Das Friedrich-Lied - 1. Buch. Henning Isenberg

Das Friedrich-Lied - 1. Buch - Henning Isenberg


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ging es um nichts anderes als Macht. Plötzlich erinnerte er sich des strafenden Blickes seines Mutterbruders. Der Ärger über die Zurechtweisung überwog sein Schuldbewusstsein.

      Warum darf ich nicht bei den Gesprächen der Großen dabei sein? Schließlich wollen sie, dass ich meinem Vater nachfolge. Dann müssen sie mich auch so behandeln, als sei ich an seiner Stelle. Ich lasse mich nicht länger wie ein kleines Kind behandeln!

      „

      Was machst du hier?“, fragte ihn eine Knabenstimme hinter ihm. Friedrich erschrak. Er wendete den Kopf und erblickte einen edlen, in Samt und Brokat gekleideten Jungen, der vom Stift zum Ufer herunter gekommen war.

      „

      Nichts“, antwortete Friedrich trotzig.

      „

      Wie, nichts?!“

      „

      Ja, eben nichts.“

      „

      Man kann nicht nichts tun.“

      Friedrich verdrehte die Augen.

      „

      Gerade schaust du zu dem Dorf da drüben. Gehört es dir?!“, sagte der Junge.

      Friedrich nickte. „Ich denke, ja“, sagte er etwas unsicher. Die Fragen des Jungen bedrängten ihn. Er fühlte sich unwohl.

      „

      Wer bist du und was willst du?!“, fragte er barsch.

      „

      Otto, der Sohn des Simon von Tecklenbourgh.“

      „

      Ah“, sagte Friedrich.

      „

      Es tut mir leid – das mit deinem Vater.“

      „

      Schon gut. Habe ihn kaum gekannt“, murrte Friedrich zurück.

      „

      Oh. Verstehe. Ich kann ebenfalls nicht sagen, dass ich meinen Vater gut kenne. Ich diene, seit ich sieben bin, dem Herrn von Holte, meinem Oheim.“

      Friedrich begann die ruhige und überlegte Art, wie Otto sprach, zu berühren. Ganz anders, als er selbst gab sich dieser feine Knabe.

      „

      Wie kommt es dann, dass du mit nach Isenbourgh durftest? Der Herr von Holte ist nicht anwesend, obwohl seine Tochter meinem jüngsten Bruder versprochen ist.“

      „

      Ich bin so zu sagen sein Abgesandter.“

      Friedrich lachte auf. „Pah, du und abgesandt!“

      Otto lächelte. „Naja, ich bin nun fünfzehn und mein Vater hat mich aus Holte zurückgeholt, um mich in seine Geschäfte einzuführen.“

      „

      Also bist du der Älteste.“

      Otto nickte.

      „

      Ich auch“, sagte Friedrich, „aber ich werde nach Italien ziehen, um meinem König zu dienen.“

      „

      Oh, das ist großartig. … Hm, aber wer übernimmt dann hier die Geschäfte, wenn du es als Ältester nicht tust?“

      Friedrich zuckte mit den Achseln.

      „

      Mir doch egal. Wird sich schon einer finden. …Ich muss erst die Ritterschaft erwerben, bevor ich hier meinen Platz einnehmen kann.“

      Otto zeigte sich beeindruckt. „Toll, das würde ich auch gerne.“

      „

      Und, warum kommst du nicht mit?!“

      „

      Vater meint, das sei nicht mein Weg. Denn wir hatten auch schon darüber gesprochen.“

      „

      Wie, will er dem Kaiser nicht Gefolgschaft leisten?!“

      „

      Wir sind treue Fahrensleute der Welfen. Doch, so scheint es, sind wir befreit. Mein Vater sagt, er habe im Kreuzzug genug geblutet.“

      „

      Das hat mein Vater auch.“

      „

      Das ist wohl wahr!“, rief jemand aus dem Hintergrund.

      Friedrich und Otto schauten sich ruckartig um. Der mächtige Ritter von vorhin kam leicht hinkend auf sie zu.

      „

      Ich war mit deinem Vater zusammen im Morgenland. Unsere beiden Heere haben hohe Verluste hingenommen. Und es ist schon lange her. Aber im Thronstreit mit Philipp dem Schwaben in den letzten zehn Jahren, waren die Verluste noch höher als zur Zeit der Kreuzzüge, mein Junge. Während der König im Süden weilt, ist es mein Auftrag, den Frieden in den Welfischen Stammlanden zu bewahren.“

      Friedrich schaute Simon von Tecklenburg ehrfürchtig und mit großen Augen an. „Sind wir dann auch befreit?!“

      „

      Schon möglich, Junge. Außerdem will ich, dass Otto“, dabei legte er seinem Sohn die Hand auf die Schulter, „in die Kunst des Regierens eingewiesen wird.“

      Er machte eine Pause, um dann fortzufahren.

      „

      Es tut mir sehr leid um deinen Vater. Wir waren enge Freunde. Und ich trauere nicht nur, weil einem der Tod in meinem Alter ebenfalls nahe sein kann, sondern weil meine Liebe für diesen guten Mann groß ist.“

      Na, wenigsten gibt es hier jemanden, der gut von Vater spricht, dachte Friedrich bei sich.

      „

      Komm, mein Junge“, sagte Simon und führte Otto, indem er ihn an der Schulter hielt, mit sich.

      „

      Ich möchte auf keinen Fall, dass dir der junge Isenberghe den Mund auf den Italienfeldzug wässrig macht.“

      „

      Warte, Vater!“

      Otto entzog sich dem Griff seines Vaters.

      „

      Ich möchte Friedrich Lebewohl sagen.“

      Simon ließ seinen Sohn gewähren. Otto lief zurück und streckte Friedrich die Hand entgegen. Ohne sich zu erheben schlug Friedrich ein.

      „

      Viel Glück in Italien, Friedrich.“

      Dann wandte Otto sich um und lief zu Simon.

      Ja, lauf nur zu deinem Vater, dachte er. Doch sein trauriger Blick verriet sein Verlangen nach ihrer Zweisamkeit. Wut stieg in seinen Kopf. Er wendete sich wieder dem Flusse zu und starrte auf das ruhig dahin fließende Wasser. Nach einer Weile mischte sich die Wut mit Trauer. Tränen rannen über Friedrichs Gesicht. Auf dem angespülten Baumstamm hockend schluchzte er bitterlich.

      4. Kapitel

      Eine Hand legte sich zwischen seine bebenden Schulterblätter. Friedrich hielt inne. Schnell wischte er sich mit der Hand die Tränen aus den Augen. Ruckartig erhob und straffte er sich. Dann drehte er sich der Nonne zu. Er blickte in Guldas helle Augen.

      „Mein Vogt, trauert Ihr um Euch selbst oder um Euren Vater?“

      Friedrich blickt verstört drein. „Beides.“

      „

      Was ist es am meisten?“

      „

      Ich bin ganz allein und alle interessieren sich für sich selbst.“


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