Schwarzes Herz. Andreas Menne Peter
Die Heilerin hatte dem Bauern in der Zwischenzeit die Augen geschlossen und seine Hände auf der Brust gefaltet. Friedlich sah er aus, stellte Isolda fest.
Es verging kaum Zeit, da waren auch schon die ersten vier Ritter zu Pferd wieder zurück und hatten sowohl eine Trage als auch ein grosses weisses Leinentuch dabei.
Die Trage wurde neben den Bauern auf die Strasse gestellt und das Tuch mit wenigen und wie es aussah gut geübten Handgriffen darauf ausgelegt, dass es mittig lag und beide Seiten so eingerollt waren, dass sie nicht auf dem Boden lagen.
Danach hoben sie zu dritt den leblosen Körper langsam und vorsichtig auf die Trage und schlugen ihn komplett in dem weissen Tuch ein, dass man nichts mehr von ihm sehen konnte.
Die Ritter verhielten sich dabei die ganze Zeit sehr ruhig, agierten mit Bedacht und sprachen kein Wort miteinander. Was Isolda angenehm fand, denn Hektik und Aufregung hatten sie hier gerade schon genug gehabt.
Bis der Wagen angerumpelt kam, dauerte es noch einen Moment, der zu einer kleinen Ewigkeit wurde, die die Prinzessin fast wie in Trance verbrachte.
Dann wurde die Trage von Rittern auf den hinten offenen Wagen gehoben und vorsichtig abgestellt. Die drei Körbe, die noch achtlos neben der Strasse lagen, sammelten sie ein, stellten sie ebenfalls mit auf den Wagen und halfen dann der Bäuerin, vorne direkt neben dem Kutscher Platz zu nehmen. Zu ihrer anderen Seite setzte sich ein zweiter Ritter, der gleich einen Arm um sie legte, damit sie ihnen auch nicht während der Fahrt umkippen konnte.
Auch jetzt sprachen die Ritter kaum, verständigten sich mit Blicken und ein jeder wusste, was zu tun war.
Der Ritter, der das Kommando gehabt hatte, blieb mit der Prinzessin, der Heilerin und den Schlosswachen zurück, als der kleine Tross, vier Ritter zu Pferd und der Wagen, sich langsam in Bewegung setzte.
Isolda schaute den Ritter nach einem Moment fragend an und er sprach sehr ruhig: »Wir sorgen dafür, dass die Bäuerin nicht alleine bleibt, bis jemand aus ihrer Familie oder von Verwandten da ist, um sie zu betreuen, damit ihr nichts geschieht.«
»Zählt auch das zu den Aufgaben der Ritter?«, fragte die Prinzessin, die sich langsam wieder gefangen hatte.
Der Ritter nickte.
Das hatte Isolda noch gar nicht gewusst.
»Wir sind da, um zu beschützen und zu helfen, auch in solchen Situationen, wo man die Bäuerin niemals alleine mit dem Verstorbenen auf der Strasse hätte zurücklassen können.«
Isolda nickte.
»Dann lasst uns ins Schloss zurückkehren«, sprach der Ritter.
Isolda stieg auf ihr Pferd und die bunt zusammengewürfelte Truppe machte sich auf den Weg zurück.
Jetzt kam ihr der Weg natürlich viel länger vor, wenn sie ihn nicht im Galopp zurücklegte, doch war diese Zeit nicht verkehrt, wieder Ruhe und Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
Dass sie fast daneben gestanden war, als den armen Bauern der Schlag getroffen hatte, das setzte ihr doch zu, gerade weil sie das Ereignis wie alle hier so völlig unerwartet getroffen hatte.
Die Bäuerin tat ihr leid, denn für sie musste nun eine Welt zusammengebrochen sein.
Am Tor angekommen trennten sich ihre Wege wieder, doch hielt Isolda die Heilerin noch einmal zurück.
»Wie kann denn so etwas einfach so passieren?«
»Warum, das weiss ich nicht«, antwortete diese mit einem traurigen Gesichtsausdruck. »Es passiert immer wieder einfach so, dass einen der Schlag trifft, ohne Vorwarnung.
Vor allem in dem Alter, in dem der Bauer schon war, ist das leider nichts Ungewöhnliches. Das hätte ihm genauso gut bei der Arbeit auf dem Feld oder nachts daheim im Bett ereilen können.«
Isolda nickte und die Heilerin machte einen Knicks, um sich zu verabschieden.
So nahm die Prinzessin die Zügel ihres Pferdes in die Hand um es in den Stall zu führen.
Kapitel 5
oder der 5. Tag im Adventskalender
Hinter sich hörte Isolda das Schlagen der Hufe von Pferden auf dem Pflaster des Schlosshofes, als sie ihr Pferd in den Stall führte.
Erst dachte sie, dass die Ritter, die die arme Bäuerin nach Hause bringen wollten, wieder zurück wären, doch als sie an der Stalltür stehen blieb und zurück schaute, erkannte sie die drei Ritter wieder, die in der Früh kurz vor ihr losgeritten waren.
Sie steuerten ebenfalls den Stall an, stiegen davor ab und grüssten höflich die Prinzessin.
Sie grüsste zurück und führte dann ihr Pferd hinein in den Stall, um den Rittern nicht am Ende noch mitten in der Stalltür im Wege zu stehen.
Der gewohnte Geruch hier im Stall, nach Pferden und Heu tat ihr irgendwie gut und holte sie langsam wieder in die Wirklichkeit zurück, aus der sie durch das Ereignis gerade herausgerissen worden war.
Sie führte ihr Pferd zu seiner Box, öffnete die Verschlüsse des Sattels und nahm ihn ab. Als sie ihn gerade zu seinem Platz auf der gegenüberliegenden Wand hieven wollte, wäre sie fast mit einem der Ritter zusammen gestossen.
Der, schon mit recht gutem Alter, wie sie mit einem Blick in sein Gesicht feststellte, blieb natürlich stehen: »Verzeiht, Prinzessin.«
Und als er sah, dass sie den schweren Sattel immer noch hielt griff er zu und fragte: »Darf ich Euch den Sattel abnehmen?«
In seinen Worten klang eine Freundlichkeit mit, die sich auch in seinen Augen wiederspiegelte, dass Isolda nicht anders konnte, als mit einem Lächeln zu nicken und ihm den Sattel zu geben.
»Danke sehr.«
Der Ritter hielt mit seinen trainierten Armen den Sattel, als würde er kaum etwas wiegen und antwortete mit einem Lächeln: »Sehr gerne.«
Nachdem Isolda nun beide Hände frei hatte, drehte sie sich wieder um, nahm die Decke, die zum Schutz des Pferderückens unter dem Sattel lag, schüttelte sie auf und hängte sie anschliessend, ordentlich zweimal gefaltet, neben den Sattel.
Den Eimer, der daneben parat stand, schnappte sie sich im gleichen Atemzug und ging ein paar Schritte durch den Stall zu den grossen Wassertonnen, um ihn dort zu füllen.
Zurück bei ihrem Pferd stellte sie ihn an seinen Platz in der Box und ihr Pferd schaute ihr dabei zu.
Mit einem Lächeln strich sie ihrem Tier über den Kopf. »Du bekommst ja gleich dein Futter, mein Guter.«
Wieder war sie aus der Box heraus und lief ein paar Schritte um anschliessend einen anderen Eimer mit etwas Hafer zu füllen. Einen Blick warf sie noch in die grosse Tonschale, in der aus der Küche immer wieder Möhren, Äpfel und anderes gebracht wurden, was nicht mehr auf dem Tisch landen sollte.
Sie griff nach drei Möhren um sie mitzunehmen, blieb dann aber noch einen Moment stehen und blickte in die Schale.
Ob hier auch schon etwas dabei ist von dem, was der Bauer und die Bäuerin heute ins Schloss gebracht hatten? Sie konnte es nicht sagen.
Sie musste einen Moment länger in Gedanken hier gestanden haben, denn der gleiche Ritter wie eben wartete geduldig ein paar Schritte weiter, da er selbst für die Pferde der Ritter Futter holen wollte.
»Oh, verzeiht«, sprach Isolda und schämte sich ein klein wenig, dass sie so unaufmerksam mitten im Raum gestanden war.
»Nur keine Eile, Prinzessin«, bekam sie ruhig und freundlich als Antwort.
Ob die drei Ritter bereits wussten, was gerade geschehen war? Aber woher sollten sie.
Als sie an der Box zurück war, streckte ihr Pferd ihr schon voller Erwartung den Kopf entgegen und schnaubte erfreut, als es die Möhren in der Hand roch und gleich die erste vors Maul gehalten bekam.
Nachdem alle drei Möhren weg waren und der Eimer