SILBER UND STAHL. Nicole Seidel

SILBER UND STAHL - Nicole Seidel


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hatte sich in die dichten Wälder im Nordosten Temeriens zurückgezogen. Fast täglich trafen bei ihm Nachrichten vom Pontartal oder der Belagerung der La Valette-Burg ein. Noch konnte er seine Scoia'tel aus diesen Scharmützeln heraushalten, was sich aber mit dem Eintreffen eines Mannes total ändern sollte...

      V.II - Der Königsmörder – Flotsam

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      Zwei Monate bevor der Mord an König Foltest geschah, begegnete Iorweth zum aller ersten Mal einem Hexer.

      Der mittlerweile berüchtigte Scoia'tael-Anführer hatte sich in den dichten Wäldern um Flotsam, einer kleinen Faktorei an der östlichsten Grenze Temerien zu Aedirn, zurückgezogen. Sein auswegloser Kampf war inzwischen zu einer blutigen Farce mutiert und beinhaltete meist nur noch töten oder selbst getötet zu werden.

      Der entstellte Elf hatte sich einen kleinen Leichenfresser, einen Nekker, gegriffen und zum Rand einer kleinen, schluchtenartigen Lichtung inmitten des Waldes gebracht. Routiniert hielt er dem schwarzhäutigen Wesen eine Tinktur unter die Nase, die so stark roch, dass der betäubte Nekker glucksend zu sich kam.

      Erbarmungslos packte Iorweth den Nekker am Kragen und schleifte ihn zum Abgrund. Herzlos stieß er ihn hinab und missbrauchte ihn als Köder für eine große, noch hässlichere Krabspinne.

      Der Elf sprang auf die Lichtung und verschwand in einem verborgenen Höhleneingang, als sich das riesige Untier mit seiner kreischenden Beute befasste.

      Sein Weg führte ihn zu einem kleinen Unterschlupf. Einem Raum, in dem auf einem Tisch an der Felswand unzählige Waffen ausgebreitet lagen. Schwerter, Messer, Bögen mit Pfeilköchern und sogar einigen Wurfäxten. Links neben dem Tisch stand eine große Truhe, in denen Rüstungsteile eingelagert waren. Rechterseits reihten sich Ballen und Holzkisten mit weiteren nützlichen Vorräten an der Wand auf. Hellebarden und drei Beidhänder lehnten dagegen.

      Eine erstaunliche Nachricht hatte ihn vor kurzem erreicht: Ein Meuchelmörder hatte Demawend, den König von Aedirn, auf seinem gutbewachten Schiff, inmitten seiner getreuen Gefolgsleute und einem Zauberer, ermordet. Nun entbrannte ein Krieg um den Thorn dieses Landes und Iorweth sorgte sich um sein Scoia'tael-Kommando im Pontartal, das bereits davor für größere Unruhen gesorgt hatte.

      Plötzlich unterbrach ein kurzes Kreischen das stete Tropfen des Wassers auf Felsen in der Nachbarhöhle. Der Elf hielt inne und lauschte. Da erklang das Geräusch erneut und seine geübten Ohren entzifferten es - Stahl fiel auf Stein. Sofort griff er nach einem Elfenschwert, das auf dem Tisch lag und ging dem Laut nach.

      Das Schwert in der Hand schlich sich Iorweth mit dem Rücken an der Felswand einen natürlichen Korridor entlang. Wieder schepperte Metall auf Stein. So leise er konnte, schritt der Elf durch den Gang auf die nächstgrößere Höhle zu, von der er wusste, dass sie derzeit unbewohnt sein musste. Bevor er am Eingang der Höhle angelangen konnte, denn der Korridor machte eine kleine Biegung, und sein Blick darauf frei sein würde, sprach ihn jemand von diesem Ort an: "Steck die Waffe weg, Elf." Die Stimme war kehlig und eher unsympathisch. "Ich will mit dir reden."

      Der Elf bog vorsichtig um die Ecke und hatte freien Blick auf den Sprecher: einem bulligen Riesen, der an einem Feuer saß und mit einem großen Holzlöffel in einem Kessel einen Eintopf umrührte.

      Der Kerl, wohl ein Mensch, war übersät von Narben und sein klobiger Schädel war kahlrasiert und verlieh ihm auf den ersten Blick einen unterbemittelten Eindruck. Aber jeder sollte einen zweiten Blick auf ihn riskieren, denn der mächtige Kämpfer war weder dumm noch ungefährlich.

      "Verneig dich", sprach er ungerührt weiter, wohl wissend, dass Iorweth im Höhleneingang stehengeblieben war. "Du stehst vor einem gekrönten Haupt." Der Unbekannte fuchtelte mit seinem Löffel in Richtung eines abgeschlagenen Kopfes, der auf einem Stein lag und um den die Fliegen schwirrten.

      "Das von Demawend", sprach der Muskelprotz weiter. "Durchlauchtigster Herr von Aedirn von Gottes Gnaden und Souverän des Pontartals und so weiter."

      "Und du bist?" Iorweth senkte sein Schwert, behielt es aber vorsorglich in der rechten Hand.

      "Ein Freund der Anderlinge", erwiderte der Königsmörder ruhig. "Ich habe einen Vorschlag."

      Der Riese strapazierte allmählich seine Geduld, aber der Elf wollte sich nicht mit ihm anlegen, ohne vorher zu erfahren, was das alles zu bedeuten hatte. Darum drängte er: "Sprich schnell und präzise. Die Krabspinne taucht gleich wieder auf. Bis dahin hätte ich gern Klarheit."

      "Du könntest diesem Haupt noch weitere hinzufügen." Wieder zeigte er mit seinem Löffel in die Richtung des abgetrennten Kopfes. "Gekrönte."

      "Red' weiter." Iorweths Neugier hatte der Riese allemal geweckt.

      "Zuerst den von Foltest. Aber ich brauche Hilfe. Bin in Aedirn nur knapp entkommen", gestand ihm der bullige Kerl ohne den emotionslosen Ton seiner unsympathischen Stimme zu ändern. "Zugang zu einem Versteck, Mann. Karten von euren geheimen Pfaden wären nützlich und schließlich die Hilfe der Scoia'tael. Gold will ich keins. Auch der Ruf eines Töters schert mich nicht." Zum ersten Mal blickte der Fremde zu dem Elf herüber.

      Das Licht des Lagerfeuers reichte nicht aus, um die Feinheiten seines Gesichts auszuleuchten. Der Muskelprotz blieb noch ein Rätsel.

      "Warum willst du sie dann umbringen?" Iorweth blieb auf Distanz.

      Der Königsmörder blickte wieder ins Feuer. "Lange Geschichte", murmelte er.

      Da erklang von weit Draußen das scharfe Kreischen der Krabspinne an ihre Ohren.

      "Dein Schützling hat den Nekker erwischt. Zeit zu gehen."

      Nun erhob sich der Muskelprotz und der Elf erkannte zum ersten Mal wirklich, welch ein bulliger Riese vor ihm stand. Er selbst war schon hochgewachsen, aber der Kerl übertrumpfte ihn fast um eine ganze Kopflänge. Und sein massiger Muskelleib war doppelt so breit wie seiner. Vor der Brust waren zwei lange Dolche überkreuzt geschnallt und ein auffälliges Medaillon von zwei ineinander verschlungenen Schlangen hing an einer langen Silberkette herab. Doch das markanteste an dem narbigen Muskelprotz waren seine gelben Augen mit den geschlitzten Pupillen. Da wusste Iorweth, dass er einen Hexer vor sich hatte. Er war Letho von Guleta begegnet.

      "Sind wir uns einig, Elf?"

      Was anderes als "Ja!" hätte der Scoia'tael-Anführer dem Königsmörder antworten sollen? Eine Ablehnung hätte dieser sicher nicht akzeptiert und Iorweth wäre kurz darauf ein toter Elf gewesen.

      Einige Wochen später geleiteten Letho fünf Scoia'tael-Krieger zu der von Foltest belagerten Burg seines Neffen La Valette. Über eine List gelangte der Königsmörder in die Einsiedelei, in dem die unehelichen Kinder des Königs von Temerien versteckt gehalten wurden und wartete.

      Er wartete darauf, dass das diplomatische Geschick des persönlichen Leibwächters von Foltest, des Hexer Geralt von Riva, die Belagerung beendete. Und der König seine Kinder aufsuchen würde.

      Nach einiger Zeit brachte der weißhaarige Hexer seinen Herrn, König Foltest, tatsächlich in den sicher geglaubten Tempel.

      Letho ergriff sofort die Gelegenheit und tötete den König und entkam Geralt mit einem waghalsigen Sprung aus dem Fenster in den Fluss, wo den Königsmörder die dort wartenden Scoia'tael in ihr Boot zogen und zurück nach Flotsam segelten.

      Geralt von Riva wurde fälschlicherweise als Königsmörder in den Kerker geworfen. Der Kommandant der "Blauen Streifen", Vernon Roche, verhörte ihn, glaubte ihm seine Geschichte und gab dem weißhaarigen Hexer den Schlüssel zur Flucht.

      Roche erwartete ihn mit der Zauberin Triss Merigold und seinen vertrautesten Soldaten auf einem Schiff, das sie nach Flotsam brachte. Da Geralt die am Tempel wartenden Elfen gesehen und als Freiheitskämpfer identifiziert hatte, führte die Spur des wahren Königsmörders zunächst zu Iorweth und der hauste


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