Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely

Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland - Anna-Maria Wessely


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einem Schiff nach Israel ausreisen. Die Odyssee ist aber noch nicht zu Ende. Nur durch die Ehe mit Dora gelingt es Willi neben dem jüdischen Glauben auch die israelische Staatsangehörigkeit anzunehmen. In dieser Zeit kann Israel den Massenansturm der Emigranten kaum bewältigen.

      Da Dora den Kontakt zu ihren Verwandten in Israel nicht abreißen ließ, können sie bei einer Cousine von ihr unterkommen. Mit dem Mitgebrachten versuchen sie zuRecht zu kommen.

      Da sie als Czernowitzer in einer Stadt leben möchten, haben sie von Anfang an eine Auge auf Tel Aviv geworfen. Dass sie in der Schweiz das Bäckerhandwerk erlernt haben verschafft ihnen vielleicht einen Vorteil. Sie versuchen Arbeit zu bekommen. Eines Tages finden sie ein älteres Ehepaar, die Besitzer einer Bäckerei sind. Sie bekommen Arbeit und ein möbliertes Zimmer.

      Aller Anfang ist schwer, auch in Tel Aviv. Mit der Aussage: »Dass wir wieder früh aufstehen müssen, nehmen wir gerne in kauf « , beginnen sie ihre neue Arbeit. »Ich hätte nicht gedacht, dass der Unterschied zur Arbeit in der Schweiz so groß ist « , kommentiert Willi den neuen Job. Da das Bäckerehepaar mitarbeitet, fallen auch Willi und Dora die Arbeiten nicht schwer.

      Nun arbeiten sie schon ein Jahr fleißig in der Bäckerei. Mitten in der Stadt ist es viel hektischer als in dem Schweizer Dorf. Koschere Backwaren kennen sie zwar aus Czernowitz, aber an Vieles müssen sie sich gewöhnen.

      »Mir macht die Arbeit in der Backstube Spaß. Jetzt kann ich auch koscher backen « , erzählt Willi eines Tages seiner Frau. Dora steht jetzt häufiger am Verkaufstresen, da sie ihre Sprachkenntnisse inzwischen verbessern konnte. Willi und Dora haben sich schnell an das jüdische Leben gewöhnt. »Was uns noch fehlt, ist eine Wohnung « , stöhnt Dora Willi vor.

      Bei Gesprächen mit Kunden am Verkauftresen bringt Dora immer wieder ihr Interesse an einer Wohnung ein. Tatsächlich vermittelt eines Tages eine Kundin Dora eine schöne Wohnung. Sie schlagen sofort zu, denn Wohnraum ist hier knapp.

      Sie sind außer sich vor Freude, als sie sich die neue Wohnung ansehen. Sie erstellen eine große Skizze von der Wohnung, und richten sie mit Pappschablonen ein. »Jetzt wissen wir, welche Möbel wir kaufen können « , strahlt Dora. Willi ergänzt: »Ich kann die Zeit nicht mehr abwarten, dass wir in unsere neue Wohnung ziehen « .

      Sie haben es nicht weit bis zum nächsten Möbelhaus. In dem großen Möbelgeschäft finden sie alles was sie suchen. »Lass uns die Wohnung herrichten, bevor die Möbel kommen « , schlägt Willi vor. Mit Freude machten sie sich an die Arbeit. Jetzt arbeiteten sie Tag und Nacht.

      Sie sind gerade fertig geworden, als das Möbelhaus die Auslieferung der Einrichtung ankündigt. Es ist ein wunderschöner Tag und die Sonne scheint, als sie den Möbelträgern ihre Anweisungen erteilen.

      »Fällt dir auf, dass wir für ein Zimmer keine Möbel ausgesucht haben? « , fragt Dora verschmitzt. »Stimmt, warum eigentlich? « , fragt Willi. Dora muss schmunzeln und erwidert: »Mal sehen, was uns noch einfällt? « .

      Zur Einweihung ihrer Wohnung laden sie den Bäckermeister mit Frau, ihre Cousine und auch die neuen Freunde ein. »Siehst du!«, sagt Dora spitzbübisch zu Willi, »jetzt können wir das leere Zimmer für die inweihungsfeier nutzen«

      Als Dora Willi eines Tages mit der Feststellung umarmt: »Ich weiß jetzt, warum wir das Zimmer nicht eingerichtet haben « , fällt auch ihm die Antwort ein: »Wir bekommen Nachwuchs! « .

      Die nächsten Monate vergehen wie im Fluge. Sogar der Bäckermeister lässt sich zu der Aussage hinreißen: »Es wird bestimmt ein Junge « . Die beiden vermuten: »Der Bäckermeister denkt bestimmt an einen neuen Lehrling « .

      Inzwischen werden die Tage wieder länger und die Zeit der Niederkunft naht. Es ist März 1950, als Dora einen gesunden Jungen zur Welt bringt. Willi ist jetzt außer sich vor Freude. Inzwischen haben sie auch das dritte Zimmer als Kinderzimmer hergerichtet.

      Als die glückliche Mutter aus dem Krankenhaus nach Hause kommt, kann sie den strammen Jungen in die bereitstehende Wiege mit dem blauen Himmel legen. Die beiden können ihr Glück immer noch nicht fassen. Auch die Bäckerei nimmt gern in Kauf, dass sich Dora in nächster Zeit um das Kind kümmern wird.

      Die Ausreise

      Erst 1953, acht Jahre nach ihrer Rückführung, haben Katharina, ihre Mutter und die Kinder die Papiere für die Ausreise zusammen. Die Tante der fremden Kinder hat die Familie bei der Ausreise unterstützt. »Ohne fremde Hilfe hätten wir das nicht geschafft « , sagt Katharina, als der Brief vom auswärtigen Amt eintrifft. Das sie von der Bundesregierung herausgekauft wurden, können sie sich nicht vorstellen.

      Die Familie ist über die Ausreisegenehmigung erleichtert, denn inzwischen haben sie auch etwas Geld für die Reise zusammen bekommen.

      Während die beiden Frauen ein schlechtes Gewissen haben, freut sich der Rest der Familie auf die Ausreise nach Deutschland. In den Papieren steht als Ankunftsanschrift Lebenstedt. Hier wohnen die Verwandten.

      Katharina hatte zwar andere Vorstellungen von ihrem Leben. Aber nachdem fest stand, dass Viorel mit ihr und dem Kind nichts zu tun haben will, hat sie die Entscheidung auszureisen getroffen.

      Wie ein Lauffeuer spricht sich ihre Ausreise im Dorf herum. Diese Reise fällt ihnen heute leichter als vor 13 Jahren. Während sie damals zur Umsiedlung gezwungen wurden, reisen sie jetzt der Kinder wegen freiwillig aus. Viel ist inzwischen geschehen. Die letzten Jahre sind nicht spurlos an Katharina und ihrer Mutter vorüber gegangen.

      Der Abschied von inzwischen liebgewonnen Menschen fällt ihnen schwer. Das spüren sie, als sie sich verabschieden. Trotzdem freuen sie sich auf Deutschland, das sich inzwischen wirtschaftlich gut entwickelt. Vor allem freuen sie sich auf das Wiedersehen mit ihren Verwandten.

      Vor Abreise übergeben sie Karl das Haus samt Inventar. Was er daraus machen wird, weiß er auch noch nicht. »Ich werde sehen, wie es mit dem Haus weitergehen wird. Ich glaube, ich übergebe es der Gemeinde « , sagt Karl bei der Verabschiedung.

      Da es 1953 den Menschen in der Bundesrepublik bereits gut geht haben sie die Hoffnung, sich dort ein neues Leben aufzubauen. Sie haben von Demokratie und Freiheit gehört. Von ihren Verwandten erfahren sie, dass in Lebenstedt viele Buchenlanddeutsche vor dem Kriegsende zur Arbeit angesiedelt wurden. Später kamen Flüchtlinge hinzu.

      Am 6.6.1953 ist der große Tag gekommen. Mit einem Handwagen bringt Karl die Koffer zum Bahnhof. Hier haben sich Bekannte und deutsche und rumänische Freunde zur Verabschiedung eingefunden.

      Diesmal steigen sie in einen schmucklosen Zug ein. Bei der Abfahrt winken sie mit ihren Taschentüchern aus den Fenstern. »Wir brauchen keinen geschmückten Zug, weil wir wissen, dass man in Deutschland auf uns wartet « , kann sich Katharina bei der Abreise nicht verkneifen. Die Gedanken an die Umsiedlung von damals sind trotzdem wieder da.

      »Mama, ich muss daran denken, dass wir jetzt zum zweiten Mal die alte Heimat verlassen. Nur jetzt ist es ganz anders und es tut auch nicht mehr weh « , erzählt Katharina ihrer Mutter, als sich der Zug in Bewegung setzt. Die Antwort ihrer Mutter lässt lange auf sich warten: »Ja, ich denke daran, wie aufgeregt wir damals waren « . »Weißt du noch, wie meine Geschwister auf den Brettern zwischen den Bänken schlafen sollten « , erinnert sich Katharina. Eine Weile erzählen sie von alten Zeiten. »Leider ist Otto gefallen und Josef vermisst «, stellt Katharinas Mutter traurig fest.

      Es ist eine lange Fahrt mit vielen Aufenthalten. Bei Katharina und ihrer Mutter stellt sich Erleichterung ein, als sie die rumänische Grenze überqueren. »Weist du noch, wie aufgeregt wir waren, als wir vor acht Jahren die Grenze in die andere Richtung überquerten? « , fragt ihre Mutter. Katharina sagt nur: »Ich möchte lieber nicht daran denken « .

      Ankunft in der neuen Heimat

      Nach drei Tagen steht ihnen der letzte Abschnitt der Reise bevor. Von Braunschweig geht es jetzt nach Lebenstedt. Nur die Aufregung und die Neugierde hält alle wach, so müde sind sie.

      Bei ihrer Ankunft in Lebenstedt werden sie am Bahnsteig


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