REBELLION DER GEFÜHLE. Kerstin von Schuckmann

REBELLION DER GEFÜHLE - Kerstin von Schuckmann


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Was würde ich ohne Sie tun? Darf ich Sie nicht doch demnächst zum Abendessen einladen?“

      Seine Frau, die gerade mit einem Berg schmutziger Wäsche auf dem Arm an ihm vorbeilief, warf Lopez einen nicht allzu freundlichen Blick zu.

      „Rafael, die Obduktionsberichte des Ehepaars Fuchs sind erstellt, und Sie hatten recht. Beide Opfer wurden nachträglich erschlagen, und er bekam als Zusatzgeschenk noch Ton in seine Ohren und Nase geschoben. Aber jetzt halten Sie sich fest. Sie sind weder am Erschlagen gestorben, noch ist er am Ton erstickt. Sie waren beide bereits vorher tot. Bei der Untersuchung beider Opfer habe ich festgestellt, dass es sich um einen Tod durch den sogenannten Ratten-Lungenwurm handelt. Dieser ist leider zurzeit auf Mallorca häufig aktiv. Er kann und ist leider auch in diesem Fall für beide tödlich verlaufen. Sie mussten bereits ein geschwächtes Immunsystem gehabt haben. Dieser Wurm wird durch das Gericht „Caracoles“, wie Sie wissen, das traditionelle Schneckengericht übertragen. Die Infektion mit dem Parasiten kann über kontaminierte Nahrung oder Zwischenwirte, wie zum Beispiel Schnecken, in den menschlichen Körper gelangen. Diese verursachen starke Kopfschmerzen und neurologische Ausfälle.“

      „Wie kommt er in die Schnecken?“ fragte Lopez irritiert.

      „Er heißt so, weil die erwachsenen Weibchen in den Lungen und in Herzen von Ratten leben und dort ihre Eier ablegen. Die Larven werden dann durch den Magen-Darm-Trakt mit dem Kot ausgeschieden. Die Schnecken fressen ihn dann, und diese wiederum werden von Menschen, Vögeln oder Säugetieren gegessen. Dort suchen die Larven erneut das Gehirn und die Lungenarterien auf.“

      Lopez hatte sofort das Bild des gestrigen Dinners vor Augen. Beide aßen riesige Berge von Schnecken.

      „Kann der Tod innerhalb von einer Nacht einsetzen, oder dauert das länger?“

      „Es dauert schon ein paar Tage. Außerdem dürften in guten Lokalen wie das, in dem Sie waren, hauptsächlich Schnecken genommen werden, die gezüchtet wurden.“

      Lopez überlegte.

      „Wann war der Todeszeitpunkt?“

      „Anhand des Zustandes der Muskel- und Gelenkversteifungen sowie der Totenflecken, dürfte es um drei Uhr nachts gewesen sein.“

      „Und Sie sind sich ganz sicher, dass beide den Ratten Lungenwurm vorher schon in ihrem Körper hatten?“

      „Ja, Rafael ganz sicher. Das erneute Verspeisen allerdings hat dann wohl das Fass zum Überlaufen gebracht. Die zuletzt gegessenen Schnecken müssen ebenfalls infiziert gewesen sein und zum neurologischen Tod geführt haben.“ Lopez schwor sich in diesem Augenblick nie wieder Schnecken zu essen. Allein der Gedanke widerte ihn an.

      „Was haben Sie sonst noch für Auffälligkeiten gefunden?“

      „Beide wurden erschlagen, und zwar auch wieder Hinterkopf und Hals. Tötungsinstrument dürfte etwas Unebenes gewesen sein, so etwas wie eine Tonfigur, die in vielen Gärten am Pool steht. An den Schlagstellen konnten wir winzige Tonpartikel finden. Diese stammen nicht von dem Ton in der Nase und den Ohren.“

      Lopez erinnerte sich an diverse hässliche Tonfiguren in der parkähnlichen Landschaft.

      „Ach ja, die Opfer wurden beide zum Klavier gezogen. Ansonsten konnten wir bisher keine besonderen Auffälligkeiten feststellen. Sollte noch etwas Besonderes passieren, informiere ich Sie.“

      Lopez bedankte sich überschwänglich und verließ wortlos die Wohnung. Er fuhr dieses Mal schneller als erlaubt zum Präsidium und rief die Spurensicherung an. Antonio Díaz, den er in sein Zimmer winkte, hörte zu.

      „Lopez, guten Morgen, was konnten Sie herausfinden? Die Zeit drängt.“

      „Buenos días. Was uns vor Ort auffiel, war, dass weit und breit kein Handy zu finden war. Der Täter muss es mitgenommen haben. Die Portemonnaies sind leer. Er hat sowohl Bargeld als auch sämtliche Karten mitgenommen. Ein benutztes Glas, das neben einer leeren, teuren Whiskyflasche stand, müsste auch von ihm gewesen sein. Er hat es sich nach der Tat wohl noch gemütlich gemacht. In diesem Glas lag der Rest einer gerauchten, sehr teuren Zigarre aus Havanna. Ich als passionierter Raucher schätze, dass diese Kostbarkeit einen Wert um vierhundert Dollar gehabt haben dürfte. Wir benötigen einen Abgleich des Speichels am Glas und der Zigarre mit dem Speichel der beiden Opfer, um sicher zu sein, dass nicht Herr oder Frau Fuchs diese Luxusgüter vor ihrem Tod konsumiert haben. Fingerabdrücke sind, wie bei den anderen beiden Taten wegen der abgenutzten Finger nicht möglich. Haare wurden erstmalig auf dem Sofa gefunden, auf dem er seinen erfolgreichen Abend beendete. Unsere Spurensicherung hat zudem die Polster des Sofas, auf dem vermutlich der Mörder saß, mit durchsichtigen Klebestreifen abgeklebt, um vor allem die Textilfasern, die sich von der Kleidung gelöst haben, zu überprüfen. In den Holzkästchen unter dem Klavier haben wir Fasern von alter Baumwolle gefunden. Diese dürften einige Jahrzehnte alt sein.“

      Díaz und Lopez beschlossen erneut zum Restaurant zu fahren, um die Küche zu inspizieren. Da es auch bereits mittags gut besucht war, hatten sie die Möglichkeit, den Chefkoch und die Caracoles Köchin zu interviewen.

      „Buenos días, Kommissariat Palma, Díaz und Lopez. Wir haben ein paar Fragen. Wir wissen, dass das Ehepaar Fuchs bei Ihnen gerne Caracoles isst. Vorgestern Abend waren beide hier und haben jeder eine große Portion davon genossen. Können Sie mir sagen, wann beide davor hier waren und ob sie auch Schnecken gegessen haben?“

      Der Chefkoch überlegte kurz, schaute zu seiner Köchin, und beide waren sich einig, dass es so vor zehn Tagen gewesen sein dürfte.

      „Meine Kollegin ist auf Caracoles spezialisiert. Sie kauft persönlich nur die besten der Insel, da darf ihr auch keiner reinreden, und zubereitet und serviert werden dürfen sie nur in ganz bestimmten Greixoneras, also Tonschalen.“

      Die Köchin nickte wohlwollend.

      „Das Ehepaar Fuchs ist an Caracoles gestorben, und daher müssen wir alle möglichen Wege, den Täter zu finden, auskosten.“

      Beiden Köchen war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

      „Sie glauben doch nicht etwa, dass wir etwas damit zu tun haben?“

      „Wie oft wird bei Ihnen der Müll geleert?“

      „Wie überall auf Mallorca, einmal pro Tag.“

      Lopez machte sich trotzdem Hoffnung und ging zu den Müllcontainern. Schwarz war der allgemeine Müll, gelb die leichten Flaschen, blau das Altpapier und grün das Altglas. Er hob den Deckel der schwarzen Tonne hoch und hielt sich die Nase zu, da der Müll durch die Hitze zu stinken begann. Die Tonne war nur zu einem Fünftel voll. Die Reste von vorgestern Abend vernichtet. Er lief zurück in die Küche.

      „Wo kaufen Sie die Schnecken?“

      „In der Markthalle, also dem Mercat d´Olivar. Der Stand ist in der vorderen Halle und hat die Nummer siebzehn.“

      Lopez und Díaz verabschiedeten sich mit dem Hinweis auf ein baldiges Wiedersehen und fuhren direkt weiter zur großen Markthalle Palmas. Eine ältere Dame wartete sichtlich gelangweilt an ihrem Stand auf Kunden.

      „Buenos días, Lopez mein Name. Stimmt es, dass bei Ihnen regelmäßig die bekannte Köchin des sehr guten Klippen-Restaurants in der Nähe von Bendinat einkauft?“

      „Si“, antwortete die Dame etwas stolz spontan.

      „Sie kaufte die letzten Monate immer regelmäßig hier ein, da unsere Caracoles gezüchtet werden und daher keine Gefahr des derzeitigen Lungenwurms in sich bergen. Sie ist sehr nett und sehr großzügig. In der letzten Zeit allerdings wurden die Abstände, in der ich sie sah, immer größer. Schade. Ich vermute, dass sie die Schnecken vielleicht zusätzlich noch von einem anderen Züchter bezieht.“

      „Muchas gracias Señora. Das reicht uns schon als Hinweis“, unterbrach Lopez die Dame und lief mit Díaz weiter durch die Halle.

      Beide Kommissare waren sich sicher, dass durch die Käufe gezüchteter Schnecken keinerlei Gefahr von der Köchin ausgehen konnte. Vielleicht genossen die Opfer die Kriechtiere ab und zu auch in anderen


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