Das große Geheimnis. Thomas Pfanner

Das große Geheimnis - Thomas Pfanner


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Stromnetz. Kurzschluss, Überspannung, alles Netzteile in den PCs hinüber. Da kann ich wirklich nichts machen.«

      Katja Preuß kam zu dem Schluss, dass Schmickis Erklärungsversuche nicht die erwartete Glaubwürdigkeit besaßen, zumal er mehr und mehr ins Schwitzen geriet. Andererseits fiel ihr absolut kein Grund ein, der einen alten Freund bei dieser läppischen Sache in Bedrängnis bringen konnte. Ein fünfzehnjähriges Mädchen zu suchen, war nun wirklich nicht der Angst einflößende Mammutfall. Vielleicht wurde er ja wirklich alt.

      Sie beschloss, die Frage auf sich beruhen zu lassen, unterhielt sich noch eine Weile mit ihm und kündigte schließlich ihren nächsten Besuch für übermorgen an. Schmickler atmete sichtlich auf, als er endlich die Tür hinter ihr schließen und zum Handy greifen konnte.

      7

      Kritisch distanziert betrachtete Frau Eusterholz ihren Besucher. Aus Prinzip fand sie kleine, dicke, schwitzende Männer unmöglich. Dieser hier war auch noch ihr Vorgesetzter und obendrein unangemeldet in ihr Büro gekommen. Zuerst hatte sie das Schauspiel noch amüsiert verfolgt, wie er auf Plattfüßen wankend hereinkam und umständlich auf dem Sessel vor dem Schreibtisch Platz nahm. Noch mehr erstaunte sie immer wieder seine Stimme, die ungewöhnlich hell klang. Dazu ließen sich seine Bemühungen, ein fortwährendes Stottern zu unterdrücken, nicht verheimlichen: »Frau Eusterholz, wie läuft der Laden? Macht sich der neue Erzieher gut?«

      »Ja, sicher, die Kids lieben ihn.«

      Unverhohlen belustigt erkannte sie, dass ihre Art bei ihm nicht ankam. Offenbar reagierte der Mann sehr sensibel auf Menschen, die ihm nicht den nötigen Respekt entgegenbrachten. Leichte rötliche Flecken bildeten sich an seinem Hals, als er ungnädig erwiderte: »Vielleicht sind Sie nicht auf dem neuesten Stand. Die Mutter des Schülers Sägebrecht hat sich bei mir persönlich über den Burg beklagt. Sie erklärt, dass er ihren Sohn tätlich bedroht hat. Das ist Ihnen wohl entgangen, wie?«

      Sie hasste es, von Eltern auf diese Weise übergangen zu werden, auch wegen der Art und Weise, wie ihre Vorgesetzten ihr das für gewöhnlich aufs Brot schmierten. Dies wollte sie jedoch nicht offenbaren, also blieb sie äußerlich gelassen: »Wenn ich den Namen Sägebrecht schon höre, kriege ich das Zucken. Ich bin schon lange der Meinung, dass der nicht hierher gehört. Ständig gibt es Ärger, weil er Mädchen anbaggert.«

      Die Flecken wurden dunkler.

      »Frau Eusterholz, Sie nehmen den Vorwurf allzu leicht. Gefährlich leicht. Hier geht es nicht um die pubertären Phobien irgendwelcher Teenager, sondern um den Vorwurf der Körperverletzung und Nötigung gegenüber einem Schutzbefohlenen. Wie also stehen Sie dazu?«

      Die pubertären Teenager gehören auch zu deinen Schutzbefohlenen, du Schleimscheißer, dachte sie und spürte eine kleine Wut in sich hochsteigen. Sie kannte ihn gut genug, um einen offenen Streit zu vermeiden, blieb also ruhig und locker. Damit traf sie ihn wesentlich härter. Auf der Palme, auf die er sie treiben wollte, würde er allein sitzen.

      »Herr Weberecht, das ist ganz einfach. Ich werde mich an objektive Fakten halten. Zuerst einmal: Wann war das, wo war das und wer war Zeuge?«

      Sie schenkte ihm ein blitzendes künstliches Lächeln und widmete sich ihrer Kaffeetasse. Zwischen den Flecken verschwand die letzte blasse Stelle.

      »Frau Eusterholz, ich bin der Vorsitzende des Verwaltungsrates des Christophorus-Kollegs, eine katholische Einrichtung zur Vorbereitung der uns anvertrauten Jugendlichen auf ein gottgefälliges Leben. Ich verlange, dass Sie mir in sachlicher Weise antworten und dass Sie Herrn Burg zur Rechenschaft ziehen. Sonst werde ich das tun und dies wird sich in Ihrer Personalakte deutlich niederschlagen, sehr deutlich.«

      Die Wut stieg auf. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie zwar auch während der scharfen Rede ihres Vorgesetzten genüsslich an ihrer Tasse genuckelt, ihm hingegen die ganze Zeit gar keinen Kaffee angeboten hatte. Sie hatte nicht daran gedacht und nun würde sie es erst recht nicht mehr tun. Diese Vorstellung amüsierte und besänftigte sie ein wenig und so stellte sie die Tasse weg, beugte sich vor und gab ihm die Antwort, die er verdiente: »Herr Weberecht, ob wir hier katholisch sind oder nicht: Die Jugendlichen haben da einen Kack dran. Die interessieren sich für das, was manche Leute gelebtes Christentum nennen. Um es mit einem Wort zu sagen: Die messen uns daran, ob wir gerecht sind. Wenn ich hingehe und die Autorität eines Erziehers nachhaltig untergrabe, indem ich den Rachegefühlen einer Mutter blindlings nachgebe, dann werden alle anderen das als nicht gerecht ansehen. Und sie werden damit Recht haben. Dies ist nun mal ein Rechtsstaat, und gerade ich als Hausleitung einer katholischen Einrichtung habe eine Vorbildfunktion. Deshalb werde ich zuerst einmal die Fakten prüfen und danach die Beteiligten befragen. Es wäre daher sehr freundlich, wenn Sie mir erzählen würden, was Sie wissen. Wer hat was gesehen, wann und wo ist es geschehen, welche Verletzungen gab es?«

      Nun begann Weberecht doch ansatzweise zu stottern.

      »Das wird noch ein Nachspiel haben. Ich werde mich selbst um die Sache kümmern.«

      Nun wurde sie doch sauer. Vor allem wollte sie ihn nicht so einfach aufstehen und gehen lassen.

      »Sie wissen also nichts über die näheren Umstände. Frau Doktor Sägebrecht ist Chefärztin, ihr wird es doch leichtfallen, Beweise vorzulegen.«

      Barsch erwiderte Weberecht: »Das wird sie nicht. Das muss sie auch nicht. Das Wort einer anerkannten Persönlichkeit unserer Gemeinde genügt mir.«

      »Rechtstaatlich gesehen ist das reichlich dünn. Wenn eine Superärztin keine Verletzungen gutachterlich belegen kann, dann wird es auch keine Körperverletzung gegeben haben.«

      Weberecht marschierte auf seinen Plattfüßen bis zu Tür und riss sie ungehalten auf. »Wenn es notwendig ist, dann wird Frau Doktor Sägebracht ein solches Gutachten vorlegen. Und ob das reicht oder nicht, entscheide ich.«

      Mit diesen Worten warf er die Tür zu und ließ eine mächtig verärgerte Schulleiterin zurück.

      »Ich habe also fünf Jahre studiert und weitere zehn Jahre Erfolge in der Pädagogik erzielt, Veröffentlichungen verfasst, Preise eingeheimst, damit mir ein autoritärer Frauenhasser ans Bein pinkelt? Warum haue ich dem nicht einfach die Kaffeekanne auf den Kopf?«, fragte sie ihren Schreibtisch. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Natürlich war ihr bewusst, dass man mit Weberecht nicht wirklich reden konnte. Wenn sie es vermocht hätte, ein wenig Unterwürfigkeit zu zeigen, alles wäre in Ordnung gewesen. Aber genau das konnte sie nicht. Genau das brachte ihr immer wieder Ärger ein.

      II. Freund und Feind auf Position

      Schmickler schaute durch den Türspion, erkannte die Gestalt, atmete tief durch und öffnete unter Herzklopfen die gepanzerte Tür. Dann starrte er den Mann eine Weile an, bevor er brüchig hervorbrachte: »Herr! Was tut Ihr hier?«

      Der andere gab freundlich zurück: »Darauf warten, dass Ihr mich herein lasst, Jacques. Wie sieht es aus, besteht Hoffnung, dass Ihr mich hereinbittet?«

      Mit frischer Röte im Gesicht machte Schmickler Platz. Der Mann betrat die Wohnung, stellte sich in die Mitte dessen, was bei anderen Menschen Wohnzimmer genannt wurde, und betrachtete jedes Detail eingehend. Sein unfreiwilliger Gastgeber stand daneben und fühlte sich wie ein Lehrling bei der Prüfung. Endlich fiel der Groschen, er bot seinem Gast einen Platz an und bewirtete ihn. Ernst betrachtete dieser das ihm dargebotene Weizenbier, nahm bedächtig einen Schluck, lehnte sich sodann zurück und musterte Schmickler.

      »Setzt Euch, Jacques, Ihr wirkt recht unselbständig, wie Ihr da steht, mit Händen, die miteinander ringen.«

      »Ich, äh, ich hatte nicht damit gerechnet, dass so schnell jemand käme, und dann auch noch Ihr.«

      Der Gast lächelte versonnen.

      »Diese Wirkung auf andere Menschen scheint mir anzuhaften. Jeder ist erstaunt, mich zu sehen. Gleichwohl ist einem jeden bekannt, dass ich existiere. Sei’s drum. Würdet Ihr Euren Verstand gebrauchen, wäre Euch bewusst, dass die Sache, die Ihr gemeldet habt, von erheblicher Wichtigkeit ist. Also bitte: Erzählt es noch einmal.«

      Schmickler tat dies ausführlich, gab


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