Das große Geheimnis. Thomas Pfanner

Das große Geheimnis - Thomas Pfanner


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Amüsiertheit, die mit dem drohenden Glühen seiner Augen eine Angst einflößende Wirkung entfaltete: »Ach, du willst es auf die harte Tour? Nach schön, aber sei gewarnt. Solltest du mir wirklich gegenübertreten wollen, so bringe Freunde mit. Viele Freunde! Übermacht ist kein Problem für mich, eher für die Übermacht. Je mehr ihr seid, desto unbarmherziger werde ich euch blutig schlagen. Dein Risiko, danach wirst du noch hässlicher aussehen. Dann wird sogar die Gummipuppe bei deinem Anblick platzen. Und nun kehre unter den Stein zurück, unter dem du einst hervor gekrochen bist, du Wurm.«

      Er ließ Sägebrecht abrupt los, der sich daraufhin, ohne zu zögern, im Laufschritt entfernte. Dabei drehte er sich dauernd um, um sicher zu gehen, nicht verfolgt zu werden. Burg atmete kräftig durch und wandte sich ab. Aus den Augenwinkeln bemerkte er Maria. Sie kauerte hinter einer Reihe von Thuja-Bäumchen, nicht weit entfernt und hatte offenbar von dort die Szene verfolgt. Er tat so, als ob er sie nicht gesehen hätte, und ging zum Schulgebäude.

      6

      »Hallo, Schmicki. Alles fit im Schritt?«

      »Nicht, dass dich das wirklich interessieren würde«, brummte der Angesprochene und schloss hinter ihr die Tür. Er hatte sich daran gewöhnt, dass sie ihn öfters einmal besuchte, vordergründig, um Weizenbier einer winzigen Privatbrauerei mit ihm zu trinken, an das weit und breit nur er herankam. In Wahrheit verging kein Besuch, ohne dass sie ihn nicht um einen Gefallen gebeten hätte. Er nahm es hin, seit den Anfängen vor ein paar Jahren empfand er mehr und mehr eine innige Freundschaft zu ihr. Er mochte angenehme, ungekünstelte Menschen um sich herum, in seinem Beruf fand sich diese Spezies gemeinhin überhaupt nicht.

      Also saßen sie auf seinem großen Sofa, dem einzigen normalen Möbelstück seiner Wohnung, tranken Weizenbier und redeten über Gott und die Welt. Sie betrachtete beiläufig seine hochtechnisierte Ausstattung im Stile der Kommandobrücke eines Kriegsschiffs. Im Gegenzug musterte er ungeniert die langen runden Schenkel, die aus ihrem Minirock wuchsen. Dann kam sie zur Sache: »Sag mal, Alter, hast du nicht Lust, deine Höllenmaschine anzuschmeißen und mir ein wenig zur Hand zu gehen?«

      Er betrachtete sie über den Rand seines Glases hinweg an und meinte, nur halb im Scherz: »Handelt es wieder um ein Problem der böseren Kategorie? Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich vor zwei Jahren ganz plötzlich umziehen musste, unmittelbar nach einem winzigen Gefallen, den ich dir getan hatte.«

      Leichthin erwiderte sie: »Ich glaube kaum, dass dein Umzug sehr viel mit dem Gefallen zu tun hatte. Eher mit dem Umstand, ausnahmsweise an einen besseren Hacker geraten zu sein. Davon mal ab: Diesmal ist es nur ein winziger Auftrag, ganz ungefährlich und für ein Ass wie dich ein Klacks.«

      Missmutig starrte er sie an: »Es beginnt immer damit, dass einer denkt, es wäre ein Klacks. Du musst schon etwas genauer werden.«

      »Mann, Schmicki, heute zickst du aber rum. Lange keinen Sex mehr gehabt, wie?«

      Er grummelte säuerlich: »Du ahnst ja gar nicht, wie lange. Rede nicht um den heißen Brei, die Karten auf den Tisch.«

      »Na schön. Ich soll ein Mädchen suchen, das seit drei Jahren verschwunden ist. Komische Sache, wenn man bedenkt, dass sie zwölf war, als sie die Platte putzte, jetzt müsste sie fünfzehn sein.«

      Schmicki setzte sich auf und sah sie auf einmal sehr wachsam an: »Wo ist das Problem? Dies ist Deutschland, hier verschwinden Kinder nicht so einfach. Und was genau soll ich dabei machen?«

      Katja Preuß beugte sich vor, ignorierte seinen Blick in ihren V-Ausschnitt und meinte mit der für sie typischen Mischung aus Konzentration und Sarkasmus: »Legenden, mein Schönster, alles Legenden. Jeden Tag verschwinden Mädchen dieses Alters in diesem unserem Lande und nur ganz selten tauchen sie wieder auf, dann allerdings mausetot. Nein, die Sache ist ganz profan, eigentlich. Es geht wohl um die übliche Sache: Ein Kind wird Waise, der Staat oder irgendwelche Verwandtschaft nimmt sich der Sache an und das Ding ist gegessen. Anderer Name, andere Stadt, unauffindbar weg! Und da dachte ich an dich und deinen tollen PC. Vielleicht könntest du etwas finden?«

      Bedächtig schenkte er sich Bier nach und warf ihr einen kritischen Blick zu: »Katja, ich fürchte, du erzählst mal wieder nur die Hälfte, und zwar die harmlosere Hälfte. Bis hierhin handelt es sich doch um Routinearbeit. Eine Tonne Akten durchgewälzt und du hast das Kind gefunden. Hacker wie ich finden gut versteckte Geheimnisse, aber nicht den blauen Golf auf einem Riesenparkplatz, auf dem nur solche Kisten stehen. Also: wo ist der Haken?«

      »Der Name ist der Haken. Er ist so verdammt häufig, dass mein Problem nicht darin besteht, dieses Mädchen zu finden. Es besteht darin, dass ich Dutzende gefunden habe und nebenbei nicht sicher bin, ob ich schon alle mit diesem Namen zusammen habe.«

      »Aha. Und wie lautet dieser Name? Schmitz? Dann kann ich dir auch nicht helfen. Halb Köln heißt Schmitz. Oder Meyer? Gibt es auch tausendfach. Ich bin Hacker, kein Gott, der mit dem goldenen Finger auf das Ziel zeigen kann.«

      »Nicht direkt, nein. Aber eine goldene Tastatur hast du vielleicht schon. Außerdem kann ich dich beruhigen, so schlimm wird es nicht. Der Name ist Bauer, Maria Bauer. Was ist?«

      In dem Versuch, sein Glas auszutrinken, hielt Schmickler abrupt inne, die Augen quollen hervor und er machte ein gurgelndes Geräusch. Sogleich hatte er sich wieder im Griff, setzte das Glas hart ab, hustete und schlug sich vor die Brust. Sie betrachtete ihn ziemlich erstaunt und wartete ab, bis er sich erholt hatte.

      »Mein lieber Scholli, du hast dich ja noch nie an Bier verschluckt, und dann gleich so heftig. Wirst du langsam alt, oder liegt es an mir?«

      Er rollte mir den Augen und erwiderte, immer noch von kurzen Husten-Attacken unterbrochen: »Vielen Dank auch für die Hilfe. Ich verrecke hier und eine in Erster Hilfe voll ausgebildete Ex-Polizistin hockt apathisch auf dem Sofa und tut so, als säße sie im Theater. Und nein, ich werde nicht alt. Solche Missgeschicke passieren, wenn man Damen gegenübersitzt, die keinen BH tragen, obwohl es dringend nötig wäre.«

      Nur halb im Spaß fragte Preuß spitz: »Soll das heißen, dass sie hängen?«

      »Nein, das soll heißen, dass sie groß sind und aus diesem merkwürdigen Oberteil quellen, wenn du dich nach vorne beugst. Also gut, zum Thema: Wie heißt dieses Mädchen noch mal?«

      Ihm kam es sehr gelegen, sie auf diese Weise abzulenken. Er hoffte nur, dass sie keinen Verdacht schöpfte.

      »Bauer, Schmicki, wie der Mann, der auf dem Feld nebenan die Zuckerrüben aus der Erde rupft. Maria, wie die Frau, die das Kind bekam, ohne den Kerl an sich ran zu lassen.«

      Wegen seiner Bemerkung schien sie immer noch etwas pikiert zu sein, was ihn aber nicht weiter bekümmerte. Solche Anfälle von Verletztheit leistete sie sich fast regelmäßig, allerdings dauerte es nie länger als drei Minuten, bis sie darüber hinweg war. Insofern hielt er das Ganze für Schauspielerei. Im Augenblick kam ihm ihre Attitüde mehr als gelegen, da er annahm, dass sie ihn nicht so genau beobachtete, solange sie vorgab, beleidigt zu sein.

      »Mhm, das ist wirklich ein häufiger Name. Na schön, ich werde mich umhören.«

      Erstaunt richtete sie sich auf: »Wie: Du wirst dich umhören? Du bist doch gar kein Sozial-Fuzzi, du bist ein Computer-Mensch. Willst du mich veräppeln?«

      »Klar, ich bin ein Computer-Mensch, homo Nachtschicht, habe auch nie was anderes behauptet. Wenn ich sage, ich höre mich um, bedeutet das, dass ich mich im Internet umhöre. Mein Gott, das ist doch klar, oder?«

      Nachlässig zupfte sie ihr Oberteil zurecht, wenn auch in die falsche Richtung.

      »Nicht wirklich, aber egal. Bleibt noch die Frage, warum du nicht sofort an diese graue Kiste da hinten springst und loslegst?«

      Er wand sich sichtlich. »Geht nicht. Kaputt. Morgen früh kommen die Ersatzteile. Tut mir leid, heute Abend kann ich nichts machen.«

      Sie fixierte ihn prüfend und ging im Geiste alles durch, was sie über ihn wusste.

      »Herzchen, ich muss mich wirklich wundern. In all den Jahren ist so was noch nicht passiert. Wenn ich richtig rechne, hattest du nie weniger als drei Maschinen


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