Das große Geheimnis. Thomas Pfanner
»eingekreist. Das höre ich seit Jahren. Dabei ist es bis heute geblieben. Der Rat der Elf wird dies nicht länger hinnehmen. Wir stehen dicht vor der Vervollkommnung des Werkes, für das Gott allein uns ausersehen hat. Nur noch dieses eine Hindernis und die besten Prätorianer der Elf sind nicht in der Lage, dieses Hindernis auch nur zu finden.«
Die letzten Worte spuckte er aus, als müsste er ein Gift loswerden.
»Also gut, berichtet, Lupus. Aber langweilt mich nicht.«
Der wuchtige Mann nickte bedächtig. »In der Tat ist es gelungen, die Möglichkeiten auf drei zu reduzieren, Euer Eminenz. Bei zwei Möglichkeiten verfügen wir bereits über den Namen. Beide Zielpersonen sind untergetaucht, aber wir werden in Kürze ihrer habhaft werden. Die dritte Möglichkeit ist sehr vage, weshalb wir uns der Hilfe Außenstehender versichert haben. Ein grobes Raster, sicherlich, jedoch glauben wir, in wenigen Wochen Erfolg melden zu können.«
»Außenstehende? Seid Ihr des gesteigerten Wahnsinns? Wollt Ihr mit derartigen Verzweiflungstaten Euren Kopf retten?«
Der Schmale versuchte sich noch kleiner zu krümmen und auch dem Sprecher rieselte die Kälte den Rücken hinunter, als er bedächtig zu sprechen begann: »Es hat seine Bewandtnis damit, Euer Eminenz. Wir sind zu dem Schluss gelangt, dass unsere Mittel begrenzt sind. Dies insbesondere in der Hinsicht, dass uns die neuen Methoden der modernen Technik nicht allzu vertraut sind. Daher haben wir einen Spezialisten hinzugezogen. Um in diesem einen viel versprechenden Fall auch zuverlässig auf alle Informationsquellen zugreifen zu können.«
»Aha. Ich will doch hoffen, dass dieser Spezialist im Dunkeln gelassen wurde, was den eigentlichen Grund seines Handelns betrifft?«
»Oh, sicherlich, Euer Eminenz. Unser Repräsentant vor Ort hat ganz allgemeine Hintergrundinformationen gegeben, gerade genug, um die Arbeit zu fördern.«
»Gut denn, versichert Euch, dass dieser Spezialist nach getaner Arbeit beseitigt wird. Es ist mir einerlei, auf welche Weise. Und das nächste Mal werde ich informiert, bevor Ihr Eure unüberlegten Entscheidungen trefft.« Beide Männer nickten heftig. »Außerdem erwarte ich, dass beim nächsten Termin Ergebnisse vorgelegt werden. Bedenkt, Ihr seid ersetzbar.«
Mit diesen Worten wuchtete er seine Masse aus dem schweren Sessel, der gequält quietschte, und verließ den Raum durch eine der drei getäfelten Türen. Kaum schloss sich die Tür, verwandelte sich der schmächtige Mann. Von jetzt auf gleich fiel die Unterwürfigkeit von ihm ab, er straffte sich, die Augen leuchteten und er erhob sich elastisch.
»Hast du gehört? Wir sind ersetzbar. Wenn er sich da mal nicht irrt.«
Der andere verdrehte die Augen und meinte ärgerlich: »Ich werde mich nie an deine Schauspielerei gewöhnen, Niklas. Kannst du dich nicht normal benehmen? Das macht mich fertig. Immer guckt der Höchste mich an, weil du den Zerknirschten gibst.«
Der Andere grinste ihn frech an. »Das ist eine Strategie, die das Überleben sichert. Du kennst mich: Ich habe vor keinem Feind unserer Sache Angst. Aber die eigenen Vorgesetzten muss man sich ebenso vom Hals halten.«
»Ist schon klar. Irgendjemand muss es immer schuld sein. Von daher liegst gerade du mit deiner Methode richtig.«
Niklas machte ein gespielt grämliches Gesicht. »Ach das. Doch gerade deswegen glaube ich nicht, dass wir ersetzbar sind. Das sagt der nur so, um unsere Motivation zu stärken.«
Lupus prustete erheitert und winkte seinem Begleiter. »Nette Formulierung. Komm, wir verschwinden von hier, bevor du dich doch noch um Kopf und Kragen redest.«
2
»So, mein Schönster, können wir anfangen?«
Sie sah ihn in einer Mischung aus Misstrauen und Herausforderung an, da er sich offensichtlich nicht allzu wohl fühlte.
»Also gut«, sagte er zögernd und griff in die Tastatur seines bevorzugten Computers, »begeben wir uns an einen Ort, den nie zuvor ein menschliches Auge erblickte.« Sein halbherziger Scherz war zu durchsichtig angelegt.
»So ein Spaß. Bist du etwa nervös wegen so einer Lappalie?«
»Nein, eher wegen dir und der Überdosis Parfüm, mit der du diese Bluse zusammenhältst. Ich kann mich nicht richtig konzentrieren.«
Sie machte ein Gesicht, als müsste sie einem Kind zum wiederholten Male die Benutzung von Messer und Gabel erklären: »Alter Schwede, das hatten wir doch geklärt, oder? Bier ja, Sex nein. Du weißt, ich meine das nicht persönlich, ich bin nur schon vor langer Zeit zu der Überzeugung gelangt, dass Männer nicht gleichzeitig Freunde und Partner sein können. Und du bist mir nun mal als Freund wertvoller.«
»Schönen Dank auch«, erwiderte er verkniffen. Er kannte sie nicht anders, ehrlich bis zur Brutalität. Einerseits froh über die gelungene Ablenkung traf es ihn doch, von ihr dauerhaft verschmäht zu werden. Seufzend widmete er sich der anstehenden Aufgabe.
»Also dann, Katja. Wir suchen also eine Maria Bauer, ziemlich sicher fünfzehn Jahre alt, seit drei Jahren Vollwaise, nunmehr verschwunden. Weitere Anhaltspunkte?«
»Oh sicher, haufenweise.«
Auf seinen erstaunten Blick hin klopfte sie ihm leicht auf den Hinterkopf: »Knollenkopf! Wenn das so wäre, müsste ich dich nicht hier und jetzt belästigen. Es gibt nur noch zwei Informationen. Zum einen die einzige Info, die ich bekam, der Name der Großmutter, und dass die Eltern tot sind, natürlich. Damit konnte ich die letzte Adresse ermitteln, was für sich schon ein Akt gewesen ist. So viele Bauers gibt es, und mein Auftraggeber konnte nur damit dienen, dass es sich um den Großraum Köln-Bonn handelt. Immerhin, anhand der Großmutter kam ich auf die Namen der Eltern, und eine Tour durch alle möglichen Standesämter führte mich dann auf einen engeren Kreis von fünf Eheleuten, die alle eine Maria hatten und nun tot sind. Drei Marias sind zu alt oder zu jung, zwei sind verschwunden. Ich habe Telefon-CDs durchforstet, die Nachbarschaft befragt, Zeitungen aus der fraglichen Zeit besorgt, diese angeblich allwissende Internet-Suchmaschine befragt, nichts. Verbleib der Kinder nicht geklärt.«
Sie machte eine Pause, um einen tiefen Schluck zu nehmen. Schmicki konzentrierte sich vorgeblich auf seinen PC, gleichzeitig arbeitete es in ihm.
»Zwei also. Wie willst du die Richtige herausfinden?«
Sie sah ihn ernst von der Seite an: »Tja, an dieser Stelle wird es schmutzig. Ich habe als Nächstes recherchiert, wann und wie die Eltern ums Leben gekommen sind. Ein Paar ist bei einem Flugzeugabsturz umgekommen. Aber das andere Ehepaar gibt mir schwere Rätsel auf.«
»Aha? Wieso?«
»Weil es da keine Informationen gibt. Gar keine Informationen.«
Er sah von seinem Rechner hoch: »Ist das so ungewöhnlich? Du hast vielleicht an der falschen Stelle gesucht.«
Ganz sachte schlug sie ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. »Schmickler! Dass ausgerechnet du das sagst. Du musst doch am allerbesten wissen, dass wir im Zeitalter der Informationsdiktatur leben. Heutzutage bleibt doch nichts geheim, gar nichts. Der Normalfall ist doch der, dass ich etwas suche und viel zu viele Informationen erhalte. Mithin besteht die Schwierigkeit darin, aus dem Wust der Daten das Richtige herauszufiltern. In diesem Fall aber herrscht das absolute Nichts. Das macht mir zu schaffen und deshalb bin ich hier.«
Er wich ihrem empörten Blick aus. »Schon gut, musst mich nicht gleich fressen. Was soll ich also tun? Irgendeine Information muss es doch geben.«
Sie schnaubte verächtlich: »Klar, sie haben geheiratet. Sogar im Kölner Dom. Vor sechzehn Jahren, womit das Kind ein ehelicher Spross wäre. Nur für den Fall, dass das jemanden interessiert. Danach sind sie verschwunden. Also, Schmicki: Fass!«
Er blies die Backen auf und machte sich an die Arbeit. Eine ganze Zeit beschäftigte er sich damit, behördliche Datenbanken zu knacken, während Katja Preuß ungeduldig herumlungerte. Zwischendurch schreckte sie hoch, wenn er wieder „aha“ oder „so was“ ausrief, auf ihr rasches Hinzutreten jedoch mit abwehrendem Wedeln reagierte. Viel Geduld hatte sie nicht mehr übrig, als er sich endlich dazu bereitfand,