Heil mich, wenn du kannst. Melanie Weber-Tilse

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Susan. Ich rufe Dr. Hunter und Mr. Thompson an.« Ms. Weatherbee nickte lediglich, weiterhin zischend nach Luft ringend. »Wie ist der Abstand?«, fragte Lorraine ruhig, und war selbst erstaunt, wie gelassen sie gegenüber der Tatsache reagierte, dass hier ganz offensichtlich ein neuer Erdenbürger dringend auf dieselbe wollte.

      »Offfft ...«, keuchte Susan, bevor sie erneut aufstöhnte.

      »Ich bin sofort wieder bei Ihnen.«

      Mit eiligen Schritten verließ Rain das Zimmer, eilte nach unten und rief noch auf der Treppe nach Mrs. Mitchell. »Emma, rufen Sie Mr. Thompson an. Das Baby kommt!« Zeitgleich hatte sie schon nach ihrem Handy gegriffen, auf dem alle Telefonnummern vorsorglich eingespeichert worden waren und rief Doktor Hunter an. Er war der Hausarzt der Thompsons und würde alle weiteren Schritte kennen, da Susan eine Hausgeburt gewünscht hatte.

      »Ms. Baker!«, meldete sich der Doc keine 30 Sekunden später. »Ist es soweit?«

      Lorraine nickte, bis ihr klar wurde, dass er das nicht sehen konnte. »Ja, Doc. Ich denke schon. Ms. Weatherbee konnte mir keine Informationen über den Abstand der Wehen geben. Ich würde sagen, bitte ... beeilen sie sich!«

      »Oh, verstehe. Ich werde die Hebamme informieren, wir machen uns sofort auf den Weg!« Im Hintergrund konnte man hören, dass der Doktor in hektische Betriebsamkeit verfiel. »Bis gleich, Lorraine.« Es klickte in der Leitung.

      Von oben ertönte ein gedämpftes Stöhnen. »Emma, ich brauche bitte Handtücher. Glaube ich.« Krampfhaft versuchte Rain, sich daran zu erinnern, was sie noch übers Kinder kriegen wusste. Leider war das nicht besonders viel, denn ihre Aufgabe war es nun mal, Kinder zu betreuen, nachdem sie auf der Welt waren.

      Die Haushälterin trat mit einem Telefon in der Hand aus der Küche. »Mr. Thompson ist unterwegs. Ich bringe Ihnen gleich die Handtücher!«

      »Vielen Dank, Emma. Könnten Sie bitte ... falls Cassy wach wird ...?« Sie sah Mrs. Mitchell an, die sogleich nickte. »Ja. Ich werde Cassandra beschäftigen.«

      Als von oben erneut ein lautes Keuchen erklang, wurde die Haushälterin blass. »Soll ich einen Tee machen?« Lorraine konnte nicht anders, sie musste lächeln.

      »Nein, ich glaube, danach steht ihr jetzt nicht der Sinn. Arzt und Hebamme sind unterwegs. Ich werde mir jetzt die Hände waschen und sehen, ob ich irgendwas tun kann. Wir kriegen das schon hin, Emma!«

      Nachdem sie sich im Bad die Hände gewaschen hatte, kehrte Rain zurück ins Gästezimmer. Susan lag blass und stumm da, beide Hände an den Bauch gelegt. Schweißperlen rannen ihr Gesicht herab.

      »Doc Hunter ist unterwegs. Michael ebenfalls.« Lorraine trat ans Bett heran. »Susan, wir werden jetzt so gut es geht alles vorbereiten, in Ordnung?« Sie bemühte sich darum, ihre Stimme zuversichtlicher klingen zu lassen, als ihr zumute war. Emma betrat den Raum, einige Handtücher und eine zweite Decke auf dem Arm, die sie auf dem Nachttisch ablegte. »Emma, helfen Sie mir bitte eben. Ich würde sie gern etwas bequemer hinsetzen.« Gemeinsam richteten die beiden Frauen das Bett für Susan so, das sie nicht mehr vollkommen flach auf dem Bett lag, sondern mit erhöhtem Oberkörper.

      Immer wieder krümmte sich die Hochschwangere, keuchte und stöhnte. »Emma? Bringen Sie mir bitte eine Schüssel mit warmem Wasser?« Die Haushälterin nickte stumm und flitzte davon.

      Lorraine ergriff Susans Hand und drückte sie sanft. »Ich werde Sie jetzt ausziehen, okay? Doc Hunter und die Hebamme sind auf dem Weg, ebenso wie Mr. Thompson.« Statt einer Antwort kam nur ein Keuchen und ihre Finger wurden so fest gedrückt, das Rain fast glaubte, die Knochen knacken zu hören. Dann entwich ein Schrei Susans Lippen und es ertönte ein leises, plätscherndes Geräusch.

      Lorraine schloss die Augen. Oh mein Gott, steh mir bei!, dachte sie bebend, ehe sie ihre Augen wieder öffnete, nach unten blickte und sah, was sie schon befürchtet hatte. Die Fruchtblase war geplatzt. Nein, nein, nein. Das konnte doch nicht wahr sein, oder? Seit etwas mehr als einer Woche erst arbeitete sie jetzt hier und schon stellte das Leben sie auf solch eine Probe.

      Sie atmete mehrmals tief ein und aus, versuchte, sich zu konzentrieren. Schon ein einziges Stöhnen zerstörte die Illusion von Konzentration und Ruhe jedoch gleich wieder und Lorraine besann sich darauf, das sie handeln musste. Sie kletterte auf das Bett und setzte sich neben Susan.

      Ohne weiter zu zögern, schob sie das weite Shirt von Susan etwas nach oben und griff nach dem Bund ihrer Hose. Wieder krümmte sich die Schwangere und gab einen lauten, wehklagenden Schrei von sich. »Es wird alles gut, es wird alles gut!«, sprach sie wie ein Mantra diesen Satz immer wieder vor sich hin. Sie war sich allerdings nicht ganz sicher, zu wessen Beruhigung sie das eigentlich tat. Vorsichtig entkleidete sie Susan und bedeckte sie mit der zweiten Decke, die die weitsichtige Emma eben mitgebracht hatte. Wo ist dieser verdammte Arzt, wenn man ihn braucht?, schoß es ihr durch den Kopf.

      »Nehmen Sie ihre Hände von der Frau und stehen Sie ganz langsam vom Bett auf!«, ertönte in dem Moment eine dunkle Stimme in ihrem Rücken, deren Klang keinen Zweifel daran ließ, das die Worte todernst gemeint waren. Lorraine erstarrte. »Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Miss? Ich richte eine Waffe auf Sie, also sollten Sie besser tun, was ich sage!«

      »Lorraine, es tut mir leid. Es hat geklingelt, und dann standen da diese beiden Männer und wollten zu Mr. Thompson. Ich wollte gerade erklären, das wir auf den Arzt warten, da schrie Susan und die beiden stürmten einfach an mir vorbei!«, konnte sie nun auch eine verzweifelt klingende Emma aus dem Flur vernehmen.

      Rain warf einen letzten Blick auf Susan, die erschöpft die Augen geschlossen hatte und nicht wirklich mitbekam, was hier passierte. Dann hob sie langsam die Hände und richtete sich auf. »Hören Sie, wer auch immer Sie sind, Ms. Weatherbee bek ...«

      »Gehen Sie vom Bett weg«, fiel ihr der Unbekannte ins Wort. Lorraine seufzte, trat einige Schritte vom Bett weg, und drehte sich dann um. Das erste, was ihr ins Auge fiel, war Emma, die mit blassem Gesicht an der Seite stand und zitternd ihre Hände knetete. Dann glitt ihr Blick weiter zu den beiden Männern, von denen einer die Waffe auf sie gerichtet hielt und sie misstrauisch ansah. Er trug einen Anzug, klassisch in schwarz mit weißem Hemd gehalten und sah ein bisschen aus wie ein Agent aus dem Film mit den Außerirdischen. Sein deutlich korpulenterer Begleiter hingegen trug zwar einen Anzug, aber unter der offensichtlich nur mit großer Anstrengung und noch dazu schief geknöpften Jacke prangte nicht nur ein großer Wohlstandsbauch, sondern auch ein buntgemustertes Hawaiihemd.

      »Also nochmal. Mein Name ist Lorraine Baker, und ich bin Kindermädchen. Und diese Frau da«, sie nickte mit dem Kopf in Richtung Susan, »ist die Lebensgefährtin von Mr. Thompson und bekommt gerade ihr zweites Kind. Sollten Sie also nicht vorhaben, mich demnächst wegen unterlassener Hilfeleistung inhaftieren zu wollen, Sir ...« – sie warf dem Anzugträger mit der Waffe einen finsteren Blick zu – »... wäre es vermutlich besser, wenn Sie mich jetzt einfach helfen lassen!«

      Der Blick des Mannes flackerte kurz unsicher, verschloss sich jedoch sofort wieder zu einer undurchdringlichen Maske.

      »Nate?« Mr. Hawaiihemd hob seine Hand und legte sie vorsichtig auf die Waffe des anderen. »Ich denke, sie sagt die Wahrheit. Frauen schreien nun mal, wenn sie Babys bekommen!« Wie zur Bestätigung stöhnte Susan just in dem Moment gequält auf, und der Nate genannte senkte die Hand. »Es tut mir leid«, sagte er dann. »Wir haben den Schrei gehört, und es ist unser Job, erst einmal mit dem Schlimmsten zu rechnen.«

      »Darf ich also jetzt, ohne das ich mit ner Kugel zwischen den Augen rechnen muss?« Mit zusammengekniffenen Augen starrte Lorraine den Anzugträger an. Dessen Mundwinkel zuckte einmal kurz belustigt, dann nickte er. Rain verschränkte die Arme abwartend vor der Brust. Als die Männer nicht reagierten, tippte sie zusätzlich mit dem Fuß auf den Boden. Tapp Tapp. Nach einigen Sekunden seufzte sie. »Darf ich die Herrschaften dann wohl hinaus bitten? Oder kennt sich einer von Ihnen mit Hausgeburten aus?« Sie blickte herausfordernd zwischen Mr. Hawaiihemd und dem Anzugträger hin und her.

      Mr. Hawaiihemd riss die Augen auf, schüttelte dann fast panisch den Kopf. »Nein, das letzte Mal, als ich bei einer Geburt dabei war,


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