7/4. Jack Timber
in der Zeitung von einem Selbstmord an der Bahnstation von San Leandro lesen, darfst du fortfahren. Ich erwarte deinen Anruf mit allen Details in spätestens drei Wochen. Sonst noch was?“
„Nein, das wäre alles.“ Said hatte den Satz noch gar nicht vollendet, da hörte er durch ein langes Tuten, dass sein Gegenpart die Verbindung bereits beendet hatte. Der Typ scheint wohl kein Mann der langen Verabschiedungen zu sein, dachte Said.
Said tippte noch die Namen seiner vier Brüder ein und schickte diese als SMS wie versprochen ab.
Dann schaltete er das Handy aus und fuhr wieder zurück in die Metropolregion von San Fransisco.
Am nächsten Morgen konnte Said gar nicht schnell genug zum Zeitschriftenladen kommen. Er wählte die USA Today und überflog gleich die Schlagzeilen.
Im Lokalteil brauchte er nur wenigen Seiten zu durchblättern. In einem kleineren Bericht unten rechts fand Said die Bestätigung die er gesucht hatte.
Obdachloser wirft sich vor die Gleise.
Gestern Abend hat sich ein Obdachloser auf die Gleise kurz vor der Station San Leandro gelegt, offenbar als Bleibe für die Nacht. Der Mann wurde vom Zug in zwei Teile getrennt. Er war sofort tot. Den Ermittlern war es somit schwer den Alkoholgehalt zu messen. Sie konnten allerdings Proben aus dem oberen Körperteil entnehmen und fanden heraus, dass der Mann mit 2,8 Promille sich auf die Gleise begeben hat. Wenigstens hatte der Mann sich nicht selber ans Steuer eines PKWs gesetzt. Er hätte eine ganze Familie auslöschen können. Die Polizei verwies auf Grund des Ereignisses generell zu einem verantwortungsbewussten Konsum von Alkohol.
Da war er wieder, der amerikanische Zeigefinger, schmunzelte Said. Er war nicht verwundert über die etwas unübliche Übermittlung von Nachrichten. Sein Partner schien ein harter Brocken zu sein. Said würde ihn gerne mal kennenlernen.
Er hatte den Kontakt zu ihm von einem Moschee-Oberhaupt bekommen. Genauso wie das Handy. In den kurzen und knapp gehaltenen Telefonaten sprachen sie eigentlich nur über den Auftrag. Keine Floskeln, keine Fragen der Überzeugung.
Reines Business.
13
Das kleine Haus lag am Rande des Mojave National Preserve. Es lag sehr abgeschieden. Außerdem verirrten sich in diese Gegend bei weitem sich nicht so viele Touristen wie in dem benachbarten Joshua Tree National Park. Der Zufahrtsweg bestand aus einer Schotterpiste für die man unbedingt ein Allradfahrzeug benötigte. Vermutlich waren in dem letzten Jahrzehnt nur eine Handvoll Leute hier gewesen. Mit dem heutigen Tag sollte die Quote verzehnfacht werden.
Nur beim genaueren Hinsehen konnte man hinter den Vorhängen eine Gestalt ausmachen. Durch den Stoff war allerdings nicht zu erkennen, dass die Person geknebelt an einem Stuhl gefesselt war.
In etwa zwei Kilometer Entfernung beobachteten drei im Wüstenanzug getarnte Männer die Szenerie. Ihre Ferngläser konnten alle Details des Hauses festhalten. Einer der drei fotografierte jeden Quadratmeter.
„Ok, habe alles im Kasten. Was ergaben die Wärmeaufnahmen?“
„Zehn Personen. Eine bewegt sich keinen Millimeter, ist vermutlich gefesselt. Die anderen Geiseln kann ich auf Grund der Bewegungen nicht ausmachen. Auf einem Sofa sitzen fünf Personen. Die anderen vier scheinen sich die Patrouillen in zwei Gruppen aufzuteilen. Zwei sind immer draußen im Vorgarten, wenn man das verdorrte Stück Land so nennen kann. Wenn wir Glück haben, nimmt uns eine Klapperschlange ein bisschen Arbeit ab. Die anderen zwei bewachen den Eingang.“
Der dritte Mann nickte mit dem Kopf.
„Alles klar. Wir haben genug gesehen. Zurück zum Basislager. Die nächsten fünfhundert Meter bis zur großen Düne will ich kein Kleidungsstück oder irgendwas anderes von euch sehen, das mehr als 20 Zentimeter über den Sand ragt. Los.“
Als die drei fast unsichtbaren Gestalten hinter der großen Sanddüne verschwanden, fotografierte eine Drohne in fünftausend Metern Höhe das gesamte Gelände. Sekunden später schickte das unbemannte Flugzeug seine Daten ebenfalls hinter die große Düne.
Genau wie die drei getarnten Männer verschwanden die Daten der Drohne unter einem Einsatzzelt der Abteilung. Mike Stevens stand vor einer Computerwand, von der er alle Fotografien, Wärmebilder und Karten betrachten konnte. Nach wenigen Minuten trommelte er die drei Gruppenführer seines Zuges zusammen.
„Harry, John, Mark, wir haben nun ein komplettes Bild der Lage. Die sechs Terroristen befinden sich alle in dem Haus, wobei zwei abwechselnd draußen auf Patrouille sind. Die vier Geiseln sind ebenfalls im Haus, mindestens eine ist gefesselt.
Zum Anschein gehen wir auf Ihre Forderungen ein und lassen Muhammed Jafreezy aus Guantanamo Bay frei. Als Beweis übergeben wir einen Laptop mit einer Satellitenfernsehkarte, auf der sie die Ereignisse verfolgen können. Carlos konnte inzwischen ein sehr gut gespieltes Video von TTN faken, das wir in den ersten zehn Minuten abspielen werden. Die Terroristen werden also nicht TTN live sehen, sondern unser Video.“
John setzte ein fragendes Gesicht auf und hakte sofort nach.
„Wer sagt denn, dass die Kerle TTN gucken?“
„Wir werden einen breaking news Alarm auf allen Kanälen vorgaukeln. In der Laufzeile wird von TTN berichtet, dass sie über Videoaufnahmen die Freilassung Jafreezys zeigen. Wenn alles glatt geht, werden wir nicht mehr als die ersten fünf Minuten des Videos brauchen. Sobald ein Kollege den Rechner hundert Meter vor dem Haus ablegt, werden wir die Chance nutzen und uns von hinten an das Haus pirschen. Dazu tragen wir die Camouflage-Anzüge. Mit deren Temperatursensoren werden wir auf eventuell vorhandenen Wärmebildern nicht erkennbar sein. Als Waffen werden wir nur kleinkalibrige Walther PPQs mitnehmen. Jeder Mann drei Waffen, das macht dreißig Schuss pro Mann. Für’s Nachladen werden wir keine Zeit haben. Von der Munition her heißt das, dass wir es uns erlauben könnten, daneben zu schießen. Und das nicht nur einmal. Auch wenn ich das Danebenschießen keinen einzigem von uns zutraue Die Waffen passen prima unter den Camouflage-Anzug und sind auch sehr robust was das Gelände angeht. Der Sand wird weder Probleme im Lauf noch beim Abzug machen.“
Mike pausierte kurz und sammelte sich für die genaue Vorgehensweise.
„Harry, ihr seid Team Alpha. Ihr werdet euch auf mein Zeichen bis auf drei hundert Meter an das Haus anschleichen. Nach dem „Go“ pirscht ihr euch direkt an die Hauswand. Dort solltet ihr erst mal genug Schutz haben. Zu Viert habt ihr dort ausreichend Unterschlupf.“
Mike deutete auf die rechte Hauskante. Hier war in den Luft- und Landaufnahmen ein kleiner Überstand zu sehen.
„John, ihr seid Team Bravo. Ich werde euch folgen. Genau wie Team Alpha schleichen wir uns an das Haus an, gehen dann aber auf der linken Seite in Deckung.
Mark, eure Scharfschützentruppe postiert sich im fünfhundert Meter Abstand in einem Kilometer Entfernung um das Zielobjekt. Nachdem einer der Terroristen mit dem Computer wieder im Haus verschwunden ist, legt ihr die beiden Wachen um. Dann habt ihr erst mal Sendepause. Jeder Feind, der zu fliehen versucht, wird ohne Rückfrage eliminiert.
Wir werden beim Zugriff das Überraschungsmoment ausnutzen. Wenn Carlos die gefälschten Bilder von Muhammed Jafreezy sendet, wird die Aufmerksamkeit der Terroristen am geringsten sein. Genau in diesem Moment gibt mir Carlos sein Zeichen. Wenn nichts anderes dazwischen kommt, funke ich euch mein Zeichen und los geht’s.“
„Was ist denn dein Zeichen? Auf die Plätze, fertig, los?“, grinste Mark.
„Was hättest du denn gerne?“
„Naja, burn motherfucker burn, ist wohl etwas zu lang.“
„Ok, dann nehmen wir nur burn burn.
In dieser Sekunde wird Team Alpha den Eingang stürmen. Team Bravo wird sich durch das große Fenster kämpfen, ich selber werde durch das Fenster der Geisel kommen. Die Kerle sollten so überrascht sein, dass sie gar nicht wissen wohin sie zuerst schießen sollen. Im Idealfall ist jedes Team mit zwei Männern binnen zwei Sekunden im Haus. Wenn jeder von denen einen Terroristen erledigt, sind wir durch. Im Idealfall.