HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND. Ronald M Hahn

HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND - Ronald M Hahn


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      »Er wohnt in Hard Times«, keuchte Grover. »Dorthin sind diese Schweine jetzt unterwegs...«

      »Den Namen, Jerry«, drängte Roger. »Den Namen!«

      »Den Namen«, wiederholte Grover. Dann schloss er die Augen und machte sie nicht mehr auf.

      11.

      Während der Zugführer und die Bremser in die restlichen Waggons zurückeilten, um die aus dem Schlaf geschreckten Reisenden über die Lage aufzuklären, rappelte Roger sich ächzend vom Boden auf und näherte sich wankend der noch immer besinnungslosen Roxanne.

      Als er sie vom Boden aufhob, wurde er von einem heftigen Schwindelgefühl erfasst, die ihm die Balance nahm, und so schoss er mit der halbnackten Last auf den Armen in das offene Abteil, rutschte auf einem roten Läufer aus und landete mit ihr in dem zerwühlten Bett.

      Roxanne schlug die Augen auf, und Roger wünschte sich nach Schenectady. Er hoffte, dass er nicht so aussah, wie er sich fühlte – als hätte er eine Nacht in Gesellschaft streunender Hunde verbracht.

      »Sie sehen grauenhaft aus, Homer«, sagte Roxanne. Erst dann bemerkte sie ihren mehrheitlich unbekleideten Zustand und bedeckte ihre Brüste schnell mit den Händen.

      Roger wuchtete sich stöhnend von ihr und kämpfte gegen die Übelkeit an. In seinem Kopf kreisten allerlei Gedanken, und die meisten betrafen die Gräfin Landsfeld. Wenn ihre Entführung bekannt wurde, würde man jeden verhören, der zum Zeitpunkt ihres Verschwindens in ihrer Nähe gewesen war. Womöglich kam dann sein Bild in die Zeitung, und das konnte er sich nicht leisten. Er musste verschwinden.

      Roxanne hob den Kopf und schaute sich um. »Wo ist...?« Erst jetzt schien ihr einzufallen, was passiert war. »Oh, mein Gott!« Sie sprang auf und raffte ihre Kleider zusammen. »Oh, mein Gott! Das darf nicht wahr sein!«

      Roger schaute träge zu, als sie ihr Kleid anlegte und in die Stiefel sprang. In seinem Kopf funktionierte noch nicht wieder alles so, wie es funktionieren sollte. Er atmete tief durch und stellte sich die Frage, ob es nicht besser war, wenn er die Gelegenheit nutzte und in der Nacht untertauchte. Noch hatte er eine Gelegenheit dazu. Doch in welche Richtung sollte er gehen? Er hatte kein Pferd und wusste nicht, wie weit der nächste Ort entfernt war.

      »Na, los«, sagte Roxanne. Sie knöpfte ihre Bluse zu und griff nach einer Weste, die neben der Tür an einem Haken hing. »Wir müssen hinterher!« Sie öffnete einen Schrank und entnahm ihm ein Gewehr und mehrere Päckchen Patronen.

      »Zu Fuß?«

      Auf dem Gang ertönte Gepolter. Der schwarze Bremser schob seinen Kopf durch den Türrahmen und sagte: »Es wird noch eine halbe Stunde dauern, bis wir weiterfahren können, Sir.«

      Roger dankte ihm geistesabwesend, dann stand er auf.

      »Natürlich nicht zu Fuß«, fauchte Roxanne und lud das Gewehr durch. Sie schien sich mit Waffen auszukennen. »Damen der Gesellschaft haben auf Reisen natürlich Reittiere dabei. Sie sind im Viehwaggon...« Sie deutete nach vorn. »Kommen Sie schon, bevor ihre Spur nicht mehr lesbar ist...«

      »Moment mal«, sagte Roger. Er bemühte sich noch immer, sein Gleichgewicht zurückzufinden. »Wäre es nicht besser, wir fahren in die nächste Stadt? Dort wird es einen Marshal geben – vielleicht sogar einen Sheriff...«

      »Papperlapapp!« Roxanne blitzte ihn an. »Das dauert viel zu lange! Und außerdem...« Sie schaute sich um, als hätte sie Angst davor, jemand könne sie hören. »Außerdem darf niemand erfahren, dass die Gräfin entführt worden ist!«

      Roger machte große Augen.

      »Und warum, wenn ich fragen darf?«

      »Weil...« Roxanne suchte nach Worten. Sie trat an die offene Tür und warf einen Blick hinaus. Als sie die toten Pinkertons erblickte, würgte sie. »Mein Gott!«

      »Sie sind wenig sanft mit den Männern umgesprungen«, sagte Roger. Er baute sich neben Roxanne auf. »Und ich könnte mir vorstellen, dass sie uns umlegen, wenn sie merken, dass wir sie verfolgen.« Natürlich war ein Unmensch. Er bedauerte die Gräfin, auch wenn er sie nicht hatte ausstehen können. Aber war es etwa sein Job, Verbrecher zu jagen? War dies nicht die Aufgabe der örtlichen Behörden – auch wenn von ihnen weit und breit nichts zu sehen war? Er war schließlich nur ein kleiner Aktienhändler, und...

      »Sie verlangen ziemlich viel von mir«, sagte er. »Ich bin schließlich kein Revolvermann, sondern nur ein kleiner Aktien... Reporter.«

      Roxannes Kopf flog herum. »Aktienreporter?«

      »Ich hab früher Börsenberichte geschrieben«, sagte Roger gewandt und fasste sich an den Kopf. »Und außerdem ist die Gräfin eine elende Zicke.«

      Zu seiner Überraschung verzog sich Roxannes Mund zu einem Grinsen. Sie griff in ihre Jacke und hielt ihm ein Banknotenbündel hin. »Das sind tausend Dollar, Mister von Wallenstein...«

      Roger musterte das Geld. Die grünen Scheine versetzten sein Herz in Verzückung, vertrieben seine Kopfschmerzen aber nicht gänzlich.

      »Und?«

      »Sie gehören Ihnen, wenn Sie mir helfen, die Spur der Banditen aufzunehmen.«

      »Und wenn wir sie gefunden haben?«

      »Dann telegrafieren wir es der Agentur Pinkerton, damit sie ein Dutzend ihrer schwersten Kaliber schickt, um diese Bande hinter Schloss und Riegel zu bringen.«

      Es klang nicht übel. Roger war ehrlich verlockt, ihr Angebot anzunehmen. Doch leider verstieß es gegen sein Lebensmotto, das da lautete: »Wenn du jemanden retten willst, rette dich selbst.«

      »Bitte...«

      Roxannes Augen waren ein einziges Flehen. Sie wirkte, als hinge die Rettung der Gräfin ganz und gar von ihr allein ab; als könne kein Sheriff der Welt dieser Aufgabe gerecht werden.

      »Wenn der Zug in Kearney einläuft und der Zugführer den Überfall meldet, wird sofort die Presse Wind davon kriegen – und das kann ich mir einfach nicht leisten...«

      »Darf ich den Grund dafür erfahren?«, fragte Roger.

      »Nein.« Roxanne schüttelte den Kopf und wedelte mit dem Banknotenbündel. »Mein Angebot steht. Schlagen Sie ein?« In ihren Augen war plötzlich das gleiche sinnliche Glitzern, dass sie während ihres kleinen Likör-Umtrunks gezeigt hatte, der ihr offenbar nicht gut bekommen war. »Ich wäre sogar bereit, noch ein wenig draufzulegen.«

      »Wie viel?«, fragte Roger interessiert.

      »Mich.«

      »Oh...« Roger war nicht oft sprachlos, und schon gar nicht, wenn eine hübsche Frau sich so verhielt wie ein Mann. Er hatte allerdings bisher nur selten Gelegenheit gehabt, mit Frauen aus Roxannes Kreisen zusammenzutreffen. Er hatte nicht gewusst, dass es auch dort Damen gab, die wussten, was sie wollten und kein Blatt vor den Mund nahmen, um es zu kriegen.

      Die Lokomotive ließ pfeifend Dampf ab, und draußen, auf dem Gleiskörper, wurde das Geräusch sich bewegender Stiefel laut. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Zug sich in Bewegung setzte.

      »Also schön«, sagte Roxanne. »Helfen Sie mir, wenn ich Ihnen den wahren Grund nenne?«

      »Inklusive der tausend Dollar und der weiteren mir versprochenen Annehmlichkeiten?«, fragte Roger. Er war nun wirklich sehr neugierig und hielt es vor Spannung nicht mehr aus.

      »Ja.«

      »Okay, überredet.« Seine Rechte zuckte vor, riss das Bündel aus Roxannes Hand und schob es in seine Jackentasche.

      »Ich bin Gräfin Landsfeld«, sagte Roxanne. »Wenn mein König erfährt, dass ich entführt wurde, kann ich mich auf allerhand gefasst machen.«

      12.

      Fünf Minuten später sprengten sie auf zwei Rassepferden durch die Nacht.

      Sie hatten die Hufspuren der vier Entführergäule schnell gefunden. Der Zugführer


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