REBELLION DER GEFÜHLE. Kerstin von Schuckmann

REBELLION DER GEFÜHLE - Kerstin von Schuckmann


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„Tártaro de ternera con mostaza antigua“, Rindertatar mit altem Senf. Ein Gericht, das Díaz nicht mochte, aber für Lopez war es das Beste aller angebotenen Speisen. Durch die vollen Straßen wurde die normalerweise nur zehnminütig dauernde Fahrt auf fast eine halbe Stunde ausgeweitet. Antonio saß bereits in Lopez Büro und hatte das verkratzte Besteck sowie zwei Gläser eines Touristen-shops auf den Tisch gestellt.

      „Oh welch schöne Gläser, die Kathedrale in Pink auf dem einen, und der Königspalast in Grün auf dem anderen.“

      Díaz zog die Metallfolie seines Gerichts ab, und strahlte. Als er in die Schale seines Kollegen sah, drehte er sich demonstrativ kurz weg, um seine Abneigung zu zeigen. Lopez schüttelte verständnislos den Kopf.

      „Hier erst noch mal der Status Antonio. Ein bekannter Investor Mallorcas liegt blutüberströmt mit abgehackter rechter Hand auf dem Bauch neben einem Klavierflügel aus dem Jahre 1918. Auf der anderen Seite liegt seine Ehefrau, die Botox-Barbie, in derselben Position. Unter dem Flügel wurden zwei kleine Kästen angebracht. Diese müssen bereits älteren Datums sein. Das sieht man an dem Holz und den verrosteten Nägeln, mit denen sie zusammengehalten wurden. Beide Kästen wurden voraussichtlich vom Mörder aufgebrochen und der Inhalt von ihm entnommen. Erneut lag, wie damals bei der Ermordung von Kapitän Sturm, eine mallorquinische Siurell in Form eines umklammerten Pärchens im Kasten. Am Vorabend waren beide Opfer mit einem anderen, mir unbekannten Ehepaar essen. Das ist zunächst der Status, und jetzt bitte ich um Ihre kreative Eingebung der weiteren Vorgehensweise.“

      Lopez führte seine Gabel in das rohe Fleisch. Antonio stöhnte beim erneuten Anblick und ließ sich kurz Zeit nachzudenken.

      „Wir wissen, dass der Ermordete ein nicht allzu beliebter Investor auf Mallorca war, das bedeutet, dass wir herausfinden müssen, wer zu seinen Feinden gehört hat. Es liegt nahe, dass das Ehepaar, mit dem sie gestern Abend essen waren, auch unter Mordverdacht stehen könnte. Da der Investor Fuchs in dem Restaurant Stammgast zu sein schien, müssten die Angestellten wissen, um wen es sich handelte. Was bedeutet die Siurell in dem Kasten? Soll es das Ehepaar Fuchs sein? Warum wurde ihm die Hand abgehackt, und warum ausgerechnet die Rechte? Zufall oder Absicht? Warum wurden die beiden Kästen unter dem Klavier aufgebrochen? Der Täter muss davon gewusst haben und es ist zu vermuten, dass es ihm irgendwann mal mitgeteilt wurde. Woher hat Fuchs dieses Klavier, und seit wann? Hat er es gekauft, geschenkt bekommen, oder ist es von seiner Familie? War vielleicht auch nur seine Frau das eigentliche Zielopfer der beiden Morde, und gar nicht er? Ist der Mörder der Serienmörder, der bereits die beiden vorangegangenen Morde begangen hat? Sollte dieses der Fall sein, frage ich mich dieses Mal, was er mit Umweltschutz zu tun haben könnte. Der Kapitän und der Fahrradfahrer wurden neben zusätzlichen Mordmethoden erschlagen. In diesem Fall wurden die Ohren und die Nase mit Tonerde zugestopft, allerdings nur bei ihm. Grundsätzlich können wir die weitere Vorgehensweise aber erst spezialisieren, wenn wir die Ergebnisse der Pathologie und KTU haben. Diese werden heute mit Sicherheit nicht mehr vorliegen. Selbst dann nicht, wenn unsere Pathologin Carmen aufgrund Ihrer permanent sichtbaren Flirtversuche versucht, alles so schnell wie möglich zu analysieren. Was mich etwas beunruhigt ist, dass wir bisher jeden Morgen einen Mordfall präsentiert bekommen haben. Ich bete dafür, dass diese Tat die letzte war.“

      Díaz schob sich ohne Pause direkt ein kaltes Stück Wild in den Mund und trank einen Schluck aus dem Kathedralenglas. Lopez ging wortlos zur Wand und zeichnete nach klassischer Methode die soeben von Díaz gemachten Angaben auf eine große Tafel.

      „Was dieses Klavier schon so alles gesehen haben muss. 1918 herrschte auch auf Mallorca die spanische Grippe, und das war kein Kinderspiel.“

      „Vielleicht war es ja damals noch gar nicht auf Mallorca. Fast alle bestellten Klaviere kamen und kommen vom Festland. Besonders die teuren, da es auf unserer Insel immer sehr reiche Einwohner gab, aber leider auch viele Arme. Und das hat sich bis heute nicht geändert.“

      Lopez strahlte.

      „Sehen Sie Antonio, das ist das, was ich an Ihnen so schätze. Ihre Ideen, die einfach aus Erzählungen heraus entstehen können. Wir könnten auch den bekannten Klavierdoktor kontaktieren. Vielleicht kann er uns irgendetwas zur Geschichte sagen.“

      „Ich kenne ihn zwar nicht, aber es klingt nach einer guten Idee Lopez!“

      Die Türe wurde aufgerissen und die Assistentin von beiden, Esmeralda, stürmte aufgeregt ins Zimmer. Beide dachten zunächst an einen erneuten Mord.

      „Chef stellen Sie sich vor, der Kaffeeautomat auf dem Gang ist kaputt, und der Kollege aus dem ersten Zimmer am Treppenhaus gibt mir die Schuld, weil ich als letzte Kaffee gezogen habe.“

      Lopez und Díaz schauten sich an und lachten beide lauthals los. Esmeralda kniff ihre Mundwinkel zusammen und verließ schimpfend und beleidigt den Raum. Die Wucht der zugeknallten Türe ließ das Glas mit der Kathedrale auf dem Tisch vibrieren.

      „Antonio, so muss das beim Erdbeben von 1851 gewesen sein, als die Wand der Kathedrale stark beschädigt wurde.“

      Díaz nickte. Lopez beschloss zunächst allein zum Restaurant zu fahren, um zu eruieren, wer das gestrige Ehepaar war, mit dem Fuchs den Abend verbrachte und anschließend gemeinsam in die Limousine stieg. Es war bereits früher Abend so dass er auf jeden Fall jemanden antreffen würde.

      „Buenas tardes. Hauptkommissar Lopez aus Palma. Ich ermittle in einem Mordfall und habe ein paar Fragen an Sie.“

      Die Bedienung schaute Lopez tief ins Gesicht und stellte fest, dass auch er gestern Gast bei ihnen war.

      „Buenas tardes. Was kann ich für Sie tun? Sie saßen doch gestern Abend frontal zu unserem Investor-Tisch, wie wir ihn hier spaßig nennen.“

      „Wir benötigen Informationen über die beiden Personen, die mit dem Ehepaar Fuchs am Tisch saßen. Waren es Kunden von ihm oder Freunde, Verwandte oder Geschäftspartner?“

      „Normalerweise dürfen wir keine Auskunft geben, da bei uns aufgrund der vielen Prominenten, die wir hier verwöhnen, die Privatsphäre einen ganz wichtigen Faktor darstellt. Da Sie aber von der Polizei sind, mache ich eine Ausnahme.“

      Lopez wurde ungeduldig und klatschte zweimal laut in seine Hände.

      „Es handelt sich um den Luxusmakler Kramer, den Fuchs bei allen seinen Projekten als Vermittler nimmt. Sein Büro ist ein Stockwerk über seinem im Stadtteil Santa Catalina.“

      Das passt, dachte sich Lopez.

      „Die Dame, die mit ihm dabei war, ist seine Frau, falls das was für die Ermittlungen ausmachen sollte.“

      Lopez bedankte sich und fuhr direkt zum Geschäftshaus des Investors und seinem Makler. Er stand vor einem feudalen, alten und top sanierten Stadtpalast. Das Büro von Fuchs war im Erdgeschoss. Die Scheiben waren von außen nicht einsehbar, da sie von innen mit Folie beklebt waren, die ihn im Großformat im maßgeschneiderten knallblauen Anzug und einer Aktentasche unter dem Arm zeigten. Botox-Barbie posierte direkt im Nebenfenster mit einem hautengen schwarzen Kleid, das seriöse Kunden hätte abschrecken müssen. An den drei anderen Fenstern hingen seine aktuellen Projekte mit Fotos und Preisen. Selbstverständlich war in der Nacht alles auffällig hell beleuchtet. Das Büro von Kramer, auf das direkt bei den abgebildeten Projekten verwiesen wurde, war aufgrund der fortgeschrittenen Zeit dunkel. Objekte konnten nur nach Terminvereinbarung mit ihm besichtigt werden. Lopez würde direkt morgen anrufen, um einen Termin mit ihm für das aktuelle Projekt, das Kramer mit Fuchs hatte, zu vereinbaren.

      Die Wohnung von Lopez war nicht weit von den Büros entfernt. Er beschloss, in der Hoffnung einen Parkplatz zu finden, direkt nach Hause zu fahren, um dort vor Ort zum Leidwesen seiner wartenden Ehefrau alle Details im Fahndungssystem schriftlich festzuhalten.

      TAG FUENF

      Lopez saß nach einer kurzen Nacht verschlafen am Frühstückstisch und wünschte sich selbst einen erfolgreichen Tag. Er hörte, wie sein Handy in seiner Jackentasche vibrierte. Seine Hoffnung beruhte darauf, durch die auf der Insel verteilten Fahndungsblätter endlich ein paar Hinweise zum Täter


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