Ein Date mit der Seele. Ilka Plassmeier

Ein Date mit der Seele - Ilka Plassmeier


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nur schauen, was der Tag so bringt. Das Seminar beginnt. Es treffen sich in der Regel zehn bis fünfzehn Personen, meist ohne sich vorher jemals gesehen zu haben. Maximal fünf Aufstellungen pro Tag können durchgeführt werden. Die anderen Teilnehmer sind Stellvertreter ohne eigene Aufstellung.

      Wer kommt denn ohne eigenes Anliegen? Sind das etwa Neugierige? Nein, weit gefehlt. Die Stellvertreter, die an einem Seminar teilnehmen, lösen auch immer etwas für sich selbst, indem sie sich für die Übernahme von Rollen zur Verfügung stellen. Die Motivation ist unterschiedlich. Einige haben schon selbst die Erfahrung gesammelt und konnten bei ihrer eigenen Aufstellung so viel lösen und mitnehmen, dass sie gern etwas zurückgeben möchten und sich deshalb als Helfer für andere Aufsteller zur Verfügung stellen. Andere waren schon des Öfteren als Helfer/Stellvertreter dabei und wissen, dass auch in den Nebenrollen viel gelöst werden kann. Wieder andere sind zum ersten Mal anwesend und trauen sich noch nicht, selbst aufzustellen. Diese Personen nehmen gern zunächst als Stellvertreter teil, um sich in die Aufstellungsarbeit einfühlen zu können. Übrigens: Reine Beobachter oder Beisitzer gibt es beim Seminar nicht. Alle, die anwesend sind, können auch eingesetzt werden. Das ist mir wichtig, denn der Aufsteller würde sich im wahrsten Sinne des Wortes beobachtet fühlen und sich daher wahrscheinlich nicht wirklich öffnen können.

      Nach dem Ankommen sitzt die Gruppe also im Seminarraum in einer Runde um den Astro-Teppich. Hier und da steigt die Aufregung und das Herz schlägt schneller. Doch diese Anspannung legt sich schnell, wenn ich mich vorstelle und von mir berichte. Anschließend folgt eine kurze Vorstellungsrunde, bei wir unsere Vornamen nennen und ein wenig zu unserer Person und vielleicht auch über unsere Gemütsverfassung erzählen. So bekommen wir vorab einen Vorstellung davon, mit wem wir den Tag verbringen werden, wie aufgeregt vielleicht auch die anderen sind oder ob ein Teilnehmer sogar schon Aufstellungen kennt. Die ersten erlösenden Lacher folgen, wenn wir feststellen, dass mehr als nur einer von uns in der Nacht zuvor schlecht geschlafen hat und augenblicklich absolut nervös ist.

      Da die Aufstellungsarbeit sehr persönlich ist, gibt es von mir noch zwei Instruktionen:

      1. Alle reden sich mit Vornamen an und während des Seminars sind wir beim „Du". Für mich bleibt es auch zukünftig in der Regel immer beim Du. Untereinander klären dieTeilnehmer dies selbst.

      2. Wer in einer Rolle steht, darf alles sagen, was er fühlt und denkt. Es kann sogar Vorkommen, dass sich zwei Personen gegenüberstehen und sich plötzlich nicht mehr leiden mögen. Das hat dann nichts mit persönlicher Sympathie oder Antipathie zu tun, sondern nur mit der Rolle. In Rollen nehmen wir nichts persönlich. Es ist wichtig, dies auszusprechen, damit wir wissen, was und warum etwas geschieht.

      Und dann geht es auch schon in die erste Aufstellung. Ich frage immer gern in die Runde der fünf Aufsteller des Tages: „Wer mag die Gunst der Stunde nutzen und als erstes aufstellen?" Eine vorgegebene Ablaufliste existiert nicht. Die Teilnehmer machen dies unter sich aus. Nun setzt sich der erste Aufsteller auf den freien Platz links neben mir, dem so genannten „heißen Stuhl". Auf diese Weise kann ich besser auf den Aufsteller eingehen, denn durch die Nähe ist es mir möglich alles zu hören und wahrzunehmen - natürlich auch die Aufregung. Ich bitte den Aufsteller dann, kurz und knapp sein Anliegen zu schildern. Hier unterscheidet sich mein Vorgehen von dem anderer Aufstellungsleiter: Niemand muss sich für nur ein einzelnes „Thema" entscheiden, das aufgestellt werden soll. Stattdessen berichtet jeder über alles, was ihn belastet, stört, blockiert, was er schon immer ändern wollte oder was ihm immer wieder begegnet. Zusammengefasst gesagt, alles aus dem privaten, familiären, beruflichen, gesundheitlichen Bereich, was er verändern möchte. Ich brauche keine Informationen darüber, was der Kopf denkt, woher die Blockade kommen könnte ( „Ja, das ist weil mein Vater so streng war!"). Das tut nichts zur Sache - wir gehen von der Eigenverantwortlichkeit des Klienten aus.

      Das Horoskop des Klienten/Aufstellers liegt mir unterstützend vor und verrät einiges über sein Wesen. Selbstverständlich kann ich dennoch nicht wissen, wie sich der Mensch im Leben entschieden hat, ob er beispielsweise Feuerwehrmann, Bäcker oder Bürgermeister geworden ist - oder alles zusammen. Ich sehe im Horoskop aber solche Themen, mit denen die Person im Allgemeinen und Privaten immer wieder konfrontiert wird, bis die Aufgabe gelöst ist. Während der Schilderungen des Klienten notiere ich mir die wichtigsten Punkte und erhalte auf diese Weise eine Art Symptom-Bild. Nachdem alle Blockaden aufgezählt sind, frage ich nach den Wünschen des Klienten. Wie soll es denn aussehen, wenn das Problem gelöst ist? Was wünscht er sich? Aus diesen zwei Aufzählungen (Problem und Wunsch) formuliere ich für die Aufstellung eine Frage vor. Was ist der Hintergrund des Problems und was ist die Lösung, damit der Klient auf den Weg zu seinem Ziel kommt? Die Fragestellung zeigt, ob ich den Klienten und sein Anliegen tatsächlich voll erfasst habe. Ich lese ihm diese dann vor und er kann immer noch Veränderungen oder Umformulierungen vornehmen lassen. Viele Klienten sind erstaunt über die Fragestellung: „Das passt genau - wie konntest du das wissen?" Das ist nur ein kleiner Beweis dafür, wie unbewusst wir häufig sprechen. Alles, was ich mit dieser Frage formuliert habe, hat der Klient vorher - meist wortwörtlich - gesagt und gleich wieder vergessen oder verdrängt. Ist die Frage passend formuliert, kann der Aufsteller schon fast auf- und durchatmen, denn das meiste hat er schon geschafft.

      Nun bitte ich ihn, ganz intuitiv aus der Gruppe einen Stellvertreter für sich selbst auszuwählen. Und zwar jemanden, den er nicht kennt. Hat der Klient einen Freund, eine Freundin oder Ehepartner zum Seminar mitgebracht, darf dieser nicht gewählt werden, da dieser Mensch den Klienten zu gut kennt und ihm zu nahesteht. Die Freunde und Freundinnen sind darüber meist eher erleichtert. Der Aufsteller schaut also in die Runde und wählt einen Stellvertreter aus. Häufig bestätigt der Stellvertreter die Aufforderung, da er sich in der Aufstellung und den meisten Aussagen wiedererkennen kann. Unsere Intuition lässt uns automatisch immer die Person aus der Gruppe wählen, die am besten für die Rolle passt, also eine Entsprechung zur Thematik hat.

      Der Grund für die Wahl eines Stellvertreters ist, dass das Original schon lange mit den Blockaden lebt und sich damit eingerichtet hat. Er kennt also seine Sofazone. Jede Veränderung steht dann zunächst für Anstrengung und häufig auch Angst. Der Druck ist noch nicht ganz so hoch - es hat bisher irgendwie funktioniert, da kann es ja auch noch weiter funktionieren. Ein Stellvertreter für den Aufsteller ist wesentlich eher bereit, etwas zu verändern und die Wandlung geht schneller vonstatten. Die Wirkung für den Aufsteller ist die gleiche. Emotional ist er die ganze Zeit über voll eingebunden, auch wenn er auf dem Stuhl sitzt und seine Aufstellung von außen verfolgt. So kann er mit etwas Abstand beobachten, was er selbst so macht, aushält und erleidet. Er kann sich besser konzentrieren und das Bild wirken lassen.

      Dass dieses Vorgehen funktioniert, lässt sich einfach erklären. Aus der Hirnforschung wissen wir, dass unser Gehirn nicht zwischen dem wahrhaftig Erlebten und guter Vorstellung unterscheiden kann. Alles, was wir schon einmal erlebt haben, können wir mit allen Sinnen nachempfinden. Stell Dir vor, draußen herrschen minus zwanzig Grad und Du kommst von einem Spaziergang zurück. Der Wind war eisig und Du konntest spüren, wie Dir kleinste Eiströpfchen entgegenschlugen. Dein Gesicht kribbelt bereits noch während Du Deinen Mantel ausziehst und in die Küche gehst, um Dir einen schönen heißen Tee zuzubereiten. Kanne aufsetzen, Teebeutel herausholen. Das Wasser kocht und schon gießt Du es siedend heiß in die Kanne mit den Teebeuteln hinein. Der wohlige Geruch des Tees steigt Dir in die Nase. Und? Entspannst Du Dich schon? Und so ist es auch mit dem Aufsteller und Stellvertreter. Der Aufsteller kennt seine eigenen Verhaltensweisen und nun kann er sie von außen betrachten. Alles, was der Stellvertreter ihm zeigt, kann er genau nachvollziehen -ähnlich wie Du zuvor die Kälte und auch die wohlige Wärme des duftenden Tees geradezu spüren konntest. Bei dem Aufsteller ist zusätzlich noch die Verstandesebene eingeschaltet und er ist in der Lage von außen zu sehen, wie wir allgemein agieren und wie paradox unser Tun so manches Mal ist. Wir haben also den „richtigen" Stellvertreter ausgewählt und nun beginnt die eigentliche Aufstellung.

      Der Stellvertreter wird am Astro-Teppich, der (wie Pizzastücke) in zwölf Häuser aufgeteilt ist, in dem astrologischen Haus platziert, in dem die Sonne im Geburtshoroskop des Klienten steht. Hier soll er sich zunächst einfühlen, bevor irgendetwas passiert. Wie stehe


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