Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland. Anna-Maria Wessely

Katharina - Der letzte Winter mit Wölfen und Bären im Buchenland - Anna-Maria Wessely


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ihnen, dass ihre Familie 1940, als die Sowjets in Czernowitz einmarschierten, aus der Nordbukowina geflüchtet ist. Später hat ihnen die Gemeinde dieses Haus zur Verfügung gestellt. Auch in der Nachbarschaft wohnen Flüchtlinge aus der Nordbukowina.

      Nachdem Katharina und ihre Mutter ihre Geschichte erzählen, waren sie sich die Frauen über die verheerenden Folgen von Flucht und Vertreibung einig.

      »Dora und Willi haben noch einige Zeit im Nachbarhaus gelebt. Dann soll ihnen ein Onkel aus Amerika Geld und Fahrkarten für die Ausreise geschickt haben « , sagt die Frau.

      Gleich am nächsten Tag beginnt Karl mit den Arbeiten am Haus. Aufgrund seiner guten Kontakte hat er das Haus nach zwei Wochen halbwegs hergerichtet. Die fehlenden Türen und Fenster wurden eingebaut oder zugenagelt und der Fußboden wurde repariert.

      Katharina, ihre Mutter und die großen Kinder haben inzwischen das Grundstück auf Vordermann gebracht. Durch die Mithilfe von Karl wurde im Ort die Inneneinrichtung zusammengetragen. Auch Decken und Federbetten.

      Nach drei Wochen können Katharina mit ihrer Mutter und den Kindern das Haus beziehen. Alle sind glücklich. Jeder muss jetzt mit anfassen. Die großen Kinder nehmen im Ort leichte Arbeiten auf, um etwas Geld zu verdienen. Die kleineren Kinder sammeln was sie nur können.

      Inzwischen versucht Katharina immer wieder Kontakt zu Viorel aufnehmen. Über Viorel erfährt Katharina, dass er verheiratet ist. »Jetzt ist mir auch klar, warum er sich verleugnen lässt « , sagt Katharina verzweifelt zu ihrer Mutter. »Nicht einmal den Jungen will er sehen « , antwortet die Mutter. Später erfahren sie, dass Rosanah ausgezogen ist.

      Die neuen Erkenntnisse lassen die Frauen verzweifeln. Ihre ehemalige Heimat empfinden sie wie ein fremdes Land. Nur im Ort weiß man von den deutschen Neuankömmlingen. Sie haben Glück, dass sie den Winter ohne großen Schaden überstehen.

      Im Frühjahr besuchen sie Rumänische Arbeiter, die im Steinbruch von Katharinas Vater gearbeitet haben, um ihre alte Freundschaft zur Familie zu bekunden. In Rumänisch erzählen sie ihnen: »Der Steinbruch stand fünf Jahre still. Danach hat die Gemeinde einen Sprengmeister eingestellt und die Arbeit wieder aufgenommen. Seit dem arbeiten wir im Steinbruch «. »Siehst du Mama, es gibt noch Menschen die sich an uns erinnern « , stellt Katharina hoffnungsvoll fest.

      Die große Enttäuschung folgt, als ein paar Tage später ein Mann mit einem Brief von der Gemeinde vor der Tür steht. In rumänisch erklärt er ihnen, dass er dieses Haus von der Gemeinde bekommen hat.

      Obwohl sie nicht begreifen, was er ihnen erzählt, beschließen das Haus zu räumen. Der Bekannte sagt ihnen zu sich auf die Suche nach einem anderen Haus zu begeben. Sie fügen sich und beurteilen das Verhalten der Gemeinde nicht.

      Sie haben Glück, weil sie bald ein anderes leerstehendes Haus an einem schöneren Platz finden. Karl hat ihnen zugesagt, dass er auch dieses Haus wieder herrichten wird. Alles was sich im alten Haus befand, haben sie im Schuppen bei Karl untergebracht. Auch sie selbst wohnen vorübergehend wieder dort. Es dauert wieder drei Wochen, bis sie in das Haus einziehen können.

      Auch den zweiten Winter haben die Frauen mit ihren Kindern überlebt. Vieles hat sich inzwischen eingespielt. Nachdem sie ein Jahr in dem Haus wohnen, sagt Katharina eines Morgens: »Ich hoffe, dass sie uns jetzt zufrieden lassen « . »Noch einmal möchte ich das nicht erleben « , hofft ihre Mutter.

      Was sie aber noch nicht wissen ist, dass man ihnen auch dieses Hause wegnehmen will. Im Frühjahr erscheint ein Pope, ein orthodoxer Priester, mit einem Brief der Gemeinde, um das Haus in Besitz zu nehmen.

      Nur dieses Mal nehmen die beiden Frauen ihren ganzen Mut zusammen und jagen den Priester davon. Katharinas Mutter ist empört: »Statt uns zu helfen, will uns der Pope das Haus wegnehmen. Wo sind wir denn da? « . »Mama, du hast gut reagiert. Ich habe uns schon ausziehen sehen « , steht Katharina ihrer Mutter bei.

      Sie haben nie wieder etwas von dem Pope gehört. Auch hat die Gemeinde sie von nun an zufrieden gelassen. Dieses Geschehen hat bei den Frauen zu der Erkenntnis geführt, dass sie dieses Leben nicht ewig führen können.

      Zu den verbliebenen Deutschen und zu rumänischen Familien haben sie inzwischen Kontakt aufgenommen. Auch die sind über das Verhalten der Gemeinde entsetzt. »Was können wir dafür, was Hitler mit den Juden gemacht hat? « , machen sie den Menschen im Ort klar. In Rumänien zeichnen sich in dieser Zeit bereits kommunistische Tendenzen ab.

      Bis auf die beiden kleineren Kinder, gehen die großen jetzt in die rumänische Schule. »Das können wir nicht ändern « , kommentiert Katharina, »den Deutschunterricht bekommen sie von mir « .

      Dass Rumänien kein Königreich mehr ist, haben Katharina und ihre Mutter bei der Einreise erfahren. Bei Ankunft hat ihnen Karl erzählt, wie man mit den Deutschen umgeht. »Ihr braucht keine Angst zu haben, dass euch die Kommunisten zur Zwangsarbeit nach Sibirien verschleppen. Mit Frauen und Kindern können sie nichts anfangen « , erzählt ihnen Karl hinter vorgehaltener Hand.

      Obwohl sie nicht mehr in der alten Gemeinschaft leben, haben sich die Frauen mit der Situation abgefunden. Zunächst bleibt ihnen auch nichts anderes übrig.

      Jahre später erscheint ein Tages die Schwester der im Zug verstorbenen Mutter. Sie hatte über das Rote Kreuz erfahren, wo sich die Kinder ihrer verstorbenen Schwester aufhalten.

      Mit den Sätzen, »Guten Tag, ich bin die Schwester der verstorbenen Mutter. Ich möchte euch finanziell unterstützen und die Kinder meiner verstorbenen Schwester mit nach Westdeutschland nehmen « , beginnt sie die Unterhaltung. »Wie sie sehen, sind aus den Kindern inzwischen Jugendliche geworden! « , kontert Katharina zunächst.

      »Die Papiere für die Ausreise habe ich dabei « , erklärt sie beiden Frauen. Katharina und ihre Mutter sind perplex. Sie sehen ein, dass sie sich mit der neuen Situation abfinden müssen.

      Sie können sich nicht vorstellen, dass eines Tages ein Engel erscheint, der sich um die fremden Kinder kümmert. Sie fragen: »Dass geht so einfach? « . »Aber ja, ich habe mit viel Mühe die Ausreiseunterlagen zusammenzubekommen « , antwortet die Fremde.

      Die Kinder kennen ihre Tante nicht und befürchten, dass sie entführt werden sollen. Nachdem Katharina und ihre Mutter die Unterlagen der Frau genau studieren, können sie die Kinder beruhigen.

      Jetzt fällt auch ihnen ein Stein vom Herzen. »Nach Deutschland wollten wir auch mit Mama ausreisen « , sagte die große Jugendliche zur Besucherin. »Seht ihr, jetzt bin ich hier und bringe euch dort hin « , versucht die Fremde sie zu beruhigen.

      Die Kinder, die zum Teil zu Jugendlichen herangewachsen sind, bilden jetzt zwei Gruppen. Während die fremden Kinder nun von der Frau mehr über Deutschland erfahren möchten, wissen die eigenen Kinder nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen.

      »Kommst du aus dem goldenen Westen « ?, wollen die Kinder wissen. »Ja, ich komme aus Dortmund in Westdeutschland « , bestätigt die Tante. »Im Westen soll es den Menschen besser gehen, als im Osten? « , hinterfragt die Jüngste. »Ihr habt mehr zu Essen und bessere Kleidung « , ergänzt die Ältere.

      Eine ganze Zeit lang gehen die Gespräche zwischen der fremden Frau und den Kindern hin und her. Irgendwann fragt Katharina die Kinder: »Bei uns hat es euch doch gefallen? « »Ja, ja « , ruft die Schar zurück. »Pilze suchen und Beeren sammeln hat uns viel Spaß gemacht! « , bestätigen sie.

      Katharina und ihre Mutter versuchen die Traurigkeit bei den eigenen Kindern zu vertreiben. Zum Glück haben sich bei ihnen keine Neidgefühle entwickelt.

      Es dauert noch einige Zeit, bis die Frau mit den Kindern die Ausreise antreten kann. Auf einen Schlag war die Familie kleiner geworden. »Schade, wir haben uns so an sie gewöhnt « , sagen Katharina und ihre Mutter, als sich die Tante mit den fremden Kindern verabschiedet.

      »Aber jetzt haben wir es vielleicht etwas leichter. Nur müssen wir die Arbeiten neu aufteilen « , sagt Katharina zu ihrer Mutter. Hinterher erfahren sie, dass Westdeutschland für die deutschen Rücksiedler herausgekauft haben soll.

      Obwohl


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