HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND. Ronald M Hahn
sind also Mann und Frau«, sagte sie. »Das heißt, wir werden heute Nacht in Kensingtons Fort wieder mal in einem – hoffentlich schöneren – Bett schlafen.«
»Ich hoffe, du nutzt es nicht aus«, sagte Roger mit todernster Miene.
»Ich hab nicht vergessen, was ich dir versprochen habe«, erwiderte Lola. »Aber ich wollte eigentlich darauf hinaus, wie wir vorgehen, wenn wir Roxanne finden wollen.«
»Ich schlage vor, dass wir jede Gelegenheit nutzen, um sein Haus auf den Kopf zu stellen. Ich denke da besonders an tiefer liegende Räume, denn in seinem Schlafzimmer wird er Roxanne wohl kaum gefangen halten.« Er hüstelte. »Außerdem wird er heute Abend darauf aus sein, Fifi dorthin zu verschleppen.«
»Ist sie wirklich deine Cousine?«
Roger schüttelte den Kopf. »Das hat sie nur gesagt, um mir die Möglichkeit einzuräumen, Kensington näher kennen zu lernen.«
»Hast du was mit ihr?«
Roger hatte den Eindruck, als sei es ihr nicht ganz gleichgültig.
»Kann man eigentlich nicht sagen.«
Irrte er sich, oder atmete Lola wirklich auf? Sie war ein irgendwie undurchsichtiger Mensch. Einerseits poussierte sie mit einem germanischen König herum, andererseits tauschte sie mit ihrer Gesellschafterin Kleider, Haarfarbe und Rolle. Welchen Grund konnte es dafür geben, wenn nicht den, dass sie sich mal richtig austoben wollte?
18.
Am Nachmittag ließ Victor Kensington sie von einem Lakaien mit einem Einspänner aus dem Hotel Santa Cruz abholen und auf seinen von hohen weißen Mauern umgebenen Besitz bringen.
Sie fuhren durch ein Tor in einen aufgeräumten Innenhof, in dem einige Fuhrwerke und ein alter Ziehbrunnen standen. Die Gebäude waren zwei Stockwerke hoch, doch keins überragte die sie umgebenden Mauern. Alte Bäume spendeten Schatten. Roger sah Stallungen. Hier und da schaute der Kopf eines Pferdes zu ihnen hinaus. Früher hatten hier bestimmt hundert Menschen gelebt. Heute waren es kaum mehr als ein Dutzend.
Sie wurden von Fifi in Empfang genommen. Die Aussicht auf die Belohnung Lolas hatte ihre Bedenken zerstreut und ihr schauspielerisches Talent zu neuem Leben erweckt. Auch in ihrem früheren Beruf hatte sie bei den Kunden den Eindruck erwecken müssen, außer ihnen gäbe es für sie niemanden auf der Welt. Sie wirkte fröhlich. Roger empfand ein leises Nagen von Eifersucht und fragte sich, ob sie die letzte Nacht in Kensingtons Bett verbracht hatte. Die Wahrscheinlichkeit war jedoch gering, denn sie wollte auf ihren Zukünftigen einen guten Eindruck machen, und da war es nicht angeraten, erfahrener zu sein als herrschende Moral verlangte.
Fifi führte sie in einen holzgetäfelten Salon, dessen Einrichtung teilweise aus Europa stammte. Roger sah zum ersten Mal im Leben eine jener unförmigen Rüstungen, die die Ritter der alten Zeiten bei ihren Schlachten getragen hatten: Sie stand, wie ein Burgwächter, gleich neben dem Eingang. An den Wänden hingen runde Eisenschilde und lange Schwerter und Säbel. Lola, die derlei Dinge kannte, war unbeeindruckt. Ein mexikanisch aussehendes Mädchen mit glutvollen Augen, blauschwarzem Haar, roten Lippen und einem schwarzen Kleid, das so kurz war, dass selbst Fifi es mit einem Stirnrunzeln betrachtete, bediente die Gäste.
Wie sich zeigte, hatte Kensington sie nicht allein in sein Fort geladen. Im Salon hielten sich sechs oder sieben Ehepaare auf, die er ihnen als Geschäftsfreunde und Nachbarn vorstellte. Der Hausherr begrüßte »Mr. und Mrs. McGuinn«, bat sie, sich wie zu Hause zu fühlen und nahm die nächsten Besucher in Empfang. Eine halbe Stunde später wimmelte es im Inneren des alten Forts von Menschen. Roger nahm an, dass es zwanzig oder mehr Personen waren.
Weniger erbaut war er freilich von der Ankunft dreier Gentlemen, die eine Stunde später in den Innenhof ritten. Sie saßen am Brunnen ab und unterhalten sich, und als er sie erkannte, wurde sein Kragen eng. Es waren Georgie und seine Komplizen Flint und McGilligan.
»Ist was?« Lola tauchte neben ihm an der Tür auf. Sie hielt ein Cocktailglas in der Hand.
»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht«, erwiderte Roger leise. »Die Gute lautet: Wir sind auf der richtigen Spur.« Er deutete mit seinem Zigarillo auf die Männer am Brunnen. »Die Schlechte: Die Kerle da drüben haben Homer auf dem Gewissen und Roxanne entführt.«
»Ich glaub, mir wird übel«, sagte Lola, als die Männer auf das Haus zukamen.
»Im Hotel hat McGilligan mich nicht erkannt«, sagte Roger. »Vielleicht haben sie mich bei der schlechten Beleuchtung im Zug gar nicht richtig wahrgenommen...«
»Ja«, sagte Lola. »Aber was ist mit mir? Einer von ihnen hat mich niedergeschlagen.«
»Oh, Scheiße«, sagte Roger erschreckt. »Daran hab ich überhaupt nicht mehr gedacht! Es war Irrsinn, hierher zu kommen!«
Georgie, Flint und McGilligan traten ein und schauten sie kurz an, doch niemand erweckte den Eindruck, sie zu kennen. Trotzdem registrierte Roger ein leichtes Zittern seiner Knie. Die Männer nahmen ihre Hüte ab und begrüßten Kensington, der sich daraufhin zu Roger und Lola umdrehte.
»Ich würde Ihnen gern einige meiner Freunde vorstellen...«
Roger schluckte und schüttelte den Neuankömmlingen die Hand.
»Angenehm. Ich bin Roger McGuinn.«
Die drei Männer murmelten ihre Namen, und Roger atmete auf, als sie Männer sich zu den anderen Gästen gesellten. Lola schüttelte sich.
Allerdings sollte man sein Glück nicht herausfordern. Roger nahm Lola an die Hand. Sie hielten sich von dem Trio fern, mischten sich unter die restlichen Gäste und bemühten sich, etwas über die Neuankömmlinge zu erfahren.
McGilligan war der Geschäftsführer von Kensingtons Sägewerk. Gary Flint und George Flannagan waren mit ihm befreundet. Sie waren nicht oft in der Stadt. Eigentlich wusste niemand genau, welchem Gewerbe sie nachgingen.
Der Nachmittag verlief unterhaltsam. Jemand setzte sich im Salon an ein Piano und sorgte für Musik. Einige Paare tanzten, doch die meisten Gäste standen herum, tranken und tratschten.
Fifi zeigte Roger und Lola die Küche, die Stallungen und das Zimmer, in dem sie die Nacht verbringen sollten.
»Hast du dich inzwischen umgesehen?« Lola zückte ein Blatt Papier und einen Bleistift.
»Ja.« Fifi nahm vor einem Sekretär Platz, zeichnete den Lageplan der ihr bekannten Räumlichkeiten und markierte die Zimmerflucht, die Kensingtons Lebensbereich war. Roger warf einen Blick aus dem Fenster und prägte sich die Lage der Räume ein, in die er nicht vorstoßen wollte, damit es nicht zu unvorhergesehenen Begegnungen kam.
Das Essen wurde im Salon aufgetragen. Danach, beim Kaffee, ließ Kensington sich ausgiebig über die Schlechtigkeit der Welt, die Verdorbenheit der Jugend und das Banditen-Unwesen aus, was ihm viel Beifall – besonders von Georgie, Flint und McGilligan – einbrachte. Roger, dem sich angesichts dieses Schwadronierens die Haare sträubten, wetterte über Betrüger, die ahnungslose Bürger mit Aktien nicht existierender Silberminen in New Mexico übers Ohr hauten, und Fifi setzte noch eins drauf, indem sie bitterlich den Verfall der Moral und der guten Sitten beklagte.
Der Abend ging fröhlich zu Ende. Gegen Mitternacht brachen die ersten Gäste mit ihren Einspännern zu ihren eigenen Besitzungen auf. Eine halbe Stunde später war das Fort bis auf die sechs Gäste leer, die hier übernachteten.
Georgie, Flint, McGilligan und Fifi zogen sich als erste zurück. Kensington wünschte Mr. und Mrs. McGuinn eine Gute Nacht. Die Mexikanerin mit den Glutaugen führte Roger und Lola zu ihrem im ersten Stock liegenden Zimmer.
19.
In der Ferne bellte ein Coyote. Das Mondlicht fiel silbern vom Himmel, als Roger O’Donnell einen Blick auf die Uhr warf und vom Bett aufstand.
»Drei Uhr«, sagte er. »Auf, meine Liebe...«
Lola, die neben ihm lag, öffnete die Augen schaute ihn an. Er hatte geglaubt, sie sei eingeschlafen, doch