Weihnachten? Um Gottes Willen!. Klaus Grammel

Weihnachten? Um Gottes Willen! - Klaus Grammel


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herausgekommen? Der deutsche Weihnachtsmann straft und belohnt. Findest du diese Angst machende Pädagogik gut? Der amerikanische Weihnachtsmann lebt mit seiner Frau am Nordpol in einem Walt-Disney-Idyll mit Zwergen, Elfen und Wichtelmänner. Ist das aufklärerisch? Und der heutige weltweit anzutreffende Weihnachtsmann will nur eins von mir: Ich soll schenken und das heißt, ich soll kaufen. Er ist der Retter des Einzelhandels und der Motor unserer Wirtschaft. Hältst du das wirklich für einen Fortschritt? Es reicht nicht, gegen die Kirche zu sein. Man muss auch wissen, was man positiv will.

      Und damit bin ich wieder bei euch. Was feiert ihr eigentlich, wenn ihr Weihnachten feiert?“

      „Ein paar Wegweiser könnten nicht schaden“

      Ich habe diesen Satz mal bei der amerikanischen Schriftstellerin Pearl S. Buck gelesen. Auf dem Nachhauseweg von der Kita ging er mir nicht aus dem Kopf. Ebenso wenig wie der Satz aus der Bibel:

       „Sie sind wie Schafe, die keinen Hirten haben.“

      Ich weiß, das Bild ist verbraucht. Aber es ist doch wirklich so, dass sie ziellos sind. Und deshalb machen sie dieses oder jenes, aber es ist keine Linie darin. Sie meinen es gut. Keine Frage. Aber gut gemeint ist, wie man so sagt, noch lange nicht gut.

      Wie konnten sie bloß den Weihnachtsbaum am Kita–Eingang wegräumen! Wissen sie nicht, dass grüne Zweige und geschmückte Bäume in der Kulturgeschichte der Menschen eine wichtige, überaus positive Rolle spielen? Nein, sie wissen es nicht. Aber warum war ihr pädagogisches Gewissen so schwach? Die Kinder ihrer Kita haben den Baum geschmückt! Allein diese Tatsache hätten sie dem aufsässigen Vater doch entgegenhalten können. Und sie hätten mit ihm in den Koran schauen sollen, um ihm zu zeigen, wie der kleine Isa, noch in Maryams Leib, wie also der kleine Jesus noch vor seiner Geburt seiner Mutter Maria, Kraft und Zutrauen gegeben hat, als diese weit weg in der Wüste am Verzweifeln war und sich wünschte, tot zu sein.

       „Sei nicht traurig … schüttele die Palme … und sie wird frische reife Datteln auf dich fallen lassen. Iss und trink und sei frohen Mutes …“

      So zu lesen in Sure 19.

      Der Weihnachtsbaum steht doch nicht für eine christlich-dogmatische Lehre von einem dreieinigen Gotteskind, die einem Muslim anstößig ist. Selbst das allein wäre auch noch kein Grund gewesen, dem Vater nachzugeben. Der Tannenbaum ist doch ein Symbol für Treue und Trost und Kraft zu jeder Zeit. „Was euch die Palme ist, ist uns der Tannenbaum“, hätten sie dem besorgten Vater sagen sollen.

      

       „O Tannenbaum, o Tannenbaum,

       wie grün sind deine Blätter.

       Du grünst nicht nur zur Sommerzeit.

       Nein, auch im Winter, wenn es schneit …“

      

      Das kommt dabei heraus, wenn man nicht fragt, worum es eigentlich geht, wenn man Religion abtut, als überlebt, als unwichtig, als etwas, über das man erhaben ist, wofür man sich nicht interessieren muss. Ich will auch keine kirchliche Indoktrination, ich will auch keine pastorale Bevormundung, Ich bin da völlig einig mit ihnen. Jedoch dass sie ihr Desinteresse, ihr Gar-nicht-etwas-wissen-wollen, ihr Schwanken, ihre mangelnde Orientierung noch als Toleranz ausgeben – da halte ich gegen. Aber ich muss mir auch sagen: Dass sie so sind, kommt nicht von ungefähr. Wenn sie beim Thema Weihnachten an die Kirche denken, warum fällt ihnen dann immer gleich eine kirchliche Ideologie ein, mit der sie nichts am Hut haben wollen? Da soll ein Gott sein, der seinen Sohn vom Himmel auf die Erde geschickt hat, als armes Kind, im Stall geboren, damit der die Welt rettet. Das glaubt doch keiner mehr. Die Welt legt doch immer noch im Argen.

      Ich frage mich das schon: Warum hat die Kirche die Menschen nicht darüber aufgeklärt, dass alles, was sie über Gott aussagt, bildhaft gemeint ist und nicht als objektiv gemeinte Tatsachenbehauptung geglaubt werden soll und darf? Warum hat sie die Kirche nicht ermutigt, kritisch mit der Tradition umzugehen? Warum provoziert die Kirche selber so viele Vorurteile gegen sich?

      Vielleicht, weil sie selbst gar nicht ernsthaft genug nach ihrer Wahrheit fragt, sondern sich nur damit abmüht, dass der Laden läuft? Und weil sie dazu Menschen braucht, will sie keinen verschrecken. Lasst sie glauben, was sie wollen, Hauptsache, sie spielen bei uns mit. Ist es das?

      Mir gefallen meine Gedanken nicht. Werde nicht bitter, rede ich mir selber zu. Vergiss nicht, dass du selbst auch Kirche bist, wie du es oft genug dir und den Menschen gesagt hast. Vergiss nicht, dass du selber auch nicht immer in der Ehrlichkeit und Klarheit geredet hast, die nötig gewesen wäre. Deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirche sind konfliktscheu, harmoniebedürftig, müde und manchmal auch denkfaul, gewiss – aber so wie du auch.

      Plötzlich war der Gedanke da: Ich sollte ein Buch schreiben!

      Ja, Klaus, lege einmal alles so dar, wie du es siehst. Schreibe darüber, was es mit dem Weihnachtsfest auf sich hat. Wie es entstanden ist, wie es sich entwickelt hat, wie es früher war und was es heute ist und was es dir bedeutet. Aus deiner Sicht! Natürlich, anders geht es ja gar nicht. Aber doch so, dass jeder, der an dem Thema interessiert ist, an dem, was du schreibst, nicht vorübergehen kann. Was du sagst, muss belegbar sein, begründet und nachvollziehbar. Schreibe dieses Buch!

      Ich werde ein Buch schreiben

      Ich werde in meinem Buch davon erzählen, wie es früher war, nehme ich mir vor. Sonst kann man nicht verstehen, wo wir heute mit dem Fest stehen. Aber was heißt früher? Wieweit muss ich zurückgehen? Seit wann wird Weihnachten gefeiert?

      Das, was für unsere heutige Zeit Weihnachten ausmacht, ist ja im Großen und Ganzen erst im 19. Jahrhundert entstanden. Der Weihnachtsbaum – gewiss, 1539 wird er das erste Mal erwähnt, in Straßburg. Aber zu seiner großen, inzwischen weltweiten Bedeutung kam er doch erst in der Goethezeit und danach, also im 19. Jahrhundert. Ebenso der Weihnachtsmann. Und die große Rolle, die die Familie bei diesem Fest spielt. Und natürlich, das Schenken und auch das Singen. Das alles gibt es doch erst seit sagen wir etwa 250 Jahren.

      In dieser Zeit ist der Einfluss der Kirche mehr und mehr zurückgegangen. Im neunzehnten Jahrhundert war zwar der Besuch des Weihnachtsgottesdienstes noch weitgehend üblich, der Hauptakzent des Festes lag aber schon auf der Familie. Dorthin hatte sich das Fest mehr und mehr zurückgezogen. Es wurde zu einem familiären, ja privaten Fest. Erst nach dem Kirchgang fing Weihnachten so richtig an. Dann brachte das Christkind die Geschenke oder sogar der Weihnachtsmann höchstpersönlich.

      Aber davor, als es dieses alles, was unsre Zeit heute für wesentlich hält, noch gar nicht gab, gab es doch auch schon Weihnachten!

      Mit Luther wurde diese Entwicklung möglich. Er begann damit, Kinder zu Weihnachten zu beschenken. Daraus ist dann die Sitte entstanden, dass sich auch Erwachsene etwas schenken. Inzwischen ist daraus eine Geschenkorgie geworden. Mit Luther bekam die Feier in der Familie eine Bedeutung. Aber nicht, wie es heute der Fall ist, die alleinige. Für Luther war die kirchliche Verkündigung noch zentral. Gott wurde Mensch in dem Kind im Stall. Und weil dieses die Liebe in Person ist, erkennen wir an ihm, dass wir von der Liebe leben und für die Liebe leben sollen. Also sollte man die Kinder zu Weihnachten beschenken.

      Aber vor Luther gab es doch auch schon Weihnachten!

      Im zwölften Jahrhundert taucht zum ersten Mal der Begriff „ze wihen nath … zur geweihten Nacht“ auf. Es hatte Jahrhunderte gedauert, ehe das Fest aus dem gottesdienstlichen Kalender ins Leben der einfachen Leute gewandert war und dort allmählich vorchristliches Gedankengut durchtränkt und manchmal auch verdrängt hatte.

      Die zwölf Rauch- oder Raunächte von der Sonnenwende bis zum 6. Januar galten als besonders heilige, das heißt, auch gefährliche Nächte. In ihnen, so sagte man, treiben Geister, Dämonen, Hexen … ihre „wilde Jagd“ durch die Lüfte, angeführt vom Gott Odin.

      Man stellt ihnen am besten etwas Essbares vor die Tür und verhält sich ganz unauffällig. Vor allem soll man nicht arbeiten, erst recht


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