Schwarzes Herz. Andreas Menne Peter
war aber auch bei den anderen Umstehenden zu spüren.
Endlich kamen drei Ritter zum Eingang des Stalls und trugen einen vierten Ritter mit sich.
Isolda atmete erleichtert ein, hielt aber die Luft gleich an, denn so wie sie den Ritter trugen gefiel ihr das ganz und gar nicht.
Einer hatte die Füsse genommen, einer griff um die Hüfte und einer an den Schultern. Jedoch baumelten die Arme des getragenen Ritters herunter.
Direkt vor der Tür des Stalls legten sie ihn ab und jetzt erkannte Isolda auch Leonhard wieder, der die Schultern und den Kopf des Ritters gehalten hatte. Sein Gesicht war verschmiert vor lauter Staub und Schweiss und seine Hände waren blutig, wenn sie es richtig sah.
Die Prinzessin hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht einen kurzen Schrei auszustossen, als sie ihren Bruder so sah, wie er zerschunden über dem anderen Ritter kniete, das Gesicht zu einer Grimasse verzerrt.
Einen Moment später hielt sie aber nichts mehr und sie lief direkt auf sie zu. Die umstehenden Ritter liessen sie selbstverständlich durch und als sie ankam kniete auch der Ritter gerade neben ihm nieder, der mit ihr und dem Vater gesprochen hatte.
Leonhard schüttelte traurig den Kopf.
»Winfried lag ganz unten unter den Trümmern.«
Erst jetzt blickte Isolda genauer auf den liegenden Ritter, dessen Kopf in einem seltsamen Winkel auf dem Hals hing. Und sie erkannte ihn wieder. Das war der freundliche Ritter gewesen, mit dem sie die paar Worte gewechselt hatte.
Sie erschrak und da schaute auch Leonhard zu ihr auf.
Die Augen ihres Bruders sahen unter all dem Schmutz im Gesicht müde und sehr traurig aus.
»Wir tragen ihn in die Ritterschaft«, sprach der andere Ritter.
Als Leonhard und die anderen wieder zupacken wollten, hielt sie der Ritter zurück und sagte: »Ihr habt heute schon genug getan.«
Dabei winkte er mit der Hand und von den umstehenden griffen sofort etliche zu, um den toten Kameraden aufzunehmen und über den Hof zu tragen.
Leonhard schaute sie nun an, wirkte erschöpft und niedergeschlagen und irgendwie kamen ihr seine Augen leer vor.
»Ich bin nur froh, dass du nicht mehr im Stall warst, Schwester«, sagte er dann.
»Ich auch«, antwortete sie, mit einem Kloss im Hals.
»Und es tut mir leid, dass nicht alle dieses Glück hatten.«
Sie griff ihrem Bruder an den Oberarm, er fasste ihre Hand mit seiner und drückte sie fest.
Was sie mehr machen sollte, als ihm auf diesem Wege ein wenig Trost zu spenden, wusste sie nicht, doch er schein dankbar zu sein.
»Wenn Ihr wollt, Prinzessin, dürft Ihr jederzeit gerne mit in die Ritterschaft kommen«, sprach der andere Ritter mit warmen Worten, der still neben ihnen beiden gewartet hatte.
Isolda schaute Leonhard an und nachdem er nickte, nickte auch sie und folgte den beiden.
Leonhard lief mit hängenden Schultern und müden Schritten.
All die Zeit, die sie draussen gewartet hatte, war er im Stall gewesen und musste geschuftet haben bis zum Umfallen, stellte Isolda fest. Zum einen mit Erschrecken, was er da alles hatte leisten müssen, zum anderen aber auch mit Respekt, vor der Leistung, die er vollbracht hatte.
Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal im Gebäude der Ritterschaft gewesen war.
In der grossen Halle, in die sie nun traten, war ein Leinentuch, wie sie es heute schon auf der Strasse draussen gesehen hatte, auf einem Tisch ausgebreitet und der tote Ritter darauf gelegt worden.
Drum rum standen einige Ritter, unter ihnen auch der erste verschüttete, der mit Kopfverletzungen recht schnell gerettet worden war und der eine, der mit dem hängenden Arm zum Schluss herausgebracht worden war. Sein Arm hing nun in einer Schlinge vor seinem Bauch.
Aus einem Nebenraum kam gerade Meister Mondschein, sah sie und ihren Bruder und eilte direkt auf sie zu.
»Wie geht es ihm?«, fragte der Ritter, der sie begleitet hatte, bevor ein anderer etwas sagen konnte.
»Den Umständen entsprechend. Das gebrochene Bein ist geschient. Er dürfte sich einige Rippen gebrochen haben, klagt aber über keine übermässigen Schmerzen, so dass wir hoffen, dass nichts weiter im Inneren des Körpers verletzt ist. Und einige Schürfwunden und Prellungen, die nicht weiter tragisch sind.
Ich denke, dass er wieder vollständig gesund werden wird.«
Das hörte sich beruhigend an, stellte Isolda fest.
»Nur leider haben nicht alle so viel Glück gehabt«, stellte Meister Mondschein traurig fest.
Weiter kam aber auch er nicht, denn in dem Moment kam ein Stallbursche in die Halle gerannt und rief: »Schnell, wir brauchen die Heilerin!«
Sofort hatten sich alle umgedreht und der Ritter neben Leonhard und ihr fragte auf der Stelle: »Was ist geschehen?«
»Hermann und Erna klagen über Magenschmerzen und mussten sich schon übergeben und ihre Tochter auch mehrfach, nur dass sie zudem noch ganz bleich und schwach da liegt und sich vor Schmerzen krümmt.«
Der Ritter entspannte sich wieder etwas, doch Isolda stutzte. Das waren doch die Eltern der kleinen Nora, die sie heute früh im Wald getroffen hatte, wenn sie sich nicht irrte. Sie erschrak.
Um sie herum funktionierten die Ritter allerdings deutlich schneller und sachlicher, denn schon waren zwei verschwunden und kamen sogleich mit der Heilerin zusammen wieder in die Halle zurück.
»Was ist denn geschehen?«, fragte sie den Stallburschen.
»Hermann und Erna und Nora, sie haben alle Magenschmerzen und erbrochen und die kleine Nora liegt bleich und schwach und vor Schmerzen jammernd nur da.«
Die Heilern schaute gross, nickte kurz und schaute zu ihnen herüber.
»Geht und kümmert euch um sie, hier ist das wichtigste erst einmal getan und dort werdet ihr gerade dringender gebraucht«, sprach der Ritter und nickte ihr zu.
Dann folgte die Heilerin dem Stallburschen und nur einen Moment später nahm auch Isolda die Beine in die Hände, um den beiden hinterher zu laufen.
Draussen im Hof musste sie ordentlich rennen, um die beiden wieder einzuholen, kurz bevor sie weiter hinten in einem der Bedienstetengebäude verschwanden.
Durch einen schmalen Gang und eine Treppe nach oben folgten sie dem Stallburschen, der gleich drei Stufen auf einmal nahm und daher ungeduldig oben an der Treppe wartete, bis die beiden Frauen die Treppe hinterher hinauf geeilt kamen.
Dann betraten sie eine kleine Wohnung und standen in der Stube, vor einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen und einer Eckbank, einer Kochstelle und einigen Utensilien und Habseligkeiten. An den Wänden hingen alle möglichen kleinen Stickereien und getrocknete Blumen als Deko.
Im Raum duftete es noch gut nach Essen, nach gekochtem Fleisch und Pilzen.
Der Prinzessin rutschte das Herz in die Hose und ein sehr böser Verdacht keimte in ihr auf.
Aus dem Nebenzimmer kam nun ein Mann herüber, den Isolda als Hermann wiedererkannte, den sie seit eh und je aus dem Stall her kannte.
Er hielt sich eine Hand auf den Bauch und lief nach vorne gebeugt.
»Gut, dass du da bist«, sprach er zur Heilerin.
»Nora liegt nebenan im Bett.«
Sofort eilten sie weiter und betraten das Nachbarzimmer, das so klein war, dass neben einem Bett, einer Truhe und einem Stuhl kaum noch etwas hinein gepasst hätte.
Dort sass Erna auf dem Bett, hielt in der einen Hand die kleinere Hand ihrer Tochter und strich ihr mit der anderen Hand über den Kopf.
Nora lag zusammengerollt, zitternd und kreide