HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND. Ronald M Hahn

HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND - Ronald M Hahn


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nutzte die Gelegenheit: Er robbte nach vorn und riss die Waffe an sich. Dann beugte er sich über den Getroffenen, dessen Name er nicht kannte.

      Grover schrie: »Wie schlimm ist es, Rocky?«

      »Schlimm genug«, rief Rocky zurück und wollte sich aufrichten. An seinem Gurt baumelten zwei Holster. Er riss sein zweites Schießeisen heraus und ging stöhnend in die Hocke. Roger sah, dass der rechte Ärmel seines Jacketts in blutigen Fetzen hing.

      »Was ist da los?«, fragte er. »Ein Zugüberfall?«

      »Der Postwagen ist gleich hinter der Lok«, krächzte Rocky. »Ich glaube eher, es geht um...« Er richtete sich auf und drehte sich um, und im gleichen Moment durchbohrte eine Kugel seinen Schädel und warf ihn erneut zu Boden. Die Tür zum Abteil der Gräfin wurde aufgerissen. Roxanne schob sich mit blassem Gesicht ins Freie. Sie trug nur Unterwäsche. Roger sah, dass die Gräfin hastig in ihr Kleid stieg.

      »Bleiben Sie drin!«, schrie er über das Krachen der Schüsse hinweg. »Es ist ein Überfall!«

      Roxanne fuhr zurück. Roger schaute erneut nach vorn. Diesmal erblickte er auf der Plattform einen jungen Mann mit einem großen weißen Champie-Hut. Ihm wurde klar, dass es kein Raubüberfall war. Sie hatten es auf ihn abgesehen! Sie wollten ihn erledigen.

      Unter diesen Umständen, dachte er zerknirscht, ist es wohl und recht und billig, wenn ich an der Verteidigung meines Lebens teilnehme...

      Er robbte nach vorn, wo Schnauz und Grover alles taten, um sich die Eindringlinge vom Hals zu halten. Doch ihre Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt: Roger hatte gerade mal einen Schuss ins Blaue abgegeben, als Schnauz mit einem Seufzer auf den Lippen umfiel und sich an die Brust griff. Blut quoll zwischen seinen Lippen hervor.

      Roger wurde von unbändiger Wut ergriffen. Er nahm Schnauz die Waffe aus der schlaffen Hand, ging in die Hocke und gab eine beidhändige Salve ab, die die Angreifer fluchend in Deckung trieb. Grover, den er eigentlich als ziemlich guten Schützen kannte, schien vom Pech verfolgt zu sein: Er schoss erstaunlicherweise nur Löcher in die Luft.

      Er schien heute auch nicht sehr mutig zu sein, denn er machte keine Anstalten, das relativ sichere Abteil zu verlassen. So, wie er am Boden hockte, konnte er schwerlich jemanden treffen.

      »Komm raus, Mann!«, rief Roger und deutete mit einer der erbeuteten Waffen auf die Tür. Grover schien ihn nicht zu hörten. Er verschoss sinnlos sein Pulver.

      Nach der nächsten Salve machten Rogers Schießeisen Klick, und ihm wurde klar, dass es eine gute Idee gewesen wäre, sich Rockys oder Schnauz’ Patronengurt umzuschnallen. Als er fluchend nach hinten eilte, um das Versäumte nachzuholen, machte der Zug plötzlich einen harten Ruck und kam kreischend und Funken sprühend zum Stehen.

      Roger verlor den Boden unter den Füßen. Er sah das Ende des Ganges mit rasender Geschwindigkeit auf sich zukommen. Seine Beine stolperten über den am Boden ausgestreckten Schnauz, und er segelte mit ausgebreiteten Armen wie ein riesengroßer Vogel durch das Nichts.

      Als er gegen die Tür der hinteren Plattform knallte, blitzten vor seinen Augen eiskalte Sterne auf, und vor ihm entstand eine bodenlose Finsternis.

      Jemand musste die Notbremse gezogen haben. Dann schwanden ihm die Sinne.

      10.

      In seinem Kopf war ein mörderisches Trommeln. Sein Magen gab sich alle Mühe, durch seine Kehle in die Freiheit zu gelangen.

      Als Roger O’Donnell die Augen aufschlug, hörte er den Schrei einer Frau, den ruppigen Fluch eines Mannes, das Klatschen einer Ohrfeige und einen dumpfen Aufschlag. Irgendwo in seiner Nähe schien jemand zu Boden gegangen zu sein. Er tat sein Bestes, um den Kopf zu heben, doch sein Blick war verschleiert. Alles, was er sah, kam ihm wie ein Traum vor.

      Roger sah die erschlafften Beine der Gräfin Landsfeld, die über der Schulter eines Mannes lag. Auf der Türschwelle zum Abteil lag Roxanne. Ihre Brüste pressten sich an das kalte Metall des Ganges. Sie schien besinnungslos zu sein.

      Zwei Revolver schwingende Gestalten – die eine ein schlanker junger Mann mit einem großen weißen Champie-Hut – strebten hinter dem Mann, der die Gräfin trug, der Hecktür des Salonwagens entgegen und öffneten sie. Kühle Luft wehte herein, als sie ausstiegen. Roger wunderte sich, wieso der Bursche mit dem weißen Hut ihm keine Kugel zwischen die Augen verpasst hatte.

      Er hat bestimmt geglaubt, ich wäre tot.

      Als das Trio mit der Gefangenen ausgestiegen war, wollte er sich aufrichten, doch ein Anfall von Übelkeit ließ ihn auf den Boden zurücksinken. Er hörte das Geräusch sich nähernder Schritte, dann riss jemand die Tür mit der kaputten Scheibe auf, und der Zugführer und zwei Bremser, der eine weiß, der andere schwarz, stürmten auf ihn zu.

      »Die Gräfin...«, nuschelte Roger und deutete zur offenen Hecktür hin. »Entführt...«

      Die Bremser rannten an ihm vorbei nach hinten. Der alte Zugführer ging neben ihm in die Hocke. Hinter seiner runden Nickelbrille funkelten wache Augen.

      »Was ist passiert?« Erst jetzt fielen ihm die grotesk verdrehten Leichen der Pinkertons auf, über die er zuvor, ebenso wie die Bremser, hinweg gesprungen war.

      Roger winkte ab. Jedes weitere Wort, das spürte er, hätte ihn kotzen lassen. Der Zugführer stand auf und eilte zu seinen Leuten, die fassungslos in die Nacht hinaus starrten, in der nun der Hufschlag mehrerer Pferde zu hören war. Die Banditen hatten die Sache also vorbereitet. Sie waren nicht hinter ihm, sondern hinter der Gräfin her gewesen. Welch dämliche Ironie.

      Roger wurde von einem trockenen Hustenanfall geschüttelt, doch er riss sich zusammen und schaute sich um. Erst jetzt sah er die hingestreckte Gestalt Grovers. Seine breite Brust war von mehreren Kugeln aufgerissen, aber er lebte noch. Seine rechte Hand, die noch den Revolver umklammerte, zuckte.

      Als Roger sich ächzend auf die Knie erhob, ließen seine Kräfte nach. Er stürzte der Länge nach in den Gang und fiel erneut aufs Maul. Nun hörte er Grover stöhnen. Er robbte zu ihm hin und beugte sich über ihn.

      »Wie sieht’s aus, Jerry?« Er sah es selbst. Es sah nach gar nichts aus. Der Mann würde die Nacht nicht überleben.

      »Schweine...« Grover hustete. Seine Augen waren glasig, sein Gesicht totenbleich, seine Nase so spitz wie die einer Maus. Das Blut hatte sein Hemd völlig durchtränkt. »Diese verfluchten Schweine...« Er schaute Roger an und kicherte. »Ich nehm an, es geschieht mir recht...«

      »Sag so was nicht, Jerry«, erwiderte Roger mitfühlend. »Nicht jeder Schuss kann ein Treffer sein.«

      Grover kicherte erneut. »Nein, nein. Das mein ich nicht...« Er legte die Hand mit dem Colt auf seine Brust, als könne er ihn nicht mehr halten. Seine Lippen bewegten sich lautlos, als hätte die Sprache ihn verlassen. Roger beugte sich über ihn, doch er verstand das Flüstern des Todgeweihten nicht.

      »Erzähl’s mir Mann«, sagte er. »Ich bin ganz Ohr.«

      »Es wär zum Lachen, wenn es nicht so traurig wär«, röchelte Grover. »Pass auf, Mann..« Er wollte sich aufrichten und spuckte im gleichen Moment Blut. »Tut mir Leid...« Er schaute Roger an. »Ich bin einmal im Leben schwach geworden...«

      »Sind wir doch alle mal, Jerry«, sagte Roger.

      »Nein, du weißt nicht, was ich sagen will.« Grover schaute ihn mit glasigen Augen an. »Ich hab ihm den Tipp gegeben, dass König Louis bestimmt ’ne Menge Geld ausspuckt, um seine hübsche Tänzerin zurückzukriegen...«

      »Was hast du?!« Roger fuhr zurück. Er konnte es nicht glauben. Jerry Grover, seit über fünfzehn Jahren im Dienste des Gesetzes, hatte gemeinsame Sache mit einer Bande mörderischer Entführer gemacht? Es war nicht zu fassen.

      »Und das ist der Dank dafür«, sagte Grover und spuckte erneut einen Blutschwall aus. »Und das ist nun der Dank dafür... Sie haben mir eins verpasst...«

      »Wer hat das Ding gedreht, Jerry?«, fragte Roger. »Wer steckt dahinter?«

      »Ich


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