Das Friedrich-Lied - 1. Buch. Henning Isenberg

Das Friedrich-Lied - 1. Buch - Henning Isenberg


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wollte. Und diese Anspannung begann sich über ihre Tafel hinaus über den ganzen Saal zu legen. Er sah in die betreten Mienen der Tischgesellschaft. Er hob den Arm und rief den Spielleuten zu, „Spielt auf!“

      So kam das Gespräch den ganzen Abend nicht mehr auf die ungeklärte Lage der Grafschaft.

      Am nächsten Morgen wurde das Erbe Arnolds von Altena an seine Familie übergeben. Adolf von Altena war zwar nicht mehr Erzbischof, aber vollzog er den Akt auch in Abwesenheit seiner Amtswürden. Und, es hätte keinen Besseren für diese Aufgabe geben können. In juristischen Dingen war er beschlagen, wie kein anderer, und bis zum Antritt des Erbes durch Friedrich war er das Oberhaupt der Grafschaft gewesen.

      Zu Gunsten der Heiligen Kirche wurden umfangreiche Schenkungen verfügt. Dies aus zwei Gründen. Zum einen um gegen seinen Buhlen, Bruno von Sayn, im Streit um das Erzbistum zu siegen. Zum anderen versprachen die Spenden den vier jüngeren Brüdern Friedrichs – in guter Vorsorge für seine Sippe – den Ausblick auf hohe Kirchenämter.

      Nur der Jüngste, Adolf, blieb dem weltlichen Leben erhalten. Er war dem Fräulein von Holte versprochen. Einem Kind mit reichem Besitz, welches ihm den Titel des Herrn von Holte verschaffen sollte. Außerdem erhielt Adolf Pferde und Waffen sowie eine Leibrente zur Sicherung seines persönlichen Auskommens.

      Friedrich jedoch folgte Graf Arnold als erster Graf von Altena zu Isenberghe nach. Ihm oblag es nun, den Platz neben seiner Mutter einzunehmen, den sein Vater hinterlassen hatte, ihm oblag es nun, die Herrin und das Land zu schützen. Nun war Friedrich Herr der Grafschaft.

      Umso mehr ärgerte es ihn, dass seine Mutter und Oheim Adolf ihn später am Tag von der Unterredung über seine Zukunft im Audienzsaal des Grafen ausschlossen.

      Doch Friedrich kannte den hohen Raum, dessen Dach von einem Gewirr aus Balken und Streben gehalten wurde. Vom Turm des Palas aus konnte man über ein kleines Fenster im Giebel in das Innere der Halle gelangen. Es war nicht ungefährlich und Friedrich schaffte es, sich in dem Gebälk einzurichten, als sich die Tür zu dem Arbeits- und Empfangssaal öffnete und seine Mutter gefolgt von Adolf eintrat.

      „

      Mathilde“, sprach Adolf seine Schwägerin an, „habt Ihr Euch schon Gedanken gemacht, wie Ihr jetzt die Grafschaft führen wollt?”

      „

      Ja, habe ich!” antwortete sie knapp.

      „

      Ich würde wünschen, ehrwürdiger Vater, Ihr würdet die finanziellen Dinge regeln, bis Friedrich sie übernehmen kann.”

      „

      Mathilde, ich bin dabei meinen Sitz zurückzugewinnen, da bleibt keine Zeit, mich auch noch um diese Angelegenheit zu kümmern.“

      „

      Ihr habt den Tod meines Mannes verschuldet, indem Ihr ihn überredet habt, mit Euch ins Midi zu ziehen.“

      „

      Ach, so ist das. Endlich kommt Eure wahre Meinung zur Sprache. Ich kann Euch nur sagen, dass Arnold freiwillig mit auf den Kreuzzug gegangen ist, wie auf die übrigen zuvor auch.“

      „

      Er ist Euer Bruder gewesen. Er konnte Euch nicht im Stich lassen; das wusstet Ihr. Ein einziges Wort von Euch hat gereicht. Gebt das doch wenigsten vor Euch selbst und im Angesicht des Herrn zu.“

      „

      Ich trauere genau wie Ihr um Euren Mann, um meinen Bruder. Ich bin nicht Schuld an seinem Tod. Und unter Druck setzen lasse ich mich schon gar nicht.… Außerdem habe ich die letzten Jahre damit verbracht, den Schuldenberg des Erzstiftes zu verringern, ich bin des Geldes fast müde. Ich kann es nicht machen. Ihr müsst eine andere Lösung dafür finden – selbst in der Zwischenzeit. Sollte Friedrich mit Dietrich gehen, so könnt Ihr vielleicht für den Übergang einen Amtmann damit betrauen.”

      „

      Es ist heillos. Soll ich in der Mark um Hilfe suchen?!”

      „

      Traut Ihr meines Bruders Sohn? Ich stehe in Eurem Lager, weil ich von meinem Neffen Ado nichts Gutes erwarte.”

      Er endete mit einer abschätzigen Geste und schwieg für einen Moment, bevor er fortfuhr.

      „

      Friedrich und Ihr braucht einen Plan, der lange währt. Es muss aus ihm kommen. Doch er ist noch nicht bereit, diesen Plan auszudenken, versteht Ihr?!“

      Mathilde schwieg und schaute auf die in frohen Farben dargestellten Jagdszenen auf dem großen Wandteppich an der bruchsteinernen Stirnwand des Saales.

      Friedrich duckte sich hinter einen Balken.

      Adolf fuhr fort, „wartet nur. Wenn er aus Italien zurückkommt, wird er gereift sein. Vertraut auf Euren Bruder. Er ist der beste Führer und Lehrmeister.“

      Obwohl er sich, ob der Anschuldigungen Mathildes, selbst hatte zur Räson rufen müssen, sprach Adolf noch eine Weile besänftigend auf seine Schwägerin ein. Mathildes Vorstellungskraft reichte nicht aus. Zu sehr war sie von der Furcht und der Last des Alleinseins gefangen. Ohne eine Lösung für das Problem gefunden zu haben, ging schließlich jeder seiner Wege.

      Mit dem Eindruck, dass Mathilde noch Zeit brauchte, ihre Zurückhaltung und ihren Selbstschutz gegen andere Gedanken einzutauschen, ging Adolf über den Wehrgang der Oberburg. Nun, er hatte noch einen ganzen Sommer und einen ganzen Winter Zeit.

      Friedrich aber, der das Gespräch im Gebälk des Saales angehört hatte, ohne dass jemand seine Anwesenheit bemerkt hätte, machte sich froh wieder auf den Weg in seine Kammer im jenseitigen Teil, des Palasturmes. Er hatte Adolf offensichtlich verkannt, denn in ihm hatte er einen Fürsprecher gefunden.

      Am Tag seiner Abreise ging Dietrich zu Adolf von Altena und bat ihn weiterhin auf Mathilde einzudringen.

      Als Friedrich Isenburgh verließ, spürte er Unbehagen. Er schaute sich um. Seine Blicke suchten die Mauern und Zinnen ab. Doch sah er die strenge Mutter nicht. Zu dieser Blöße hätte sie sich nicht in diesem und auch nicht im nächsten Leben hinreißen lassen. Schon der Abschied war kühl gewesen und hatte Friedrich mit dem Gefühl tiefer Schuld zurückgelassen. Hätte sie ihnen doch nur von dem Wehr nachgeschaut – es hätte ihm schon gereicht. Wie ein geprügelter Hund folgte er seinem Oheim nach Cleve. Es mangelte ihm am Segen der Mutter. Er litt. Er fühlte sich kraftlos. Würde er jemals Sophie zur Frau nehmen, so war sie sicherlich die Frau, die ihn in schweren Momenten stützen würde. Inständig hoffte Friedrich auf die Fürsorge der einfühlsamen und schönen Mathild, der Frau seines Oheims Dietrich, die er aus der Ferne anbetete, solange Sophie noch nicht in seinem Leben war.

       Cleve

      Am späten Nachmittag hatten sie die Schwanenburg fast erreicht. Friedrich hegte, obwohl sein Oheim selbst noch in einem Alter von noch nicht dreißig Jahren stand, große Bewunderung für Dietrichs Ritterlichkeit und Mannhaftigkeit. Dietrich war ein Ritter des Reiches, der in der Blüte seiner Ausstrahlung und Kraft stand. Weise im Geiste und edel in seinen Gebärden, war all sein Verhalten ritterlich und erlesen.

      Doch er, Friedrich, war zu schüchtern, ihm seine Liebe zu zeigen, noch ihm sein Ziel, einmal nach Jerusalem ziehen zu wollen, zu nennen. Er traute sich so wenig, ängstlich durch die schlimmen Ächtungen der strengen, durch das Elternhaus und die Kirchenjahre geprägten Vorstellungswelt. So liebte er seinen Oheim im Stillen und schwor ihm Treue.

      Einzig teilte er in diesen Tagen seinen Wunsch, auf den Kreuzzug zu gehen, mit zwei Menschen.

      Die Zeit seiner Knappschaft unter dem Clever Lilienhaspel teilte Friedrich mit Conrad von Wied und Gerhard von Büderich. Sie waren, wie er, von befreundeten Adligen der Obhut Cleves überantwortet worden. Die Burschen verbrachten die meiste Zeit gemeinsam und trotz ihres gemeinsamen Standes, hatten die Kirchenjahre die Unfähigkeit, die innere Distanz zu den Freunden zu überwinden, in Friedrich hervorgebracht.

      Zudem suchten sie ihrerseits das Weite, wenn Friedrich


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