Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See. Jürgen Ruszkowski
Zelluloseballen, teilweise auch als Deckslast, die nach Frankreich ging, im Skagerrak in einen Sturm. Mit Schlagseite mussten wir Esbjerg als Nothafen auflaufen. Nach Tagen setzten wir die Fahrt in Richtung Brest fort, und dort war es wieder sehr schön. Nach 11 Monaten Fahrzeit musterte ich am 23. Juli 1938 in Itzehoe als Jungmann ab, verließ dieses Schiff, mit dem ich doch so viele harte und auch schöne Stunden erlebt hatte, und fuhr nach Hause.
In meinem kleinen Heimatdörflein fand ich Besinnlichkeit und Freude mit meinen Lieben. Ich übte wieder mal Landwirtschaft und half zu Hause bei der Ernte. Auch diese Zeit war für mich erlebnisreich im Kontakt mit der inzwischen herangewachsenen Dorfjugend und den auf den Bauernhöfen eingesetzten Arbeitsmaiden. Die Sehnsucht nach Abenteuern trieb mich aber bald wieder fort, und ich bestieg am 9. August 1938 in Stettin einen 2.000-Tonnen-Dampfer, der als Frachtschiff auf der Ost- und Nordsee verkehrte. Der Kapitän, Paul Daunehl, war für mich ein lieber Vaterersatz. Nach vielen schönen Fahrten verließ ich dieses Schiff am 25. April 1939 in Holtenau als Leichtmatrose und kehrte wieder heim. In der elterlichen Landwirtschaft half ich wieder nach Kräften, bis mich erneut die Sehnsucht packte und ich am 22. Mai 1939 in Stettin als Leichtmatrose den Bäderdampfer ODIN bestieg. Es war ein kleines, schönes Schiff, geführt von Kapitän Reichert. Mit diesem Bäderschiff fuhren wir von Stettin über das Oderhaff nach Swinemünde und weiter über Ahlbeck und Sassnitz über die Ostsee nach Kopenhagen und zurück. Leider sollte der Dampfer dann als Zielschiff zum Torpedo-Übungsschießen eingesetzt und in Wilhelmshaven stationiert werden. Dieses war gegen meinen Willen, denn ich wollte ja in der zivilen Seefahrt tätig sein. Da ich noch nicht beim Militär gedient hatte, konnte ich nach anfänglichem Ärger doch abmustern.
So stand ich am 15.6.1939 wieder in Wilhelmshaven mit meinem Seesack auf dem Bahnhof. Dort konnte ich auf einem Anschlag lesen, dass die Hochseefischerei in Wesermünde dringend Leute suche. Ein Telefonanruf zur Heuerstelle in Wesermünde ermunterte mich zum Kommen. Ich fuhr mit dem nächsten Zug nach Wesermünde und begab mich zum Seemannsheim. Dort wurde ich herzlich empfangen, und konnte hier essen und übernachten. Dieses Heim war ja für uns Seeleute eine Art Ersatzmutter.
Am nächsten Morgen meldete ich mich in dem unten im Seemannsheim befindlichen Heuerbüro. Dort standen schon drei Mann in Rollkragenpullovern und langen Seestiefeln, die dringend Opfer suchten und mich freundlich grüßten. Ich war sportlich gekleidet und braun gebrannt und wurde sofort nach woher und wohin gefragt. Als sie von mir hörten, dass ich ein Schiff suche, fragten sie nach meinen Fahrzeiten. Als Vollmatrose wurde ich sofort auf ihrem Schiff, der LUDWIG SANDERS angeheuert und konnte noch am 16. Juni 1939 an Bord gehen. Der Kapitän, Hans Cassebohm, führte diesen Fischdampfer auf Delikatess-Fischfang nach Island. Für mich begann eine neue Art der Seefahrt, die ich bisher noch nicht kannte: Netze aussetzen und einholen, Fische schlachten, säubern und auf Eis legen. Es war für jedermann an Bord harte Arbeit. Wir bildeten als Besatzung eine Familie. Der Kapitän, unser „Oler“, war sehr beliebt. Drei Fangreisen, jeweils nach 20 Tagen zurück nach Wesermünde, machte ich mit. Mit dem Entladen im Heimathafen hatten wir keine Arbeit. Für jeweils 48 Stunden im Hafen war das Seemannsheim mein Zuhause und in der Kneipe Holmeyer fanden wir Erfrischung. Das Taxi 02 brachte mich vom Hafen für 1,50 Mark zu dem netten Tanzlokal Spiegelsaal und Kaffee Albrecht, wo wir schöne Stunden bei Tanz erleben konnten. Dann rief uns wieder die Pflicht. Bei der Ausfahrt stand ich immer mit dem Kapitän auf der Brücke am Ruder. Durch die Hafenschleuse am Lloyd-Kai, am Roten Sand, an Helgoland, Schottland, den Färöer-Inseln vorbei ging es nach Reykjavik. Vor der Küste von Schottland erreichte uns am 30. August 1938 ein Funkspruch, dass alle deutschen Schiffe umgehend ihren Heimathafen anlaufen müssten. So waren wir am 1. September wieder im Wesermünde, und der zweite Weltkrieg hatte begonnen. Mit diesem Schiff, umgerüstet als Vorpostenboot, gegen England zu fahren, widerstrebte mir. So musterte ich am 11.9.1939 endgültig aus der Seefahrt ab und fuhr mit meinem Seesack wieder nach Hause.“
Oskar Klebsch meldete sich freiwillig zur Luftwaffe, um nicht mit der Kriegsmarine gegen England fahren zu müssen, das er bei seinen Hafenaufenthalten schätzen gelernt hatte. Er sollte als Pilot ausgebildet werden und war später als Fallschirmjäger infanteristisch in Russland eingesetzt. Im Krieg hat er durch eine Verwundung den linken Fuß verloren und war daher nach dem Krieg leider nicht mehr seediensttauglich: „Dieser Krieg zerstörte meine Träume von einer schönen Welt im Frieden und meine Hoffnung auf eine seemännische Karriere. Auch der Wunsch meiner Eltern, dass ich Erbhofbauer würde, blieb ein Traum, denn in der Folge des von Hitler verursachten verbrecherischen Krieges ackert heute ein polnischer Bauer auf der Jahrhunderte lang deutsch gewesenen elterlichen Scholle.“
http://seeleute.npage.de/oskar-klebsch.html
http://seeleute.klack.org/seite6.html
Kapitän Wolfgang Schmidt
Wolfgang Schmidt wurde am 2. August 1926 in Hamburg als Sohn eines Reedereiangestellten geboren. Zunächst besuchte er die Volksschule, dann das Bismarckgymnasium, wo er 1944 das Abitur machte. Die Lust zur Seefahrt in ihm wurde offenbar durch seinen Vater geweckt, indem er ihn berufsbedingt häufig in den Hafen und auf Schiffe mitnahm. Am liebsten wäre er Schiffsarzt bei der Marine geworden, was durch den verlorenen Krieg vereitelt wurde.
Am 21.03.1944 begann er seine seemännische Laufbahn als Decksjunge auf der KEHRWIEDER, und er war ab dem 29.03.1944 auf dem Schulschiff DEUTSCHLAND. Ab 13.06.1945 fuhr er als Leichtmatrose auf der AAR, ab 15.02.1946 als Matrose auf der LUISE LEONHARDT, anschließend auf A. H. BOTH, TEUTOBURGER WALD, HEROS, RHEIN, WERNER und HAPARANDA. Dann folgte 1949/50 der Besuch der Seefahrtschule.
Ab 19.08.1950 fuhr Wolfgang Schmidt als 3. Offizier auf der FRIEDEN, der GLÜCKSBURG und vom 9.07.1951 bis 30.09.1951, sowie vom 1.10.1951 bis zum 3.10.1952 auf der ADOLF LEONHARD.
Der 1992 verstorbene, 1951 25jährige 2. Nautische Offizier der ADOLF LEONHARDT, Wolfgang Schmidt, berichtet über eine weihnachtliche Sturmhavarie der ADOLF LEONHARDT 1951:
Die Dünung nimmt zu, von Stunde zu Stunde. Der winterliche Atlantik will sich zum Weihnachtsfest 1951 von seiner unheimlichsten Seite zeigen. Auf der Kommandobrücke des 7.000 BRT großen Hamburger Motorfrachters ADOLF LEONHARDT ist es mit dem gewohnten Hin- und Hergehen schon längst vorbei.
Nicht einmal der breitbeinigste Seemannsschritt reicht aus, um notdürftig Gleichgewicht zu halten: so stampft und rollt, schlingert und giert das große Schiff, trotz der 12.000 Tonnen amerikanischer Feinkohle in den abgründigen Laderäumen, die es tief in die See drücken. Der 1. Offizier Maruhn hat die Brückenwache in dieser auffällig frühen Abenddämmerung. Aber auch Kapitän Wiese ist in das Ruderhaus gekommen, obwohl gerade der Weihnachtsabend anbricht und in den Messeräumen der Offiziere und Mannschaften mit Aufbietung aller nur denkbaren Befestigungsmittel versucht wird, richtiges Weihnachten herbeizuzaubern, denn Deutschland, die Heimat, ist noch weit – noch Tausende von Seemeilen. Die ADOLF LEONHARDT zieht mitten auf dem Atlantik ihre Schaumbahn, zwischen Norfolk an der nordamerikanischen Ostküste und dem Golf von Biscaya vor dem englischen Kanal.
Wieder setzt Kapitän Wiese das Glas vor die Augen, tastet den Horizont ab. „Das Wetter gefällt mir gar nicht, Maruhn. Die Sonne kann doch nach der Uhrzeit noch nicht untergegangen sein, aber es wird blauschwarz, von allen Himmelsrichtungen her. Haben Sie in den Jahren, seit Sie auf der Brücke stehen, schon mal so etwas gesehen?“ Maruhn schüttelt nur den Kopf. „Wenn der Pott nur auf Kurs zu halten wäre! Da hat man auf dem Schiff