HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND. Ronald M Hahn
dem Kellner und bestellte noch ein Bier, aus dem bald fünf wurden. Irgendwann hatte er den Eindruck, dass das anfangs verspritzte Gift der Gräfin seine Wirkung verloren hatte. Die Frauen verstanden sich nicht nur blendend – sie nannten sich schon nach kurzer Zeit beim Vornamen –, sie verstanden auch, ihm das Gefühl zu vermitteln, dass er das überflüssigste Lebewesen auf der Erde war.
Erst als Roger einen Mann in einem maßgeschneiderten taubenblauen Anzug mit grauem Stetson in die Hotelbar kommen sah, fühlte er sich wieder gefordert. Der Mann erweckte den Eindruck, als suche er jemanden. Dann fiel sein Blick auf den Tisch, an dem Fifi saß. Seine Miene erhellte sich. Der Mann war glatt rasiert und wirkte gepflegt und kultiviert. Roger schätzte ihn auf Ende dreißig.
Er kam schnurstracks zu ihnen. Als er vor ihrem Tisch stand, schaute Fifi auf und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
»Victor?«
»Fifi?«
Fifi stand auf und fiel Victor um den Hals. Roger musterte Seine Lordschaft und erkannte, dass er jenen Blick aufgesetzt hatte, der für verliebte Idioten typisch ist. Es fiel ihm schwer, in Victor Kensington jemanden zu sehen, der Damen von Adel entführen ließ, um Lösegeld zu erpressen. Und doch war er im Augenblick der Hauptverdächtige. Roger wagte sich nicht auszumalen, wie Fifi reagierte, wenn er ihr von seinem Verdacht erzählte. Es war wohl am besten, wenn er mit seinen Vermutungen hinter dem Berg blieb, bis er hieb- und stichfeste Beweise hatte.
»Setz dich zu uns...« Fifi nahm Kensingtons Hand. Roger stand rasch auf, nahm an der Seite der Gräfin Platz, und Fifi zog ihren zukünftigen Gatten auf den Stuhl neben sich. Die Gräfin musterte ihn mit einem interessierten Blick.
»Darf ich vorstellen?« Fifi deutete auf die Gräfin. »Mein Vetter Roger und Roxanne Prentiss. – Lord Victor Kensington.«
»Victor tut’s auch.« Kensington lächelte freundlich. »Ich benutzte den Titel nicht mehr.«
Als Rogers Name fiel, fuhr der Kopf der Gräfin herum und Roger wünschte sich erneut, in Schenectady zu sein. Nun war das Kind in den Brunnen gefallen. Er biss die Zähne zusammen, zwinkerte ihr zu und hoffte, dass sie begriff, was er damit sagen wollte. Zum Glück kamen keine Spannungen auf, denn Kensington beugte sich über den Tisch, schüttelte ihnen die Hand und hieß sie in seinem Hotel willkommen.
»Ich freue mich, Sie kennen zu lernen«, sagte er und fasste die Gräfin und ihr Dekolleté ins Auge. »Fifis Freunde sind auch meine Freunde. Ich möchte Sie schon jetzt zu unserer Hochzeit einladen.«
Fifi gurrte wie eine heiße Katze und küsste ihn auf die Wange. Kensington schlang einen Arm um sie. Roger sah ihm an, dass er es kaum erwarten konnte, sie auszuziehen und abzuschlecken. Bei dieser Vorstellung spannte sich erneut seine Hose, und er fragte sich, wann die Gräfin wohl daran dachte, ihr Versprechen zu erfüllen. Vielleicht ergab sich heute Abend eine Gelegenheit, sie daran zu erinnern...
»Wir fühlen uns sehr geehrt«, schnurrte die Gräfin.
»Ich freue mich, dass meine Cousine an einen so netten Mann geraten ist«, sagte Roger artig.
»Woher stammen Sie?«, fragte Kensington. »Und womit bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?«
»Ich bin Journalist«, log Roger tapfer. »Ich lebe in New York. Ich bin momentan auf Reisen, da ich für einen neuen Reiseführer Informationen sammle.«
»Und Ihre entzückende Begleiterin?«
»Ich bin auch Journalistin«, sagte die entzückende Begleiterin. »Ich bin für die Börsenberichte zuständig.« Der Blick, der Roger traf, war vielsagend. Sie hatte nun endlich verstanden, dass er nicht Homer von Wallenstein war. Er hoffte nur, dass sie jetzt keinen Fehler machte und über Dinge plauschte, von denen Kensington als Unternehmer viel mehr verstand als sie. Doch die Gräfin riss sich zusammen.
Im weiteren Verlauf des Abends erwies sich Kensington als wohlgesitteter Mensch, der einen beträchtlichen Teil der Welt und viele europäische Berühmtheiten kannte und sogar Französisch sprach. Um bei den Damen nicht völlig ins Abseits zu geraten, schwindelte Roger ihnen haarsträubende Geschichten aus Homers Zeit als Korrespondent in aller Welt vor. Er bemühte sich jedoch, nicht zu sehr in die Details zu gehen, da er nicht wusste, ob Kensingtons Kenntnisse die seinen übertrafen.
Er machte jedenfalls großen Eindruck auf Fifi, die gebannt an seinen Lippen hing. Die Gräfin hingegen wirkte verschnupft, was vermutlich daran lag, dass sie nun wusste, dass er ein Schwindler war und sich fragte, welche Ziele er wirklich verfolgte.
Doch Roger gab nicht auf. Es war sein Ziel, etwas über Kensington zu erfahren und ihn dazu zu bringen, eine Persönlichkeit in ihm zu sehen, die wenigstens so interessant war, dass er ihn auf seinen Besitz einlud. Ihm war nicht damit gedient, nur heute Abend mit ihm zusammen zu sitzen. Er mussten eine Beziehung zu ihm aufnehmen, die so lange währte, bis die Pinkertons in Hard Times eintrafen und er ihnen die nötigen Hinweise zukommen lassen konnte. Der Haus- und Grundbesitz Kensingtons interessierte Roger aus diesem Grunde sehr. Irgendwo mussten die Entführer Roxanne versteckt halten. Und war das große alte Fort nicht sehr gut zu geeignet? Es lag außerhalb der Stadt. Seine Mauern waren dick und konnten jeden Hilfeschrei ersticken.
»Sie führen wirklich ein Interessantes Leben, Sir«, sagte Kensington. Er paffte eine Zigarre.
»Nennen Sie mich Roger«, sagte Roger großzügig.
»Schön. Dann müssen Sie mich aber auch Victor nennen.«
Roger prostete Kensington zu. Er hatte inzwischen sein achtes Bier gestürzt und befand sich in euphorischer Stimmung. Seine gute Laune verschlechterte sich jedoch, als McGilligan zu ihnen an den Tisch trat und die Lordschaft zu einem »ganz kurzen« geschäftlichen Gespräch in die Hotelhalle bat. Roger zog den Kopf ein, doch McGilligan erkannte ihn nicht.
Kensington hatte den Raum kaum verlassen, als die Gräfin an Rogers Ärmel zupfte.
»Ich habe geglaubt, Sie heißen Homer.«
Fifi schaute überrascht auf. Auch sie war angetrunken, aber ihr Gehör schien ausgezeichnet zu sein. »Du heißt Homer, Roger?«
»Nun... ähm...« Roger zupfte sich an der Nase. »Homer von Wallenstein ist mein... Künstlername... Ich benutze ihn nur, wenn ich für die Zeitung schreibe. Meine Freunde nennen mich Roger.«
»So, so«, sagte die Gräfin spitz. Roger sah ihr an, dass sie ihm kein Wort glaubte. »Soll das heißen, ich gehöre nicht zu Ihren Freunden?«
»Oh, nein«, sagte Roger. »Keinesfalls.« Er schüttelte den Kopf. Was sollte der Unfug? Warum tischte er ihr noch immer Geschichten auf, nachdem sie ihn ins Vertrauen gezogen hatte? »Ich bin nicht Homer von Wallenstein. Homer war mein Freund. Aber er ist tot.«
»Tot?!« Die Gräfin riss die Augen auf. »Sie sind gar kein Reporter?«
»Nein. Ich bin... ähm... Aktienhändler.«
Nun schauten beide Frauen ihn verwundert an.
Roger seufzte. »Na, schön. Es ist wohl besser, wenn ich die Wahrheit sage... In Omaha fing alles an. Ich kam in einen Saloon, in dem einige Leute Poker spielten...«
Als er fertig war, beschloss er, auch mit Fifi reinen Tisch zu machen. Er erzählte ihr, was während der Zugfahrt passiert war, dass er sie mit McGilligan, einem der Entführer, zusammen gesehen hatte und glaubte, dass Kensington der Chef der Entführer war.
Fifi erbleichte.
»Das darf doch nicht wahr sein...«
»Leider ist es so, Fifi«, sagte Roger. »Obwohl ich natürlich noch keinen handfesten Beweis habe.«
»Weißt du, was das bedeutet?« Sie funkelte ihn an. »Es bedeutet, dass ich mir eine Heirat abschminken kann! Es bedeutet, dass ich weiter in miesen und billigen Kaschemmen meine Haut zu Markte tragen muss!«
»Ich dachte, du wärst Tänzerin, meine Liebe?«, fragte die Gräfin überrascht.
»Ja, aber ich war bei meinen Tänzen meist nur mit einem Lächeln bekleidet«, fauchte