müsste schließlich nur den Schülerschlangen folgen, jedoch hasse ich Menschenmassen.

      Wie gern würde ich mal auf Konzerte meiner Lieblingsbands gehen, aber die vielen Menschen machen mir Angst. Vor allem, wenn ich da alleine hingehen muss. Meine Eltern mögen sowas nicht und meine kleine Schwester ist als Begleitung auch noch viel zu jung. Freunde habe ich keine. Zumindest sind meine einzigen Freunde Bekanntschaften aus dem Internet und die wohnen alle weiter weg.

      „Hi! Ich bin Eva Maria!“

      Ich sehe nach links, wo das Mädchen steht, das mich gerade angesprochen hat. Sie ist etwa so groß wie ich, hat eine schlanke Figur und lange rot-blonde lockige Haare. Da kann man ja richtig neidisch werden!

      „Hi, ich bin Melissa“, stelle ich mich ihr vor.

      „Freut mich, dich kennenzulernen, Melissa! Darf ich?“

      Ich lächle und kann mein Glück kaum fassen. Es ist mein erstes ehrliches Lächeln an dieser Schule oder soll ich sagen, je an einer Schule?

      „Klar, setz‘ dich ruhig.“

       2. Kapitel

      Lukas „Heute ist ein guter Tag!“, ruft Markus erfreut und wirft seinen Arm um meine Schulter.

      „Ja? Was macht dich da so sicher?“

      Wir stehen wieder an der Bushaltestelle. Der Schultag gestern war noch ganz interessant, aber ich habe die Hälfte davon kaum mitbekommen, weil momentan in meinem Kopf zwei Themen um meine Aufmerksamkeit kämpfen: mein Bewerbungsgespräch und das neue Mädchen.

      „Ich weiß das, weil du die ganze Zeit schon so abwesend bist! Sag‘ schon! Wer ist es?“

      Ich schnaube belustigt.

      „Hihi, ich wusste, dass ein Mädchen im Spiel ist! Lilly, habe ich recht? Du hast ihr gestern so fasziniert nachgestarrt.“

      „Nein, es ist nicht Lilly. Sie hatte nur den Zufall auf ihrer Seite, jemandem ähnlich zu sehen.“

      „Ooooooh! Wem denn?“

      „Geht dich nichts an“, antworte ich nur, schon fast etwas eingeschnappt. Ich möchte die Sache selber in die Hand nehmen. Wenn ich Markus einweihe, kann ich das Mädchen gleich wieder von meiner Wunschliste streichen. Sonst wird das so peinlich, dass ich es nicht mehr übers Herz bringe, ihr in ihre wunderschönen blauen Augen zu sehen.

      „Och, Mensch. Immer wenn‘s interessant wird, blockst du ab.“

      „Ich will‘s nicht vermasseln.“

      „Dann brauchst du mich!“

      „Ich denke gar nicht daran!“

      „Na schön. Ich finde auch so heraus, wer sie ist!“

      Ich seufze. Das kann ja heiter werden.

      Melissa Heute ist Mittwoch, der zweite Schultag. Gestern habe ich Eva Maria kennengelernt. Sie ist total nett und wir haben beschlossen, uns nebeneinanderzusetzen. Ich habe endlich Hoffnung, tatsächlich mal eine Freundin zu finden.

      Als ich kurz vor dem Unterricht noch durch den Gang schlendere, an einer großen Pinnwand vorbei, kommt die Erinnerung an gestern wieder zurück. Eigentlich war dieser Gedanke den ganzen Tag schon da. Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht sehe ich ihn heute ja wieder? Aber ihn anzusprechen, traue ich mich nicht.

      Als ich auf der Pinnwand die ausgehängten Infoblätter studiere, fällt mir der Gebäudeplan auf. Er sieht so ganz anders aus als der von gestern. Es ist auch ein ganz anderer! Als Überschrift über dem Plan an der Pinnwand steht „Nach dem Umbau“. Ich glaube, ich habe mir den falschen Orientierungsplan aus dem Internet ausgedruckt! Jetzt ist mir alles klar.

      „Hi!“ Eva Maria mit ihrer Löwenmähne ist da.

      „Hey!“, begrüße ich sie.

      Lukas 08:15 Uhr. Die Zeit schleicht ... und schleicht. Obwohl es eigentlich spannend sein sollte, immerhin haben wir unsere erste Englischstunde des Jahres. Doch irgendwie kann ich mich für mein Lieblingsfach gerade nicht begeistern. Ich bin zu abgelenkt.

      Mir ist das noch nie passiert, bei keinem Mädchen. Ich muss sie heute einfach wiedersehen! Entweder fällt mir dann irgendwas Hässliches bei ihr auf, damit ich sie vergessen kann, oder wir tauschen Handynummern aus. Noch nie in meinem Leben war mein Verlangen so groß, jemanden kennenzulernen. Ich fühle mich seit unserer ersten Begegnung irgendwie anders. Besser.

      Melissa „Kommst du mit zum Pausenverkauf?“, Eva Maria lächelt mich fragend und voller Elan an.

      Ich denke nach: Pausenverkauf bedeutet, viele Leute auf einem Fleck. Andererseits steigen so die Chancen, dass ich ihn wieder treffe. Überredet.

      Wir schlendern los, eine Treppe hoch und dann einen breiten Gang entlang. Die weißen Türen mit den schwarzen Griffen sind alle geschlossen.

      „Freut mich, dass du mich begleitest“, sagt Eva Maria plötzlich und wechselt die Hand, die ihren Geldbeutel halten soll.

      „Gerne“, antworte ich ehrlich und betrachte ihr Portmonee mit einem Löwenmotiv, das optisch sehr gut zu ihr passt.

      Dann fällt mein Blick wieder zum Gang und schließlich auf die Schilder neben den Türen. Überall kann ich eine „13“ erkennen. Das müssen dann wohl die Klassenzimmer der 13er sein. Ich schaue auf eine weitere Quarzuhr an der Wand. Diese Art von Uhr gehört hier wohl in jedem Gang zur Grundausstattung. In drei Minuten werden sich alle Pforten hier öffnen und die Schüler werden zur Verkaufsstelle und zur Toilette rasen. Hoffentlich sind wir bis dahin weg von hier.


Скачать книгу