Homunkulus Rex. S. G. Felix
geben Sie den Becher her. Soll ich direkt vor Ihnen da reinpinkeln?«
»Sie können ins Bad gehen. Seien Sie bitte nicht wütend. Wir machen nur unsere Arbeit. Mein Kollege bereitet derweil die Blutabnahme vor.«
Robert2 ging verärgert ins Bad und schloss die Tür.
»Bitte nicht abschließen. Aus Sicherheitsgründen, Sie verstehen?«, rief Marc ihm hinterher.
»Keine Sorge, ich werde nicht weglaufen!«, tönte Robert2 zurück.
Nachdem die Tür zu war, zerrte er, ohne einen Laut zu machen, Robert aus der Nische hervor. Sie konnten nicht riskieren zu reden, geschweige denn zu flüstern. Er drückte ihm den Becher in die Hand. Robert verstand. Er musste die Urinprobe abgeben. Dann würde es keine Probleme geben. Während er versuchte, unter dem psychischen Druck ein paar Tropfen aus sich herauszuquetschen, sah er, wie sich Robert2 komplett auszog. Er zeigte erst auf ihn und dann auf die Tür. Robert sollte sich seine Sachen anziehen, rausgehen und auch die Blutprobe abgeben. Erst schüttelte er verneinend den Kopf, aber Robert2 blieb unerbittlich und zeigte ihm die Stelle auf seinem Arm, an der er die Spritze von gestern Abend verabreicht bekommen hatte.
Robert nickte schließlich. Die Urinprobe war fertig. Er zog seine Sachen aus, streifte sich das Hemd seines Klons über und zog die Unterhose an. Dann betrachteten sich beide noch nebeneinander stehend im Spiegel. Robert2 verwuschelte seinem Erschaffer die Haare, so dass sie ähnlich aussahen wie bei ihm selbst. Der einzige Unterschied war, dass Roberts Bartwuchs einen Tick ausgeprägter war als bei ihm selbst. Beide hatten sich heute noch nicht rasiert und es gestern zu völlig verschiedenen Uhrzeiten getan. Es gab keine Zeit mehr, irgendetwas zu ändern. Robert musste jetzt aus dem Bad kommen und die Blutabnahme über sich ergehen lassen.
Er bedeutete Robert2, sich in der Nische zu verstecken. Der gehorchte sofort und verschwand.
»So, ich hoffe, das reicht«, sagte Robert, während er aus dem Bad kam. Die Tür schloss er, ohne allzu hektische Bewegungen zu machen. Zum Glück wollten sie seinen Puls nicht messen. Er hätte vor Angst ausflippen können, äußerlich jedoch schaffte er es, entspannt und konzentriert zu wirken. Aber wie lange würde er diese Fassade noch aufrechterhalten können?
Hoffentlich machen die nicht noch einen Scan von meinem neuen Ortungschip!
Marc sah ihm länger ins Gesicht, als Robert lieb war. Er fürchtete, dass der Agent einen Unterschied zu dem Robert, der ins Bad hineingegangen war, bemerkt hatte. Aber Marc sah sich lediglich in einer überlegenen Position. Es gefiel ihm, Robert Angst zu machen und sah gerne auf ihn herab. Das gehörte zu seinem Job.
Sein Kollege nahm ihm den Becher mit der Urinprobe ab und machte sich sogleich an die Blutabnahme. Als auch dies getan war, tröpfelte er ein paar Tropfen des Blutes in ein kleines Untersuchungsgerät, das wenige Sekunden später eine Reihe von Informationen an sein Tablet sendete. Stobeck studierte die Messergebnisse gewissenhaft. Marc sagte während der ganzen Zeit nichts, sondern stand einfach nur da und lächelte. Seine Augen lächelten aber nicht mit, sondern blieben starr auf Robert gerichtet.
»Alles in Ordnung«, erlöste Stobeck Robert. »Keine Auffälligkeiten, keine Anomalien. Sie sind ganz schön aufgeregt, Herr Mester, das ist alles, was ich Abweichendes feststellen kann.«
»Kann man mir das vorwerfen? Wie oft bekommt man denn Besuch von einer Regierungsbehörde, die einen aus heiterem Himmel beschuldigt, man habe ein Verbrechen begangen? Da würde doch wohl jedem das Herz bis zum Hals schlagen.«
»Niemand hat Sie wegen irgendetwas beschuldigt. Verzeihen Sie die Störung, wir werden den Fall schließen und widmen uns wieder den echten Verbrechern.«
»Na hoffentlich.«
»Pack alles wieder ein, Thomas. Wir gehen.« Die schönsten Worte, die Robert an diesem Tag gehört hatte.
Stobeck verließ die Wohnung und ging zurück zu ihrem Dienstwagen. Marc folgte ihm. Auf der Türschwelle hielt er abrupt an und fragte: »Ach, das fällt mir noch ein. Wir haben hier eine Information, dass Ihre Tante vor Kurzem gestorben ist. Ist das richtig?«
»Ja, das stimmt.«
»Und wie haben Sie davon erfahren?«
»Durch ihren Anwalt.«
»Hatte sie ein Testament bei diesem Anwalt hinterlegt?«
»Keine Ahnung. Möglich.«
»Nun, es hätte ja sein können, dass sie Ihnen etwas vermacht hat.«
»Das hat sie nicht, tut mir leid. Wollen Sie mir jetzt noch die Hinterziehung von Steuern vorwerfen?«
»Nein, aber ich muss ja den Bericht über Ihren Fall zu einem Ende bringen. Und da muss ich alle offenen Fragen klären, das ist alles. Mein Vorgesetzter ist da sehr penibel, wissen Sie?«
Halte mich nicht für einen Idioten. Ich weiß, was du denkst. Robert ahnte, dass dieser Gardé mitnichten den Fall zu den Akten legen würde.
»Ähm, haben Sie vielleicht eine Telefonnummer von diesem Anwalt? Wir könnten diese auch selbst herausfinden, aber das gestaltet sich ein wenig schwierig, seit der diplomatischen Krise.«
»Ja, habe ich. Ich schaue mal nach. Bin gleich zurück.« Robert ging ins Wohnzimmer und holte sein Tablet hervor, um die Telefonnummer zu suchen. Er machte sich nicht wirklich groß darüber Sorgen, dass die AKE mit dem Anwalt Kontakt aufnehmen würde. Schließlich war es eben jener Anwalt, der ihm überhaupt den Vorschlag gemacht hatte, das Erbe gar nicht erst an ihn auszuzahlen, sondern es für Roberts Traum zurückzuhalten. Er hatte zwar nicht lange mit ihm gesprochen, aber der Mann schien sein Handwerk zu verstehen und wusste, wie man nicht die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich lenkt. Er würde darauf vorbereitet sein, kein Zweifel.
Robert fand die Nummer und ging zurück zur Tür. »So ich habe...« Gardé war nicht mehr da. Ein schrecklicher Gedanke ließ Robert auf dem Absatz kehrt machen und zum Badezimmer stürmen. Dessen Tür war nicht mehr geschlossen, sondern stand einen Spalt weit auf. Er stieß die Tür auf und sah Gardé ins Gesicht. Er hatte direkt dahinter gestanden und verzog keine Miene. Für ein, zwei Sekunden standen sie sich wie zwei Duellanten gegenüber und warteten darauf, wer von beiden als Erster zucken würde.
»Ich hatte vergessen, kurz ins Badezimmer zu sehen. Der Raum fehlte noch, verzeihen Sie«, durchbrach Marc die Stille und schob sich dann am erstarrten Robert vorbei durch die Tür in den Flur. »Ah danke.« Er nahm das Tablet und schrieb die Nummer des Anwalts ab. Dann gab er es ihm zurück und verabschiedete sich.
Als die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fiel, war Robert immer noch vor Schock wie gelähmt. Er kehrte ins Bad zurück und suchte seinen Klon. Der Raum war aber leer.
»Ich hatte eine Eingebung, dass er das Bad auch durchsuchen will«, flüsterte Robert2 hinter ihm. Er hatte sich just in dem Moment, in welchem Gardé mit Stobeck die Wohnung verlassen wollte, aus dem Bad geschlichen und sich unter dem Bett im Schlafzimmer versteckt.
»Gut gemacht.« Robert war dankbar, aber der Stress hatte ihn an seine Grenzen gebracht. Dabei stand ihm das Schlimmste erst noch bevor.
Unten auf der Straße am Dienstwagen besprachen die beiden Agenten die Situation.
»Und? Was meinst du, Marc? War das eine Ente?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube dem Typen nicht.«
»Warum? Seine Werte waren vollkommen in Ordnung. Sein Chip auch. Er ist genau der Loser, für den wir ihn gehalten haben.«
»Trotzdem hat er uns angelogen.«
»Und wobei?«
»Sein Bett. Es war noch etwas warm. Genauso wie seine Couch. Hat er also gleichzeitig im Bett und auf der Couch geschlafen?
»Dafür kann es tausend Gründe geben. Vielleicht hatte er Besuch, von dem wir nichts wissen sollen. Dem dürfen wir jetzt ohnehin nicht nachgehen. Rechtlich sind uns hier die Hände gebunden.«
»Wir hätten einen Personenscanner mitnehmen sollen,