HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND. Ronald M Hahn

HARDCORE-WESTERN, BAND 2 - FÜNF ROMANE IN EINEM BAND - Ronald M Hahn


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hatte ihm gegenüber nur verlauten lassen, er habe – halb ohnmächtig – den Namen des Ortes gehört und wolle einfach nur sein Glück versuchen. Erstaunlicherweise war es dem Zugführer nicht im Geringsten verdächtig erschienen, dass sich die Begleiter der Gräfin an die Verfolgung der Rustler machten. Er hatte versprochen, den Marshal in Kearney zu informieren, sobald der Zug in die Stadt eingelaufen war. Zudem hatten er und die Bremser ihnen beim Ausladen und Satteln der Pferde und beim Packen der Satteltaschen geholfen, damit sie schnell von der Stelle kamen.

      Roger hatte die Gelegenheit genutzt, um Jerry Grovers patronengespickten Revolvergurt an sich zu nehmen.

      Er kam sich fast wie ein Held vor, als er an der Seite der echten Gräfin Landsberg durch die Landschaft ritt und zu den glitzernden Sternen aufschaute.

      Ihr Geständnis hatte ihn nicht schlecht erstaunt. Wie er inzwischen wusste, hatten die Frauen ihre Rolle schon getauscht, bevor sie in New York das Schiff verlassen hatten. Sie hatten auch ihr Haar umgefärbt: Die ursprünglich hellblonde Roxanne – Roger erinnerte sich, einen Teil ihrer echten Behaarung am Abend zuvor gesehen zu haben – war nun kupferrot. Als Grund für diese Aktien hatte Gräfin Landsfeld angegeben, sie sei es leid gewesen, ständig unter Beobachtung zu stehen. Sie hatte vom Auftrag der Pinkertons, über jeden ihrer Schritte Buch zu führen, gewusst und ihrem König eins auswischen wollen.

      Roger verstand ihre Beweggründe. Doch wie schlimm würde es für sie werden, wenn die Presse berichtete, die berühmte Lola Montez sei entführt worden?

      Über den Telegrafen würde auch König Ludwig davon erfahren. Wenn er die falsche Lola auslösen ließ und sich dann zeigte, dass nicht seine Geliebte, sondern deren Gesellschafterin entführt worden war, würde er Fragen stellen: Warum hatte die Gräfin die Rolle mit ihrer Angestellten getauscht, wenn nicht, um sich in Liebesaffären auszutoben, von denen der Finanzier ihrer luxuriösen Reise nichts erfahren sollte? Möglicherweise machte er sich sogar persönlich in die Vereinigten Staaten auf, um an der Spitze einer Kompanie von Privatdetektiven nach den Banditen zu suchen...

      Die Strecke zog sich endlos dahin. Gegen fünf Uhr morgens wurde es hell und die Landschaft übersichtlicher. Sie ritten einen grünen Hügel hinauf, hielten auf der Kuppe an und spähten nach Norden.

      Vor ihnen erstreckte sich ein saftiges grünes Tal, auf dem Hunderte von Rindern weideten. Roger kniff die Augen zusammen. Schließlich sah er am fernen Horizont, in einer Entfernung von etwa zehn Meilen, einige Dutzend weiße Rauchsäulen in den Himmel steigen. Als die Sonne über die Hügel kletterte und das Land in aller Farbenpracht sichtbar wurde, gab Gräfin Landsfeld ihrem Grauschimmel die Sporen und sprengte mit einem ausgelassenen »Whopee!« ins Tal hinab.

      Roger grinste, dann klopfte er seinem Braunen lässig auf Hinterteil und folgte ihr. Hard Times war nicht mehr fern. Er hoffte nur, dass der Ort seinem Namen nicht gerecht wurde, denn er hatte nun, bei Gott, genug harte Zeiten hinter sich.

      13.

      Hard Times war eine der zahllosen Kistenbretterstädte, die überall im Land aus dem Boden wuchsen, um die Massen der Einwanderer aufzunehmen, die es in Europa unter ihren despotischen Herrschern oder aus anderen Gründen nicht mehr aushielten.

      Als Roger und die Gräfin durch die Main Street ritten, waren trotz der frühen Stunde schon allerhand Menschen auf den Beinen. Sie wurden von einem babylonischen Sprachgewirr empfangen, in dem slawische, skandinavische und deutsche Laute vorherrschten. Vor der Stadt bereitete man sich ein so genanntes Landrennen vor. Dort versammelten sich Dutzende von Reitern, die es darauf abgesehen hatten, sich eine der Heimstätten abzustecken, die die US-Regierung an Einwanderer verschenkte, die sich verpflichteten, auf ihrem Grund und Boden etwas anzubauen.

      Die Main Street war staubig, die Hütten waren selten höher als ein Stockwerk. Auf manchen Grundstücken standen keine Häuser, sondern große Zelte, in denen Kneipiers und Händler residierten. Das Örtchen wirkte wie ein einziges Provisorium.

      Roger ließ seinen Blick umherschweifen. Er zweifelte daran, dass das Nest auch nächste Jahrhundert überdauern würde.

      Es gab allerdings ein Telegrafenamt, an dem sie kurz anhielten. Gräfin Landsberg betrat das Gebäude mit forschen Schritten. Sie kabelte der Agentur Pinkerton die betrübliche Nachricht vom Tod ihrer Mitarbeiter im Zug von Omaha nach Oshkosh, von der Entführung eines »weiblichen Passagiers«, teilte ihr mit, dass sie den Entführern nach Hard Times gefolgt sei und wies die Geschäftsleitung an, die Nachricht unter allen Umständen diskret zu behandeln.

      Anschließend ritten sie zum einzigen Hotel der Stadt. Es trug den malerischen Namen Santa Cruz und war das höchste Gebäude in weitem Umkreis.

      Der Portier war diesmal einarmig. Er musterte Roger und die Gräfin mit einem kritischen Blick. Roger fiel ein, dass es taktisch klüger war, als Ehepaar aufzutreten, deswegen legte er einen Arm um die Gräfin und sagte: »Wird Zeit, dass wir schlafen gehen, Darling. Der Ritt war wirklich sehr ermüdend.«

      »Ihr Name, Sir und Lady?«, fragte der Portier.

      »Mr. und Mrs. McGuinn«, sagte Roger.

      »Wie lange werden Sie bleiben, Sir?«

      »Das steht noch nicht fest«, sagte Roger. »Aber ein paar Tage bestimmt. Nicht wahr, Darling?«

      Die Gräfin nickte. Der Portier gab ihnen den Schlüssel.

      Während die Gräfin müde nach oben ging, brachte Roger die Pferde in den Mietstall nebenan und kehrte mit prallen Satteltaschen und Gewehren zum Santa Cruz zurück.

      Als er in die Empfangshalle kam und an der offenen Tür des Hotel-Restaurants vorbeigehen wollte, fiel sein Blick in einen rotplüschigen Salon. Und er erstarrte.

      Fifi La Plume saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf einem prächtig gepolsterten Sofa. Ihr gegenüber saß ein Mann, dessen Anblick Roger nicht weniger überraschte. Er kannte zwar seinen Namen nicht, aber sein Gesicht: Der Kerl, der mit Fifi lachte und scherzte und gerade an einem Glas nippte, in dem dunkelbrauner Whisky schwappte, gehörte zu den Entführern der falschen Gräfin.

      Was, in aller Welt, hatte Fifi mit diesem Mann zu schaffen? Sie hatte nach Hard Times fahren wollen, um einen wohlhabenden Mann zu heiraten. Sollte es etwa dieser Kerl sein?

      Roger schüttelte den Kopf. Wie kam es nur, dass Mädchen wie Fifi immer auf Kerle hereinfielen, deren Zugehörigkeit zur Unterwelt man ihnen schon am Gesicht ansah?

      Nun ja, es ging ihn nichts an. Er war rechtschaffen müde, und oben wartete eine hübsche Frau auf ihn. Doch andererseits... Wenn Fifi den Mann kannte, konnte er vielleicht etwas über ihn in Erfahrung bringen...

      Roger stellte Satteltaschen und Waffen an der Rezeption ab und ging in die Hotelbar, die dem Restaurant gegenüber lag. Er bestellte ein Bier – was der Keeper, urteilte man nach seiner säuerlichen Miene, angesichts dieser frühen Stunde offenbar für ungehörig hielt – und behielt Fifi und ihren Gesprächspartner im Auge. Nach dem ersten Schluck stand der Mann auf, verbeugte sich vor Fifi, küsste ihr die Hand und stiefelte aus dem Hotel.

      Roger nahm sein Bierglas, fegte durch die Lobby und eilte in den Salon, den Fifi ebenfalls gerade verlassen wollte.

      »Fifi!«, sagte er in gespielt überraschtem Tonfall. »Dass wir uns hier wieder treffen!«

      »Roger!« Fifi fiel ihm um den Hals. Roger drückte sie an sich. Sie küsste ihn auf die Wange, doch bevor sich in seiner Hose etwas regte, schob er sie sanft auf das Sofa zurück.

      »War das dein Bräutigam?« Er deutete nach draußen.

      »Der? Ach, nein.« Fifi lachte glockenhell. »Es war Mister McGilligan, der Geschäftsführer eines seiner Unternehmen.«

      »Eines seiner Unternehmen?« Roger machte große Augen. »Dann hast du ja wohl das große Los gezogen.«

      Fifi kicherte. Sie sah trotz der frühen Stunde zum Anbeißen aus, und Roger bedauerte es, nicht länger mit ihr zusammen gewesen zu ein. Er fand die junge Frau nett und wünschte ihr von ganzem Herzen, dass sie einen Mann fand, der sie liebte und zärtlich zu ihr war. Aber


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