Heil mich, wenn du kannst. Melanie Weber-Tilse

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hatte hingegen, verstaute seine Waffe und zog ohne zu zögern sein Jackett aus. Dann begann er, seine Hemdärmel aufzuknöpfen und es die Unterarme hinaufzurollen. Überaus muskulöse Arme im Übrigen, wie Lorraine feststellte.

      Fast hätte sie gekichert über ihre eigenen Gedanken, dann jedoch schüttelte sie den Kopf und wandte sich wieder zu Susan um, die ihre Augen mittlerweile wieder geöffnet hatte und sie fragend ansah. Rain griff nach ihrer Hand und drückte sie sanft. »Wohl zu oft CSI geschaut ...«, brummte sie. »Ich hoffe, das der nächste Herrenbesuch, der hier rein platzt, endlich der Arzt und Mr. Thompson sind.«

      Nate trat an ihre Seite. »Also, was soll ich tun?«, erkundigte er sich. Lorraine hätte schwören können, dass dieser Kerl die Ruhe selbst war, obwohl eine Hochschwangere vor ihm im Bett lag und gerade ihr Kind bekam. Hilflos hob sie die Schultern.

      »Oh, doch so viel Erfahrung, ja?«, hörte sie ihn murmeln. »Na, wie gut, dass wenigstens ich weiß, worauf es ankommt. Ich sage Ihnen, was Sie tun sollen.«

      Rain biss sich auf die Lippe, drehte sich um und griff nach einigen der Handtücher auf dem Nachttisch. »Klugscheißer!«, flüsterte sie gepresst.

      »Von Berufs wegen!«, vernahm sie seine spöttische Stimme von hinten.

      Mit den Handtüchern drehte sie sich zu ihm und feuerte ihm einen giftigen Blick entgegen. »Wenn Sie mit den Händen nur halb so geschickt sind wie mit dem Mundwerk, sollte das hier ja ein Leichtes für Sie sein!«, fauchte sie.

      Nates Augen blitzten sie an, er öffnete den Mund und wollte etwas erwidern, doch just in dem Moment packte Susan seine Hand und brüllte auf. Sofort besann sich Lorraine, wo sie eigentlich war, und sank auf das Bett. Dann schob sie die Bettdecke von Susans Körper herunter und griff nach ihren Beinen.

      »Lorraine, Sie müssen versuchen, Susans Beine so anzuwinkeln, das wir gut an ... ähm .... alles herankommen.« In Nates Stimme schwang keinerlei Spott mehr, er war nun absolut ernst. Er löste sanft Susans Hand von seinem Arm, an dem man deutlich sehen konnte, wie fest sie zugepackt hatte. Er setzte sich ebenfalls auf das Bett, ihre Hand nun in seiner haltend. »Hören Sie, Ms. Weatherbee, wir werden unser Möglichstes tun, um Ihnen zu helfen. Aber wir müssen zusammenarbeiten, haben Sie verstanden?«

      Susan nickte, ihre Augen spiegelten die nackte Panik wieder. »Ich bleibe hier sitzen und halte Sie. Brechen Sie mir meinetwegen alle Knochen und schreien Sie mich an, aber ... wir kriegen das hin, okay?«, sagte er vollkommen gelassen und sanfter, als man es im ersten Moment von ihm erwarten würde. Sofort wurde Susan ruhiger. Mit der freien Hand griff er sich ein weiteres Handtuch und wischte ihr sanft den Schweiß aus dem Gesicht, während sie ununterbrochen keuchte und sichtbar verkrampfte unter den Wehen, die durch ihren Körper jagten.

      Rain tat indessen, wie Nate es ihr geheißen hatte, und winkelte Susans Beine an. Als ihr Blick nun zum ersten Mal zwischen diese glitt, keuchte sie auf. »Ich kann schon das Köpfchen sehen«, flüsterte sie erschrocken und sah zu Nathan. Dieser erwiderte ihren Blick und lächelte aufmunternd.

      »Nehmen Sie sich ein Handtuch, Lorraine. Es wird nicht mehr lange dauern, bis das Baby vollkommen draußen ist. Wickeln Sie es ein, halten Sie es warm, okay?« Sie nickte lediglich, breitete ein Handtuch auf der Bettdecke aus und wartete.

      »Was wird es, Susan?«, wandte sich Nate dann wieder an die keuchende Frau.

      »Junge ...«, presste diese mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

      »Sie machen das hervorragend, Susan. Lorraine kann das Köpfchen schon sehen, Sie haben es gleich geschafft! Wir machen das zusammen. Ich halte Ihre Hand, und wenn die nächste Wehe kommt, pressen Sie so fest Sie können.«

      Rain konnte nicht umhin zu bewundern, wie ruhig Nathan blieb, während sie selbst glaubte, gleich zergehen zu müssen vor Aufregung. Ein Ruck ging durch Susans Körper, sie brüllte erneut auf und presste.

      Dann ging alles ganz schnell. Lorraine hatte gerade noch genug Zeit, zuzugreifen und den neuen Erdenbürger in Empfang zu nehmen. Sanft wickelte sie das kleine Wesen in ein Handtuch ein, während es die kleinen Hände zu Fäusten ballte und unwillig seinen Schreck darüber kundtat, so abrupt aus der Geborgenheit des Mutterleibs gerissen worden zu sein.

      Vorsichtig hob sie das kleine Bündel hoch und betrachtete fasziniert den kleinen Kerl, welcher noch immer sein Mündchen vor Empörung weit aufgerissen hatte und brüllte. Dann hob sie den Kopf an und begegnete Nathans Blick.

      »Nicht schlecht, Mr. CSI«, lächelte sie.

      Eine Stunde später saß Lorraine in der Küche, ihr gegenüber Nathan und sein Kollege. Emma wuselte wie ein Derwisch herum, stellte jedem einen Becher Kaffee hin, während sie ununterbrochen plapperte. Kaum zwei Minuten, nachdem der kleine Junge das Licht der Welt erblickt hatte, waren nicht nur Arzt und Hebamme, sondern auch Mr. Thompson eingetroffen. Er hatte ausgerechnet an diesem Morgen noch einmal in die Firma gemusst, und hatte somit die Geburt seines ersten Sohnes knapp verpasst. Sie befanden sich zur Zeit mit Mutter und Sohn im Gästezimmer, wo Susan versorgt wurde. Auch Cassandra war zwischenzeitlich wieder aufgewacht, und Michael hatte sie mitgenommen.

      Bevor sie zu den beiden Herren in die Küche gegangen war, hatte Lorraine geduscht und auf ihrem Zimmer die Kleidung gewechselt. In der Nacht nach dem Vorstellungsgespräch war ihr klar geworden, dass es so mit Ryan tatsächlich nicht mehr weitergehen konnte. Und so hatte sie ihrem Bruder noch am gleichen Abend gesagt, dass er ab sofort selbstständiger werden müsse, und sie nicht mehr anrufen solle, wenn er wegen irgendeiner Geschichte wieder mal in der Patsche steckte.

      Leicht war es ihr nicht gefallen, aber tief im Inneren wusste sie, das es das einzig Richtige war. Ryan hatte überraschend gefasst reagiert, und sich äußerst erfreut darüber gezeigt, dass sie ihm den Schlüssel fürs Haus überlassen hatte. Am nächsten Morgen rief sie Mr. Thompson an und sagte die Arbeitsstelle zu. Noch am selben Tag zog sie mit allem, was sie benötigte, in Thompsons Retreat ein. Bis jetzt hatte sich Ryan noch nicht wieder bei ihr gemeldet.

      Lorraine griff nach ihrem Kaffee und musterte die beiden Männer, die nun wesentlich entspannter wirkten, als bei ihrer Ankunft. »Warum waren Sie beide nun eigentlich hier?«, erkundigte sie sich neugierig.

      Mr. Hawaiihemd zwinkerte ihr zu. »Ich bin Detective Paul Domestic, und meinen Partner, Nathan Mc Kenzie, haben Sie ja schon kennengelernt. Mein Kollege und ich wollten mit Mr. Thompson sprechen. Es geht um einen Fall. Nehmen Sie es nicht persönlich, aber mehr kann ich dazu leider nicht sagen.« Dann reichte er ihr eine Karte, auf der sein Name, eine Handynummer und eine Adresse standen. »Ist immer gut, Kontakte zu haben!«

      Lorraine nickte langsam und steckte die Karte ein, doch bevor sie etwas entgegnen konnte, öffnete sich die Tür und Michael trat ein. Er lächelte. »54 cm und 3840 Gramm«, verkündete er zufrieden. »Beiden geht es hervorragend und die Familie Thompson hat nun also offiziell einen Stammhalter!«

      Emma quietschte. »Michael, reden Sie nicht lange um den heißen Brei herum. Größe und Gewicht, papperlapapp ... wie heißt der Kleine?«, schalt sie ihren Arbeitgeber liebevoll und Lorraine grinste verhalten. Selbst sie, die erst eine Woche hier war, hatte begriffen, wer im Hause Thompson wirklich die Hosen anhatte.

      Michael lachte auf, dann zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich mit an den Tisch. »Mein Sohn heißt Cedric Nathan Richard Thompson.«

      Lorraine blickte auf und starrte erst Nathan, der ebenso überrascht dreinblickte wie sie selbst, und dann ihren Boss an. Der Detective räusperte sich, bevor er sich an Michael wandte. »Wie Sie auf den Namen Nathan gekommen sind, leuchtet mir angesichts der Situation ja gerade so eben noch ein, aber ... warum Cedric?«, erkundigte er sich neugierig. Rain entwich ein unterdrücktes Keuchen. Sie erhob sich und presste die Hand vor den Mund, sichtlich um Fassung ringend.

      »Cedric ist ... war der Name meines Vaters«, brachte sie gerade noch hervor, ehe die Traurigkeit über sie herfiel wie ein Schwarm Heuschrecken, und sie aufschluchzend die Küche verließ.

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